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Sandra Lüpkes

Die Schule am Meer

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 576 Seiten

·         Verlag: Kindler Verlag

·         ISBN-13: 978-3463407227

#DieSchuleamMeer

 

Mutiges Projekt in schwieriger Zeit

  

„Wir sehen nur das, womit wir uns beschäftigen“, so heißt es an einer Stelle im vorliegenden Buch. Sandra Lüpkes hat sich ausführlich beschäftigt mit einer historischen Begebenheit auf der Insel Juist und diese durch die Gestaltung in Romanform neu zum Leben erweckt. Mir hat die Beschäftigung mit diesem Roman neue Einblicke in eine Zeitepoche geschenkt, in der sich das spätere große Unheil mit Donnergrollen ankündigte, und dies auf einem Fleckchen Erde, von dem ich dies nie so erwartet hätte.

 

Der Roman beginnt im Jahr 1925, als das Ehepaar Reiner zusammen mit dem Pädagogen Martin Luserke ihren Traum verwirklichen will, ein Internat auf der Insel Juist zu gründen. Sie möchten ihren reformerischen, ganzheitlichen Erziehungsidealen folgen, bei denen auch den musischen Fächern genügend Raum gegeben werden soll. Hierfür gewinnen sie den Musikpädagogen Eduard Zuckmayer, Bruder des Dichters Carl Zuckmayer. Ein hartes, entbehrungsreiches Leben beginnt. Kälte, Krankheit, Brandstiftung, hinterrücks getötete Haustiere, interne Spannungen, dazu die alltäglichen pädagogischen Herausforderungen -  das ist ihr kräftezehrender Alltag. Die Insulaner begegnen dem Internat, seinen Schülern und vor allen Dingen seinen Lehrern, besonders der jüdischen Frau Reiner, mit Misstrauen. Je mehr nationalsozialistisches Gedankengut sich in den Köpfen der Insulaner festsetzt, desto problematischer wird das Leben für die Gemeinschaft…

 

Mich erinnerte von Anfang an das Erziehungsziel des Ehepaar Reiner an die Waldorfpädagogik von Rudolf Steiner, die auch der „Reformpädagogik“ zuzuordnen ist und im Jahr 1920  seinen Anfang nahm. Auch wenn die Bauprojekte auf Juist so viel ärmlicher waren, hatte ich immer irgendwie das Goetheanum, insbesondere seinen beeindruckenden Theaterbau in Dornach vor Augen. Allerdings findet man im Buch keinerlei Information, ob das Ehepaar Reiner von Rudolf Steiner inspiriert war..

 

Sandra Lüpkes Erzählstil ist sehr eindringlich und atmosphärisch dicht und lebendig, wobei die Autorin äußerst geschickt die historisch belegten und sorgfältig recherchierten Tatsachen vermischt mit fiktiven Personen und romanhaften Ausschmückungen. Wer Interesse hat an der Abgrenzung von  Fakten zur Fantasie, der möge das aufschlussreiche Nachwort der Autorin lesen. Wobei mir die (erdachten) Schülerpersönlichkeiten farbiger ausgestaltet vorkommen als die (realen) Lehrerpersönlichkeiten, die für mich etwas blass blieben. Durch die Gratwanderung zwischen detailreich-dichten Schilderungen und einer gewissen Langatmigkeit ließen sich zwar manche Passagen etwas mühsam lesen, aber meistens gelang es mir, völlig abzutauchen in die Welt der Kargheit, der Anfeindungen, des Mutes und in die besondere Schönheit der Farben, des Lichts, der Sprache des Meeres und der Winde auf Juist. Mir hat dieser Roman sehr, sehr gut gefallen.