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Susanne Falk

Fast ein Idyll

 

·        Herausgeber ‏ : ‎ Picus Verlag

·        Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 256 Seiten

·        ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3711721181

#FasteinIdyll

 

 

Miniaturen, die wie Fingerübungen eines Klavierspielers anmuten

 

Eigentlich klang die Verlags-Ankündigung zu diesem Buch recht verlockend. Realen Berühmtheiten fantasierte Geschichten anzudichten, klingt reizvoll, klingt aber auch nach einer recht herausfordernden literarischen Aufgabe, der sich die Autorin gestellt hatte. Leider konnte mich das Ergebnis nicht überzeugen.

 

Der Schreibstil gefällt mir durchaus. Er kommt sehr leichtfüßig daher, manchmal entlarvend satirisch, manchmal mit einem bösen Augenzwinkern, manchmal sogar mit trauriger Ernsthaftigkeit, dann wieder mit eigenwilligem österreichischem Humor. Aber seltsam ist, dass man die Geschichtchen liest und jedes Mal auf einen Aha-Effekt wartet – der dann nicht kommt. Ist es das, was der Verlag als „Sommergeschichten“ bezeichnet? Reine Unterhaltung ohne bleibenden Eindruck? Ohne echten historischen oder psychologischen oder sonstwie tiefergehenden Sinn? Egal welcher Persönlichkeit die Autorin ihre Fantasie zuwendet – man liest und hat nach Abschluss der Geschichte diese sofort wieder vergessen. Nichts bleibt zurück, weder ein inneres Bild noch ein Gefühl noch eine Erkenntnis, nichts.

 

Fazit: Fingerübungen einer Autorin, die so wenig mit Literatur zu tun haben wie Fingerübungen eines Pianisten mit begnadetem Klavierspiel.

 

 

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Jo Nesbo

Eifersucht

 

·        Herausgeber ‏ : ‎ Ullstein Hardcover

·        Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 272 Seiten

·        ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3550201523

·        Originaltitel ‏ : ‎ Sjalusimannen og andre fortellinger

#Eifersucht

 

 

Wirkt wie eine Sammlung von Fundstücken aus der Ideenkiste

 

Eigentlich mag ich Erzählungen. Ich mag es, wenn eine Geschichte nicht weit ausholt, sondern sich bemüht, das Wesentliche auf komprimierte Weise in nachvollziehbare und eindringliche Schilderungen zu fassen, um – im besten Fall – den Leser doch noch in letzter Sekunde in die Verwirrung zu stürzen oder in die Überraschung oder in die Verblüffung.

Mit solchen Erwartungen startete ich die Lektüre, denn dass der Autor schreiben kann, wusste ich durch Lektüre des einen oder anderen Kriminalromans aus seiner Feder.

 

Was ich hinter den blauen Schnittkanten des Buches fand, waren sieben unterschiedlich lange Erzählungen, in denen es mehr oder weniger frei interpretiert um das Thema Eifersucht geht. Schön und gut soweit. Warum nur gefiel mir die Lektüre nicht? Ein Grund mag darin liegen, dass der anspruchsvolle Schreibstil des Autors, seine Lust an philosophisch wirkenden Gedankenschleifen und mitunter fast lyrisch anmutenden Beobachtungen sich nicht wirklich in die komprimierte Form der Erzählung pressen lässt. Nesbo’s Erzählweise fordert viel Raum, muss sich ausdehnen können, um ihre Intensität entfalten zu können. So entwickelt der  Autor ausschweifend kompliziert gestrickte Geschichten, die zu verfolgen den Leser im Verlauf eher ermüdet als fesselt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind die Erzählungen vorhersehbar, sogar die Twists bieten Erwartetes. Die handelnden Personen bleiben dem Leser emotional fern durch ihre nüchtern-sachlichen Darstellungen. Im Grunde genommen wirken die Texte im Buch wie aus der Schublade des Autors geholte Szenen, die er über die Jahre gesammelt hatte, um sie irgendwann in einem seiner Romane unterzubringen, eine Art Ideensammlung zum Thema „zwischenmenschliche Konflikte“.

 

 

Fazit: Sieben Geschichten, die in ihren unterschiedlichen Qualitäten wirken wie mühsam zusammengesuchtes Material, um ein weiteres Buch des geschätzten Autors auf den Markt zu bringen. Eine enttäuschende Lektüre!

 

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Stefan Slupetzky

Nichts als Gutes

 

·         Herausgeber ‏ : ‎ Picus Verlag

·         Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 160 Seiten

·         ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3711721112

#nichtsalsgutes

 

 

Schwarzer Humor, geistreich-schräg

 

Über seinen Kriminalroman „Im Netz des Lemming“ lernte ich den Autor kennen und lieben. Der ganz eigene spöttisch-bissige Humor von Stefan Slupetzky trifft mitten in mein Humorzentrum. Und so erging es mir auch mit „Nichts als Gutes“, einer Sammlung von fiktiven Grabreden. Der Autor beherrscht perfekt die Kurzform des biographischen Erzählens, wobei diese Miniaturen eine teilweise perfide, teilweise komisch-traurige Erweiterung finden, indem der Grabredner manchmal von sich selbst verrät, was wohl besser nicht gesagt hätte werden sollen.

 

Eine besondere Freude ist es, das Vorwort zu lesen. Geschärfte Gedanken, in dezentem Humor verpackt, über das Kommen und Gehen menschlichen Lebens. Dazwischen, wie zwischen zwei Buchdeckeln, klemmt das Leben. Und dem Grabredner obliegt es, über dieses Leben eine Rezension abzugeben. Und, wie auch im echten Leben, gehen die Rezensionen oft am Thema vorbei, offenbaren Nicht-Verstehen, sind zu lang oder zu kurz oder zitieren faul die Klappentexte, die, wie wir alle wissen, oftmals halbherzig oder falsch-verführend formuliert wurden, vielleicht vom Verstorbenen selbst noch zu seinen Lebzeiten. Herrlich ist die Grabrede für ein „Standbein des Katasterarchivs“ zu lesen, einen Mann, an den sich tatsächlich niemand erinnert. Oder die letzte Rede für den „Mann der Nudel“ oder für den „Schützenkönig bei Samenglück“. Oder die Rede eines Autisten, der genau 165.228 Mal das Lachen der Verstorbenen gehört hatte. Allesamt wunderbar schräge Ideen, die uns hier Stefan Slupetzky vorsetzt, nicht ohne auch so manch süffisant verkleidete Kritik unterzubringen, was zum Beispiel Literaturpreisverleihungen betrifft. Denn was sollen wir halten von einem Literaten, dessen letzte Worte „Käse, Wurst, Toilettenpapier“ waren…

 

 

Fazit: Geistreich-schräge Miniaturen, perfekt verpackt in schwarzem Humor.

