{unbezahlte Werbung}

Federica de Cesco

Der englische Liebhaber

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 360 Seiten

·         Verlag: Europa Verlag

·         ISBN-13: 978-3958900806

 

 

 

Ein vielschichtiger, ein wichtiger, ein grandios geschriebener Roman

 

Aus dem Europa Verlag habe ich zuletzt den großartigen Roman „Ein Held in dunkler Zeit“ von Christian Hardinghaus gelesen, der mich sehr beschäftigte. Und nun vorliegender Roman im gleichen Verlag, von einer Autorin mit großem Namen – das weckte in mir höchste Erwartungen. Und ganz kurz gesagt: Der Roman „Der englische Liebhaber“ übertraf sogar noch meine höchsten Erwartungen, umso mehr, als man erfährt, dass es sich um die Ausgestaltung einer wahren Begebenheit handelt.

 

Der Roman bewegt sich in zwei Zeitebenen: Münster 1988 - Charlotte, 1947 geboren, Filmemacherin, findet im Nachlass ihrer verstorbenen Mutter Anna Tonbänder und Notizhefte. In diesen Aufzeichnungen wird die zweite Zeitebene lebendig, nämlich Münster 1946. Die Stadt ist zerstört, es ist Winter und Anna versucht, als Dolmetscherin bei den britischen Besatzern ihr Überleben zu sichern. Als ihr der englische Captain Jeremy begegnet, beginnt eine gefährlich-leidenschaftliche Beziehung, denn mit dem Feind lässt sich eine deutsche Frau nicht ein, sie wird zu einer „Britenschlampe“.  Anna wird schwanger, und Jeremy ist von einem Tag auf den anderen verschwunden, die Ämter verweigern jegliche Auskunft. Je mehr Charlotte in den Aufzeichnungen ihrer Mutter eintaucht in deren Leben und Lieben, desto lebendiger wird für den Leser die immense Kraft einer Liebe, die mehr aus Hoffen denn aus Leben bestand.

 

Jenseits der Erzählung des Geschehenen liegt noch eine dritte Ebene, und die verleiht dem Roman die eigentliche Tiefe. Es ist die Ebene der Reflektion, des Erkennens, der Information, auch der Ernüchterung. „Man hatte uns nicht zur Kritik erzogen.“ Wir erfahren viel über ein Kapitel deutscher Nachkriegszeit, einer Zeit, in der die Menschen noch nicht wirklich frei waren von den Nachwirkungen der nationalsozialistischen Gedankenwäsche und in der die kollektive Schuld verdrängt werden musste, damit man weiterleben konnte.

 

Federica de Cesco schreibt hinreißend, mitreißend, lebendig, intensiv. Die von ihr beschriebenen Menschen verkörpern jeweils eine individuelle Ausprägung ihrer Zeit: Manfred steht für die Verleugnung des Ich zugunsten einer Ideologie. Jeremy bleibt trotz seiner glaubhaften Liebe zu Anna ambivalent, schillernd, eine Projektionsfläche für Anna’s Gedanken und Sehnsüchte. Anna wiederum ist hart mit sich und anderen, verschlossen, unerreichbar auch für ihre Tochter. Und Charlotte bleibt provokant, ohne echtes Einfühlungsvermögen, eine zutiefst beschädigte Seele, voller Bitterkeit.

 

„Im Alter geht man vom Leben weg“, schreibt Anna. Und dem Leser bricht das Herz.

 

Fazit: Ein vielschichtiger, ein wichtiger, ein grandios geschriebener Roman!