 

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Khalil Gibran

Kleines Buch der unvergänglichen Liebe

 

·         Herausgeber ‏ : ‎ Lotos

·         Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 208 Seiten

·         ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3778782972

·         Originaltitel ‏ : ‎ Kahlil Gibran's Little Book of Love

#KleinesBuchderunvergänglichenLiebe

 

 

Ein Wegbegleiter für Jahre

 

Dieses kleine Büchlein besticht schon allein durch seine sorgfältige Gesamtgestaltung. Das Cover mit dem Motiv „The Peacock“ und dazu passend auf bordeauxfarbenem Untergrund Titel und Untertitel abgesetzt, dazu ein Lesebändchen – alles wirkt fein und liebevoll. Ein Geschenkbändchen, in das man in stillen Momenten immer wieder hineinschauen kann.

 

Das Buch beleuchtet das unermessliche, unausschöpfbare Thema Liebe aus vielen verschiedenen Richtungen und Aspekten, in erzählender und in Versform. „Die Liebe hat vielerlei Gesichter, mannigfache Möglichkeiten, Verstecken zu spielen.“

Der Lyriker Jochen Winter hat die ausgewählten Worte von Khalil Gibran mehr als 80 Jahre nach dessen Tod neu übersetzt und für unser heutiges Sprachempfinden  eingängiger gemacht. Ich bin literarisch und fremdsprachlich nicht bewandert genug, um die Qualität der Neuübersetzung beurteilen zu können. Mir bleibt nur der Ausdruck meines ganz persönlichen Empfindens. Man wird dem Buch sicher nicht gerecht, wenn man es durchlesen möchte wie einen Roman. Vielmehr glaube ich, dass es Aufmerksamkeit und Stille und Sorgfalt vom Leser fordert, um die Schätze, die sich in den Seiten verbergen, wirklich auffinden zu können. Es handelt sich um keine oberflächlichen Postkartenweisheiten, sondern um kleine wortfunkelnde Edelsteine, deren Wert sich nur dem erschließen mag, der poetische Sprache und ihre Bilder zu übersetzen versteht hinein ins persönliche Leben. Khalil Gibran verbindet in seinen Wortbildern, Parabeln und Geschichten auf unvergleichliche Weise Strömungen des Orients mit westlicher Philosophie, was den Anspruch, aber auch den Reichtum ausmacht.

 

Ich werde noch viele Jahre in diesem Buch lesen…

 

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Monika Maron

Bonnie Propeller

 

·         Herausgeber : HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH

·         Gebundene Ausgabe : 64 Seiten

·         ISBN-13 : 978-3455011616

#BonniePropeller

  

Eine große kleine Erzählung

 

Wenn eine mit vielen Preisen gewürdigte Literatin über ihren Hund, nein, über ihr Leben mit Hund, schreibt, kann nur etwas Besonderes entstehen. Und in der Tat, diese kleine Geschichte ist groß. Groß in der Sprache, groß in der Beobachtung, groß im Inhalt. Anders kann ich die Wirkung dieses kleinen großen Textes nicht zusammenfassen.

 

„Ich saß verloren in meiner Wohnung… Mein Hund war gestorben und hatte mich in die Einsamkeit entlassen.“ Die Autorin ist Jahrgang 1941. Da verweigern Tierheime eine Vermittlung. Doch intensive Internetrecherche und ein dummer Schreibfehler bewirken, dass Propeller aus Ungarn angereist kommt. Und dieser Hund sieht so ganz anders aus als auf den Internetfotos und in den Wunschträumen der Autorin: Er ist zu dick, zu klein, hat zu krumme Beine. Keine Liebe auf den ersten Blick, im Gegenteil.

 

Monika Maron deckt selbstkritisch und ironisch auf, wie oberflächlich wir nach Äußerlichkeiten beurteilen, wie wir uns abhängig machen von der Beurteilung Dritter, wie wir permanent Vergleiche anstellen und wie schwer wir uns tun, Unvollkommenes zu akzeptieren. Das allein schon ist das Lesen dieser Geschichte wert. Über ihre Form der Tierliebe könnte man vielleicht an manchen Stellen der Erzählung diskutieren, da der neue krummbeinige Hund Erwartungen und Projektionen in einem Maß erfüllen soll, das weit über seine Möglichkeiten geht. Aber Bonnie Propeller mit der den Hunden eigenen Fähigkeit der seismographischen Wahrnehmung der Menschen um ihn herum gelingt es über die Zeit hinweg auf zu Herzen gehende Weise, eine unauflösbare Bindung zu dieser im Inneren einsamen Frau aufzubauen. Und nicht nur einmal denke ich mir beim Lesen, dass Hunde die besseren Menschen sind.

 

 

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Tatjana Kruse

Tot aber glücklich

 

 

·         Taschenbuch: 312 Seiten

·         Verlag: KBV

·         ISBN-13: 978-3954415151

#Totaberglücklich

 

Genüssliche Meucheleien mit treffsicherem Wortwitz

 

Aus eigener leidvoller Erfahrung rate ich Ihnen dringend, Tatjana Kruses Bücher keinesfalls in Wartezimmern oder Zugabteilen zu lesen, jedenfalls nicht im Beisein fremder Leute. Außer es ist Ihnen egal, wenn man Sie sorgenvoll anschaut, wenn Sie aus dem Nichts heraus laut prustend auflachen oder vor sich hin giggeln, schmunzelnd den Kopf schütteln oder andere für die Umwelt sehr bedenklich wirkende Reaktionen zeigen. Denn der kriminellen humorigen  Ideenvielfalt einer Tatjana Kruse kann man sich einfach nicht entziehen. 

 

In den „kriminell komischen Storys“ wird gemordet auf Teufel komm raus, und zwar genau von den Menschen, die eigentlich viel zu nett, viel zu unscheinbar, viel zu normal sind, um Böses zu tun. Doch die Autorin entlarvt sie alle. Insbesondere Frauen gilt ihre besondere Aufmerksamkeit. Unfassbar, wie viele schräge Vögel sich in Tatjana Kruses Welt tummeln. Neben dem Ägypten-Fan Trödel-Traugott oder dem Geschäftsführer, der sich der Abfallbeseitigung von zweibeinigen faulen Äpfeln verschrieben hat, oder dem ausschließlich marmeladenbrotessenden Exzentriker aus Bebenhausen findet sich auch der Leiter der Abteilung Wasserstandsvorhersagen gemäß Seeaufgabengesetz § 1 Abs. 9, oder Doris, Mitglied im Freundeskreis der Marienbibliothek und nicht zuletzt Frau Möller, die kein Englisch kann und sich auf Bustour in englischer Sprache befindet, ebenso wie Marlis Möhrle, die mit einer großen Gobelintasche reist und an einer Ziege strickt. 

 

Von Mini-Thriller bis Mini-Satire – Tatjana Kruse wühlt sich genüsslich mit treffsicherem Wortwitz durch alle Genres und haut uns zuletzt noch die unerwartete Pointe um die Ohren. Ich sehe sie direkt vor mir, wie sie da irgendwo sitzt und mit unbandigem Spaß an ihren wunderbaren, unerschöpflichen, abstrusen, schrägen und urkomischen Ideen strickt, während ich als ihre ergebene und geschulte Leserin ins Grübeln komme, ob ich der Nachbarin, die ihre 20 Paar Gummischlappen im Hausflur lüftet, nicht auch… 

 

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Anna von Planta
Liebe

 

    • Taschenbuch: 240 Seiten
    • Verlag: Diogenes
    • ISBN-13: 978-3257245431
#Liebe

 

Eindrücklich und lesenswert

  

Wer in diesem Sammelband mit „Geschichten über das größte Gefühl der Welt“ romantische Mondschein-Schwüre und Geigenmusik erwartet, wird bitter enttäuscht werden.

 

Weit, weit weg von süßem Kitsch und geschöntem Leben geht es in diesem Buch hart zur Sache.  Teilweise unbekanntere Geschichten findet man in ihm, manche sperrig, manche wunderlich, manche berührend, oftmals bitter. Es sind Geschichten von Menschen, die seelisch verletzt oder hoffnungslos sind, dem Leben und seinen schlechten Seiten ergeben sind, vielleicht auch vom Leben geschunden sind. Manche Akteure sind auch einfach nur verzweifelt anders als die anderen. Kurzum, es sind Geschichten, denen es an Glück fehlt und die vielleicht genau dadurch besonders wahrhaftig sind. Wie zum Beispiel diese seltsam unfertige Geschichte einer unfertigen Liebe, einer Liebe „auf der Stelle“. Oder Liebe versteckt in Endlossätzen, verboten, unendlich traurig. Oder Liebe wie zerlaufener Honig mit sich darbietenden Körpern aus Sehnsucht nach Verlorenem.

 

Es sind Geschichten, die lange nachhallen, nicht melodisch-süß, sondern verzweifelt suchend. Sehr, sehr eindrücklich und lesenswert!

 

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Gabriele Hasmann

Spuk in Bayern

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 168 Seiten

·         Verlag: Ueberreuter, C.

·         ISBN-13: 978-3800077250

·         #SpukinBayern

 

 

Lebendig erzählte Geschichte

  

Wie ich der Vita der Autorin entnehmen konnte, legt die österreichische Journalistin und Sachbuchautorin generell in ihrer Arbeit vorrangig den Schwerpunkt auf die Verbindung von Geschichtlichem mit Mysteriösem, nicht nur schreibend, sondern auch, indem sie sogenannte Gruseltouren organisiert. In dem vorliegenden Büchlein macht sie mit uns Lesern eine Gruseltour speziell durch Bayern und entführt uns an 20 verschiedene Orte, in denen Geheimnisvolles,  Rätselhaftes oder Unaufgeklärtes aus der Vergangenheit überliefert ist und bis heute Auswirkungen auf empfindsame Gemüter zeigt.

 

Begonnen wird jede Tour mit einem historischen Exkurs, der die Vorgeschichte des jeweiligen Ortes sehr ausführlich beleuchtet und unaufgeklärte oder grausame Geschehnisse aus der Vergangenheit ans Licht holt, um abschließend von Menschen zu berichten, denen an diesen beschriebenen Orten Seltsames, Unerklärliches widerfahren ist.

 

Hervorstechend ist die Fähigkeit der Autorin, Geschichte so lebendig vor unseren Augen entstehen zu lassen, dass wir fast das Gefühl haben, dabei gewesen zu sein. Wir hören die grölende Menge vor dem Schafott, wir erträumen in einsamen Stunden mit König Ludwig neue prunkvolle Bauten, erschrecken im Gehölz bei Andechs betrunkene Heimkehrer, bleiben einbalsamiert mit Graf Friedrich Casimir 13 Jahre lang im Lehnstuhl auf Schloss Ortenburg sitzen – kurzum, wir reisen unter Führung der Autorin durch frühere Zeiten. Die Stärke des Buches liegt ganz eindeutig in den farbig-plastischen Schilderungen der gut recherchierten historischen Gegebenheiten. Hier lag für mich der eigentliche Gruselfaktor. Dass es sensible Menschen gibt, die an manchen Orten das Dunkle der Vergangenheit erspüren, will ich nicht bestreiten, aber diese Berichte haben mich weder berührt noch wirklich interessiert. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Autorin ihre unbestreitbare Fähigkeit zum lebendigen Erzählen und zur sorgfältigen Recherche irgend wann einmal in einen historischen Roman einfließen lässt. Oder dass das Buch, das ja äußerlich sehr bescheiden gestaltet ist, aufgewertet wird durch künstlerisch  hochwertige Fotografien, die die speziellen Stimmungen der jeweiligen Orte einfangen. Vielleicht wäre auch eine Landkarte, in der die beschriebenen Örtlichkeiten eingezeichnet sind, hilfreich. Da ist also noch Luft nach oben…

 

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Harald Jöllinger

Marillen & Sauerkraut

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 208 Seiten

·         Verlag: Kremayr & Scheriau

·         ISBN-13: 978-3218011563

·         #MarillenundSauerkraut

 

„Weil alle Leute gemeinsam immer depperter werden, merken sie’s nicht.“

 

Mehr ist eigentlich gar nicht mehr zu sagen über das Buch, oder doch? Weil eigentlich habe ich das Buch gar nicht gelesen, obwohl es vor mir liegt, mit Lesebändchen sogar, und aufgeschlagen. Kaum hatte ich mit den ersten Zeilen begonnen, da wirkt er schon, der Marillenschnaps. Und ich finde mich in einem Beisl, und da sitzt der Harald Jöllinger mir gegenüber mit seinem Bier, schaut hinterkünftig und erzählt und erzählt und hat seinen Spaß. Vielleicht heißt er auch in echt Helmut Qualtinger. Auf jeden Fall stammt er in direkter Linie ab von Alfred Polgar und den vielen weiteren österreichischen Schreibern, die ihr Hirn als Waffe benutzt haben. Ganz sicher. Denn so bös-lustig, wie der Harald Jöllinger den Spiegel vorhält, das können nicht viele. Eine Übersetzung tät ich manchmal brauchen, aber da schau, da gibt es ja sogar ein Glossar. Jetzt weiß ich auch, was „blad“ heißt. Und der Jöllinger erzählt weiter. Es freut ihn, dass ich seinen musikalischen Zanussi so sehr mag. In was sich der Jöllinger alles hineindenken kann, Respekt.  Schon allein, was die (ganz und gar nicht) hinige Puffn erzählt, dass sie fast schon romantische Gefühle kriegt, oder dass eine Gelse einen sehr feinen Geschmackssinn hat. Hab ich noch nicht gewusst. Geschichten von vorn (schau mir in die Augen) und von hinten (schau mir auf den Hintern) erzählt mir der Harald Jöllinger, von marillensüß bis sauerkrautsauer, alles da. Wie ein Obdachloser so vor sich hin sinniert über die depperten Leut und den Schnee, also da gfriert mir auch alles. So schlimme Geschichten gibt es, so viel Einsamkeit, so viel Grausiges, in dem sich das Leben mancher Leute verheddert, nicht nur im Gummibaum. „Es rötet mir“ ist eine der schlimmsten Geschichten. Gut hinghört und gut hingschaut hat er, der Harald Jöllinger, und er denkt sich schwer was dabei, nix mit Schneckendenk. Er hat’s halt auch, das Hirn als Waffe.

 

Und am End all der Gschichten, da hab ich gschaut, dass ich fortkomm, nicht dass der Harald Jöllinger mich plötzlich so anschaut wie all die anderen Leut, und dann anfängt zu erzählen von einer depperten Alten, die ihm von Anfang bis Ende zughört hat und ihm begeistert auf den Leim gegangen ist…

 

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Sandra Lüpkes & Jürgen Kehrer

Was sich liebt, das killt sich

 

 

·         Taschenbuch: 230 Seiten

·         Verlag: KBV

·         ISBN-13: 978-3954414321

 

 

Diabolischer Lesespaß

 

Was für ein geistreicher Spaß! Schon lange nicht mehr hat mich ein Buch so erfreut wie dieses hier. Bitterböse, händereibende, schamlos perfide Ideen mit bissigem Witz überbacken – ein Geschichtenauflauf ganz und gar nach meinem Geschmack.

Die musikalisch und medizinisch bewanderte Sandra Lüpkes mit ihrem hinterhältigen Humor hat es mir besonders angetan, wobei der Wilsberg-Schöpfer und Hamam-Kenner Jürgen Kehrer mit seiner perfiden Bösartigkeit in nichts zurücksteht. Wenn ein Buch schon mit solch einem beziehungslastigen Vorwort beginnt, kann es nur noch schlimmer kommen… Was tummelt sich da alles auf diesen Seiten. Ein Panoptikum diabolischer Ideen geistert durch die kriminelle Schöpferwelt der Autoren: Außerirdische (stinkend), Lieferanten (mit tiefgefrorener Vergangenheit), Medizinstudent (mit Titan-Präparierbesteck), Wilsberg himself (Walking linke an angel), Auftragskiller (Gewehr mit Häkelmützchen), ganz viel Schwitzen und Schwatzen. Und isländische Trolle schaffen den Rest.

 

Eine wunderbare, nein, eine geniale Sammlung geistreicher Geschichten, die auf kreativ-hinterhältige Weise endgültige Lösungen für Beziehungsprobleme aller Art anbieten. Und so habe ich viel gelernt: Ob Tiefkühlkost oder Kröten oder Beeren -  nichts ist immer so wie es scheint. Und mit dem Wort Hypokoristika kann man toll angeben. Auch nicht schlecht. Unbedingt lesen!!!

 

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Hörbuch

Fitzgerald Kusz

Witwendramen

 Eine szenische Lesung mit Anna, Nellie und Katharina Thalbach

·         Spieldauer: 1 Stunde und 13 Minuten

·         Verlag: Random House Audio, Deutschland

 

 

 „Was haben Wolken und Männer gemeinsam? - - Wenn sie sich verziehen, wird es ein schöner Tag.“

 

 

Als gebürtige Nürnbergerin ist mir Fitzgerald Kusz ein Begriff. Sein legendäres Theaterstück „Schweig Bub“, das 1976 im Staatstheater Nürnberg Erstaufführung hatte, war sein größter Erfolg und ist mir bis heute ins Gedächtnis gebrannt. Die Kombination Kusz und drei Generationen Thalbach weckten in mir lachmuskeltechnisch die höchsten Erwartungen an das Hörbuch.

 

Fitzgerald Kusz legt ein Konglomerat aus allen möglichen Textgattungen zum Thema Witwe vor, urkomisch, fromm, derb, ordinär, abgedroschen, ernsthaft, traurig in einer wild gemixten Mischung. Viel Klischees werden aufgefahren, so mancher platte Witz wird gerissen, aber zwischendrin, ganz unscheinbar, scheint auch eine verhaltene Tragik durch das mehrfach geleerte Schnapsglas.

 

So genial auch die Vortragenden, allen voran deutlich herausragend Katharina Thalbach, in dieser szenischen Lesung der Vielfalt der Texte gerecht werden und sich in ihrem Zusammenspiel in großem Tempo die Textbälle zuwerfen - mir fehlte ganz eindeutig die Dimension des Sehens. Dazu sind die drei „Witwen“ viel zu sehr Schauspielerinnen, als dass sie sich nicht in Haltung, Gestik und Mimik zusätzlich ausdrücken würden, insbesondere da es sich ja um einen Live-Mitschnitt handelt und die Reaktionen des Publikums eine Interaktion zwischen ihnen und den Lesenden geradezu herausfordern. Dennoch hatte ich auch beim „Nur-Hören“ durchaus Vergnügen.

 

 

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 Ferdinand von Schirach

 Strafe

 

 

 ·         Gebundene Ausgabe: 192 Seiten

 ·         Verlag: Luchterhand Literaturverlag

 ·         ISBN-13: 978-3630875385

 

 

 

 

 

 

Meisterhafte Erzählkunst

 

 

Ein kleines Buch. Schönes Papier. Große Schrift. Ein Zitat von Kierkegaard vorangestellt: „Wenn alles still ist, geschieht am meisten.“

  

Zwölf Erzählungen. Zwölf? Eine Zahl von Symbolwert. Zwölf Erzählungen, die ein Ganzes umschließen. Zufall? Wohl kaum. Der große Ferdinand von Schirach erzählt in einer packenden Mischung von distanziertem Beobachten und empathischer Ruhe. Er benötigt nur wenige Worte, um gewaltige Inhalte in Szene zu setzen, so gewaltig, dass uns Lesern der Atem stockt. Irregeleitete Menschen, vom Leben an den Rand gespülte Menschen, aus der Zeit gefallene, gestrandete Menschen. Menschen, die tatenlos auf ihr Leben wie auf ein leeres Blatt Papier starren. Menschen, die im Rad der zunehmenden Verzweiflung gefangen sind. Aus normalen Tagesabläufen kriecht plötzlich das Entsetzliche hervor, nur ganz kurz, aber dieser Moment genügt, damit das Opfer sich aufbäumt und zum Täter wird. So viele verlorene, entsetzlich traurige, unendlich einsame Menschen, deren Leben im Sog der Einsamkeit in die Irre geht.

  

Schicksal oder Schuld, Vorsatz oder Zufall, Wille oder Fügung? Die vorliegenden zwölf kleinen Erzählungen umschließen große Lebensthemen. Sie sind in größter Präzision geschliffene kleine Erzähl-Diamanten, in Schmuckfassung gebracht von einem der ganz großen Wortkünstler.

 

 

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Renate Bergmann

Das kann man doch noch essen

 

Hörbuch, gekürzte Ausgabe

         Spieldauer: 2 Stunden und 12 Minuten

         Verlag: Der Audio Verlag

 

Kittelschürzen-Humor

 

Dank der großartigen Carmen-Maja Antoni, die liest, als säße sie selbst in der Kittelschürze am Küchentisch, habe ich das Hörbuch mit Vergnügen gehört.

 

Die Verlagsinformation sagt alles: „Die Hausfrau heutzutage ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Da werden nur noch Tiefkühlpizzen aufgewärmt und wie man Fenster richtig putzt, das weiß keine. … "Ein Stich Butter muss immer ran ans Gemüse, sonst kann der Körper die Fittamine gar nicht verarbeiten." Renate Bergmann weiß zu vielem etwas zu sagen und vor allem: alles besser. Ihre Weisheiten, Ideen, Ratschläge und Rezepte sind auf diesem amüsanten Hörbuch versammelt.“

 

Ich kam mir vor, als säße ich bei Oma in der Wohnküche und bekäme erzählt, was jemanden bewegt, der „getrennt von seinen Zähnen schläft“, aber dennoch hausfraulich und mitmenschlich gesehen echten Biss hat. Mit tiefster Entrüstung vorgetragen erfahre ich von schlampigen Nachbarn, die nicht einmal mehr die Teppichfransen kämmen. Und ich bekomme leckere Kuchenrezepte verraten, die ich sofort mitschreiben möchte. Es könnte gut sein, dass ich demnächst mal die Gardinen mit Backpulver einweiche, wer weiß…

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Hörbuch

Deutschland-Reise

  

·         Audio CD: 8 CD's

·         Verlag: Audiobuch Verlag

·         ISBN-13: 978-3958620438

 

 

Mit den Ohren reisen

 

 

Für diese Deutschland-Reise sollte man sich viel Zeit nehmen. 586 Minuten reine Hörzeit sind es insgesamt, aber ein reines Abhören der CDs der Reihe nach, ein reines Konsumieren  war mir nicht möglich.  Ich hörte sie, wie bei echten Wanderungen, in Etappen, manchmal mit Begeisterung ausschreitend, mal müden Schritts, immer aber neugierig. 

Diese besondere Sammlung an literarischen Reiseberichten wandert durch 400 Jahre Schriftstellertum ebenso wie durch zahllose Gegenden Deutschlands – wunderbar dargeboten durch perfekt ausgewählte Sprecher. Und in sehr ansprechender Verpackung samt informativem Booklet angeboten. 

Es gab viel zu schmunzeln, als ich mit Mark Twain eine nur wenig anstrengende Neckarwanderung unternahm. Mit Bierbaum genoss ich das Unterwegs-Sein im Automobil und lernte seine Begeisterung für technische Details zu teilen. Mit Michel de Montaigne konnte ich hervorragend speisen! Mit Heinrich Heine konnte ich mit seinen strammen Fußmärschen und seinem beißenden Spott kaum mithalten. Mit Goethe war ich nicht so gerne unterwegs, er war mir recht langweilig als Reisebegleitung ebenso wie der briefschreibenden Georg Forster, und mit der dozierenden Germaine de Stael zu reisen, empfand ich als regelrecht ärgerlich. In der Gesamtheit jedoch ergab sich für mich ein vielfältiger Blick auf Deutschland, auf die Deutschen, auf ihre Besonderheiten (bis hin zur Kehrwoche) und auf die Schönheit deutscher Landschaften, die die Jahrhunderte überdauern – in dichterischer Sprache und von großartigen Sprechern wiedergegeben.

 

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Rafik Schami

 

Ich wollte nur Geschichten erzählen

 

 ·         Gebundene Ausgabe: 176 Seiten

 ·         Verlag: Hirnkost

 

·         ISBN-13: 978-3945398654

 

  

Ein Kleinod

 

Dieses Büchlein ist ein Kleinod. Es enthält nicht das, womit man Rafik Schami normalerweise verbindet, nämlich überbordende Erzählfreude, sondern es ist ein sehr persönliches Buch, mit leisen Tönen, mit viel Traurigkeit, mitunter auch mit Bitterkeit, dann wieder entlarvend-fröhlich, immer aber bewegend. 

Rafik Schami erzählt in kurzen Sequenzen, in komprimierter, oft pointierter Form von seiner Heimat Syrien, von Kultur, Politik und von deren Zusammenhängen. Er ist erschreckt über die Unwissenheit der Deutschen über Syrien und  Assad und sieht es als seine Aufgabe, durch seine Geschichten „Fenster zu anderen Kulturen“ zu öffnen. Er berichtet über sein Leben im Exil, über sein detailliertes  Studium der deutschen Sprache und  Phonetik und wie Zivilisation das Lachen verlernen lässt. Ein ganz wunderbarer Abschnitt im Buch sind die Beiträge zum Thema Schreiben und Lesen, insbesondere  die 25 Ratschläge für junge Autoren.  Man möchte diese Ratschläge auch so manchem älteren Autor gerne in die Hand drücken! Am besten ist Rafik Schami, wenn er in Humor verpackt die Dummheit der Menschen entlarvt. Dass ihm, gerade was den deutschen Literaturbetrieb betrifft, dieser Humor zeitweilig abhanden kommt und leises Entsetzen einen Teil seiner Beiträge diktiert, ist mehr als verständlich.

Ja, das Büchlein ist ein Kleinod. Zum öfter Lesen. Zum Nachdenken. Zum Lernen. Und zum Wertschätzen all der unzähligen Mosaiksteine, aus denen sich das Gemälde des Lebens zusammensetzt. 

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Christina Herr

Erzähl ich von früher…

 

·         Gebundene Ausgabe: 206 Seiten

·         Verlag: Neukirchener Verlag

·         ISBN-13: 978-3761564875

 

 

  

Leider hinter den Erwartungen zurückgeblieben

 

Das Anliegen der Autorin ist, wie sie selbst im Vorwort schreibt, die eigenen Erinnerungen „aufzuwecken“. Das Buch soll ermutigen, von diesen Erinnerungen zu erzählen, wem auch immer, und damit ein Stück Zeitgeschichte lebendig werden zu lassen.

 

Die einzelnen Kapitel sind zeitlich und thematisch eingeteilt, wie z. B. Kindheit und Jugend, Leben in der Familie, Kriegsjahre usw. Innerhalb dieser Kapitel finden sich einige sehr schön und passend ausgewählte Geschichten, erzählt von Astrid Lindgren zum Beispiel oder Erich Kästner. Der Rest des Buches ist angefüllt mit privaten Erinnerungsfetzen und persönlichen kurzen Geschichtchen.

 

Was gut ist an diesem Buch und was ganz im Sinne der Autorin funktioniert: Es werden beim Lesen eigene Erinnerungen wach, einzelne Bilder tauchen auf und man beginnt tatsächlich davon zu erzählen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man mit diesem Buch überall dort, wo ältere Menschen zusammenkommen, interessante und lebendige Gesprächsrunden anstoßen kann, das Buch also quasi einzusetzen als Arbeitsmaterial für Menschen, die sich mit Senioren beschäftigen.

 Lesend hat mich das Buch allerdings sehr enttäuscht. Es kommen nur wenige Erinnernde zu Wort, die Beiträge sind sprachlich dürftig, wirken meist farblos nüchtern bis hölzern. Die Geschichten bleiben aufgrund der knappen und trockenen Schilderungen für den Leser nicht wirklich greifbar. Man atmet geradezu auf, wenn man auf einen Beitrag stößt, der gekonnt geschrieben ist – um dann festzustellen, dass hier Astrid Lindgren erzählt… Es hätte dem Buch gut getan, wenn die Autorin mehr Mühe darauf verwendet hätte, zum einen viel mehr und unterschiedliche Menschen zu befragen, mehr Erinnerungen zu sammeln, denn erst die Vielfalt bringt das Leben in seiner gesamten Bandbreite näher, und diese Erinnerungen dann vor allem sprachlich so zu überarbeiten, dass sie den Leser emotional erreichen. 

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Elfriede Hammerl

Alte Geschichten

Gebundene Ausgabe: 192 Seiten

Verlag: Kremayr & Scheriau

ISBN-13: 978-3218011068

 

 

Grandios

 

 

 

Das Buch klappe ich nach der letzten gelesenen Geschichte zu. Ratlos. Deprimiert. Wütend. Weil das Buch großartig geschrieben ist. Und so entsetzlich.

 

Die Erzählungen berichten von Frauen und Männern, die „gegen“ sind. Gegen die anderen, gegen den anderen, gegen die Vergangenheit, gegen sich selbst. Und entweder sie haben resigniert oder sie hassen oder sie sind erkaltet bis ins Herz. Apropos Herz: Das kommt nicht vor. Niemand ist herzlich. Herzerwärmende Gesten gibt es nicht. Es sind beschädigte, herzbeschädigte Menschen, von denen berichtet wird, herzlos berichtet wird.

 

Dass die Autorin gewohnt ist, Kolumnen zu schreiben, d. h. Themen pointiert zu Papier zu bringen, spürt man in dieser vorliegenden Sammlung von Erzählungen. Da ist kein Satz zuviel, ja da ist kein Wort zuviel. Und das Grauen blinzelt auf jeder Seite zwischen den Sätzen hindurch, das Grauen, das sich Menschen selbst oder dem Partner verordnen, sozusagen als Medikament gegen Einsicht, gegen Reflexion, gegen Hoffnung, gegen alles am besten. Die Autorin schaut mit dem Mikroskop hin und zählt die tiefen Seelenfalten, die unverheilten Seelenwunden. Und sie lässt kein gutes Haar an den Menschen, von denen sie berichtet. Es gibt in diesem Buch an keiner Stelle einen Schimmer von echter Erlösung oder zumindest tragfähiger Hoffnung. Das messerscharfe Seziermesser der Autorin setzt nahezu in jeder Geschichte einen endgültigen Schnitt. Es gibt kein Davonkommen. Grandios.

 

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Eva-Maria Silber

Kirsten Wilczek

Vor.Sicht Ab.Gründe

Taschenbuch: 168 Seiten

Verlag: chiliverlag

ISBN-13: 978-3943292626

 

 

 

Böse Phantasien

 

 

 

Ein kleines Büchlein, das es in sich hat. Viele Tote und Tode hat es in sich. Gewollt oder ungewollt herbeigeführte Tode. Überraschende Tode. Und Tote, die sich für ihren Tod rächen. Viel Tod eben.

 

 

 

Die 18 Stories sind ideal, um sie „zwischendurch“ zu lesen. Eher nicht sitzend auf einer Friedhofsbank. Auch nicht im Wartezimmer eines Arztes. Besser Sie sitzen zu einer Tasse Kaffee am sicheren Küchentisch. Vielleicht sogar abends im Bett, wenn Sie mutig sind und schlechte Träume nicht fürchten. Denn die Stories sind ganz schön stark, meistens spannend und auf jeden Fall gemein, hundsgemein.

  

Die Schreibweise der beiden Autorinnen unterscheidet sich erheblich. Mir persönlich gefallen die Geschichten von Eva-Maria Silber besser. Sie brauchen keine maniriert wirkenden Sätze, keine Fachbegriffe, keine schlecht verständlichen mundartlichen Dialoge, keine komplizierten Handlungskonstrukte. Eva-Maria Silber beschreibt schlicht, nüchtern, sachlich, fein – und dadurch richtig, richtig böse.

 

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Yves Rechsteiner

Und dann fängt die Vergangenheit an

Taschenbuch: 160 Seiten

Verlag: Waldgut Verlag

Sprache: Deutsch

ISBN-13: 978-3037401118

 

 

Großartige Kabinettstückchen des Lebens

 

Dieses Buch, erschienen 2016, war für mich eine große Überraschung.

 

Der Name des Schweizer Autors war mir unbekannt, der Verlag ebenso. Insofern hatte ich meine Erwartungen nicht besonders hoch geschraubt. Aber bereits nach wenigen Seiten war mir klar: Diese Erzählungen sind gut, nein, sie sind großartig.

 

Das Buch in seiner griffigen Haptik und einem Cover, das für mich den vielfarbigen Zeitenfluss symbolisiert, machte es mir bereits mit seinem Äußeren leicht, es zu mögen.

 

Eine Sammlung relativ kurzer Erzählungen enthält das Buch, häppchenweise zu lesen, für eine Kaffeepause vielleicht. So dachte ich. Aber dann, als ich zu lesen begann, wurde der Kaffee kalt und die Pausenzeit weit überschritten.

 

Denn jede Geschichte für sich ist eine ganze Welt, ein ganzes Leben. Es wird so leicht erzählt, was so unendlich schwer ist. Verlassen und Verlassen-Werden. Anziehung und Abstoßung, Verlust und Gewinn. Oder Schweigen, so viel Schweigen, im Netz des Unsagbaren verfangen. Extremes bierseliges Dahindämmern, harte Verzweiflung, Versagen des Menschlichen. Und gleich darauf der fein-sensible Blick mitten in das Innere des Menschen. Und all die vielen Abschiede, auch diese leichtfüßig erzählt und schwer im Raum hängenbleibend. So viel Einsamkeit. So viel Traurigkeit. Von einem erzählt, der gaukelnd durch die Welt reist.

 

„Ich zerbeiße mich in der Zeit“ steht da, aber auch „Immer ein- und ausatmen. Der Rest wird schon werden.“ Das sagt alles, über den Autor und über das Buch.

 

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Marja Jalo

Lebenserfahrungen einer Frau und Ärztin

Gebundene Ausgabe: 50 Seiten

Verlag: Schweizer Literaturgesellschaft

Sprache: Deutsch

ISBN-13: 978-3038830078

 

 

 

Warum ist dieses Buch entstanden?

 

Wenn jemand sich entscheidet, seine persönlichen, privaten Notizen zwischen zwei Buchdeckel zu pressen und sie in die Welt zu entlassen, dann muss es dafür einen Grund geben. Vielleicht einen der Eitelkeit oder einen der Selbstüberschätzung oder einen des Helfenwollens. Wie auch immer: In dem Moment, in dem das eigene Werk die private Schublade verlässt, muss es sich an vielerlei Kriterien messen lassen. Handelt es sich um Literatur? Zu welcher Literaturgattung ist das Werk zu zählen? Ist die Sprache gleichermaßen individuell als auch dem Thema und der Gattung angemessen? Stimmen die primitivsten Grundlagen von Grammatik und Rechtschreibung? Und welche Zielgruppe soll erreicht werden?

 

Ausgehend vom Buchtitel erwartet man ein vielseitiges Werk, eine autobiographische Erzählung dessen, was gewesen war, wie man geworden ist und welche Erkenntnisse man aus dem bisher gelebten Leben gezogen hat. Vielleicht wäre ein „kleinerer“ Titel, wie z. B. „Gedanken einer …“ diesem kleinen Buch eher gerecht geworden, hätte passendere Erwartungshaltungen hervorgerufen.

 

Die wenigen Seiten enthalten Quintessenzen, Gedanken, Erfahrungen, Erlebnisse, in bunter Folge und in leider sehr uneinheitlichem, mitunter nicht nachvollziehbarem Sprachstil. Teils sind es bewegende Einblicke, teils nüchtern-sachliche, den Leser distanzierende Sätze, teils durchaus literarisch zu nennende kurze Momentaufnahmen. Alles wirr gemischt. Die Frage muss erlaubt sein: Sind derart willkürlich zusammengestellte Sequenzen tatsächlich „Lebenserfahrungen“ zu nennen? Weil ich der Autorin gerecht werden wollte, insbesondere ihrer Intention, anderen Menschen etwas zu „geben“, las ich die Texte mehrfach, in zeitlichem Abstand. Und immer wieder erlebte ich das Gleiche: Den unbedingten Wunsch, die Autorin hätte doch aus den intuitiv hingeschriebenen Zeilen etwas geschaffen, d. h. sich für eine Stilform entschieden und entsprechende sprachliche Arbeit hineingesteckt. Tagebuchnotizen vielleicht (hier hätte die Ich-Bezogenheit seinen richtigen Platz). Oder Lyrik (hier wäre die Reduktion auf das Bildhafte, Symbolische angebracht). Oder Geschichten erzählen (Geschehnisse in logischer Folge verständlich darstellen). Zumindest ein Lektorat wäre dem Büchlein zu wünschen gewesen, wenn es denn unbedingt ein Buch hat werden müssen. So hätten wenigstens die Rechtschreibfehler, die falschen Satzbezüge und grammatikalischen Unrichtigkeiten ausgemerzt werden können zum einen, ein guter Lektor hätte aber auch die richtige literarische Form anregen können. So wie das Büchlein vorliegt, handelt es sich letztlich nur um ein paar private Notizen, die sicherlich der Schreibenden geholfen haben, die aber besser in der privaten Schublade hätten verbleiben sollen.

 

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Michaela Abresch

Kalt ruht die Nacht

Taschenbuch: 264 Seiten

Verlag: Acabus Verlag

ISBN-13: 978-3862825387

 

 

 

 

 

Unterhaltsam, mehr nicht

 

 

 

Eine „Kriminalgeschichte“ ist per definitionem eine Geschichte, bei der ein Verbrechen und seine Aufklärung im Mittelpunkt stehen. „Historisch“ bedeutet wiederum per definitionem,  einer bestimmten Geschichtsepoche angehörend (und darüber informierend). Die im Buch gesammelten Geschichten erfüllen die mit dem Untertitel „Historische Kriminalgeschichten aus dem Westerwald“ geweckten Erwartungen nur sehr eingeschränkt.

 

Auch wenn die Autorin sich bemüht, anhand des Anhangs nachzuweisen, wie fleißig sie z. B. in Dorfchroniken recherchiert hat, so fehlen doch in vielen Geschichten konkrete westerwaldtypische Gegebenheiten und Verhaltensweisen der damals dort lebenden Menschen. Viele der in den Geschichten geschilderten Örtlichkeiten, der Landschaften, der Bäche, Wälder und Ruinen könnten auch in grauer Vorzeit irgendwo anders gelegen haben. Es genügt meines Erachtens für eine historische „Westerwälder“ Geschichte nicht,  z. B. einen Töpfer als unbedeutende Randfigur auftreten zu lassen, dessen Namen als historisch belegt im Anhang zu rechtfertigen, ohne dass wir auch nur irgendetwas in der Geschichte selbst von dem Töpferhandwerk zu der Zeit und speziell in dieser Gegend erfahren.

 

Genauso verhält es sich mit dem Begriff „Kriminalgeschichten“. Es gibt zwar Tote, das ja, aber nicht immer handelt es sich um einen Mord, geschweige denn, dass Geschehnisse und Täter konsequent verfolgt und zur Aufklärung gebracht werden. Oftmals handelt es sich um geradezu schicksalhafte Verstrickungen oder um tragische Gegebenheiten, um das im Menschen immanente Böse. Aber immer weiß der Leser Bescheid, muss nicht selbst „ermitteln“, schaut einfach nur zu,  lässt sich mehr oder weniger gut unterhalten und ist nach der Lektüre nicht klüger als zuvor.

 

Nimmt man den hohen Anspruch, den die Autorin durch ihren Untertitel an sich selbst gestellt hat und damit scheitert, einmal zur Seite, dann muss man ihr zugute rechnen, dass sie recht plastisch und bildhaft erzählen kann. Insofern sind ihre Geschichten unterhaltsam und kurzweilig zu lesen. Allerdings bräuchte es noch so manche sprachliche Überarbeitung. Nur wenige Beispiele seien hier angeführt: „scheinbar“ und „anscheinend“ sollten nicht verwechselt werden, „liege“ und „läge“ ebenso. „Das Knacken der Walderde“ meint doch wohl eher das Knacken von Unterholz, Erde habe ich noch nie knacken hören. Unfreiwillige Komik müsste ausgemerzt werden „…. schlugen seine Beine eine Richtung ein…“. Die Aufzählung ließe sich leider noch beliebig fortsetzen.

 

Es ist der Autorin zu wünschen, dass sie mit einem gehörigen Maß Selbstkritik ihr zweifellos vorhandenes Schreibtalent weiter ausbaut. Wer gerne einigermaßen spannende Geschichten aus alter Zeit lesen mag, ist mit diesem Buch aber durchaus gut bedient.

 

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Janina Huber

Abgründe

Taschenbuch: 324 Seiten

Verlag: Books on Demand

ISBN-13: 978-3848252930

 

 

 

Grenzüberschreitungen

 

Es handelt sich im vorliegenden Buch um eine Sammlung von 20 sehr unterschiedlichen Kurzgeschichten. Die Autorin hat ihrem Buch den Titel „Abgründe“ gegeben, mit dem Untertitel „20 abgrundtiefe Kurzgeschichten“. Aus dem Titel entnehme ich, dass die Autorin damit die Tiefe der Geschichten vermitteln will, sie denkt also sozusagen vertikal. Warum auch immer – ich habe, sobald ich zu lesen begonnen hatte, eher horizontal gedacht. Mir drängte sich das Wort „Grenzüberschreitungen“ auf. Vielleicht in diesem Sinne Nähe statt Tiefe, dachte ich, insofern uns unmittelbar betreffend, keine Distanz möglich. Die Sammlung an kleinen, feinen Kurzgeschichten spielt mit Situationen des Lebens, die eine Entscheidung fordern oder gefordert haben und die oftmals rechtzeitig zu treffen versäumt wurde. Oder es werden Geschehnisse geschildert, in die man geradezu schicksalhaft hineingeworfen wird ohne eigenes Zutun und ohne Chance des Entkommens. Oder die Erzählungen muten uns die Grenzerfahrungen des hemmungslos Bösen zu.

Die Grenze zwischen dem realen Leben in all seinen Schattierungen und dem Absturz, dem Abgrund, dem Bösen, dem Grauen ist in diesen Geschichten nur hauchdünn. Eine Winzigkeit genügt, um die Grenze durchlässig zu machen oder gar ganz aufzuheben. Schöne äußere Bilder kippen unvermittelt um in finstere Gewalt oder unbedingte Ausweglosigkeit. Die Autorin lullt uns ein mit wunderschönen Naturbildern, mit behütetem Alltagsleben, mit kerzenerleuchteten Ballsälen. Und während wir noch wohlig lesend die Seite umblättern, öffnet sie unvermittelt den Blick auf Bilder des blanken Horrors und spielt so auf perfekte Weise mit unseren geheimsten Ängsten, dass wir erschauern.

 

Für diese kleinen, feinen, gekonnt geschriebenen Kabinettstückchen, die uns die Brüchigkeit unserer heilen Welt erahnen lassen, möchte ich meine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen.