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Nicole Winter

Die Dünenvilla

 

·         Taschenbuch: 448 Seiten

·         Verlag: Knaur TB

·         ISBN-13: 978-3426524060

#DieDünenvilla

 

Erstlingsroman mit großer schriftstellerischer Kraft

 

Wer versteckt sich hinter dem Pseudonym? Wer schreibt solch malerische, mit allen Sinnen erlebbare Schilderungen? Wer verfügt über solch intensive Ausdruckskraft beim Beschreiben von Natur und innerseelischen Befindlichkeiten gleichermaßen? Neugierig war ich zu erfahren, wer hinter dem Pseudonym Nicole Winter steckt. Leider blieb es bei der einzigen Information, dass es sich um eine nach Kanada ausgewanderte Hamburgerin handelt, die als Literaturübersetzerin an den Quellseen des Yukon River in der Wildnis lebt. So ist zumindest die Thematik dieses Buch-Debuts, etwas verständlicher, nämlich dass sie eine opulente Auswanderer-Saga einer deutschen Arzt-Familie an die Ostküste der USA geschrieben hat.

1884. Nach einer Schiffshavarie, die die Familie des deutschen Arztes Friedrich Böhm nur knapp überlebt, bleiben die Familienmitglieder in Martha’s Vineyard, dem „Sylt der US-Ostküste“. Dort will Friedrich Böhme ein Sanatorium für Lungenkranke oder an Hysterie erkrankte Damen etablieren. Sohn Thomas  bleibt nur ungern. Er ist nur widerwillig Arzt, denn er möchte viel lieber in Harvard Psychologie studieren, ist jedoch abhängig vom Vater, der ihm diesen „Unsinn“ ausreden will. Tochter Sophia, still, in sich gekehrt, intelligent und wissbegierig, fühlt sich aufgrund ihres gelähmten Beines perspektivlos und keines Mannes würdig. Deren Zwillingsschwester Julia ist ungestüm, eine wilde Reiterin, die sich nur wenig an die Konventionen der Gesellschaft hält. In der Nachbarschaft hat sich ein Naturforscher niedergelassen, der sich der Nachzucht der fast ausgestorbenen Wandertauben verschrieben hat. Er ist fasziniert von Sophia, doch wagt es nicht, ihr seine Gefühle zu offenbaren.

 

Viele Fragen tragen die erzählte Geschichte. Was bewirkt Fortschritt im Guten und im Bösen? Was treibt uns Menschen an und was behindert uns in unserer Weiterentwicklung? Was hilft es, den Körper zu stärken, wenn die Seele schwächelt? Und viele weitere Themen kommen im Buch zusammen. Tiere gehen der Welt verloren, weil der Mensch zukunftsgläubig die Natur ausbeutet. Das Amerika Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Aufbruchsstimmung mit zunehmender Entwicklung technischer Erfindungen und Neuerungen, traditionell lebende Einwohner des Wilden Westens und die Zuwanderung vieler Siedler, die Fuß zu fassen versuchen – all dies verknüpft sich zu einem spannenden Konglomerat, konfliktreich und schöpferisch gleichermaßen. Zwar bekommt dieser besondere Zeitgeist im Buch durchaus seinen Platz, aber für mein Empfinden wird der historische Aspekt zu sehr überlagert von den Schilderungen der einzelnen Familienmitglieder und ihren jeweiligen Unsicherheiten, gelegentlichem Aufbegehren, vergeblichen Wünschen und passivem Hinnehmen der Gegebenheiten. Obwohl der Roman durchweg gut zu lesen ist, ergeben sich einige Längen gerade durch die ewig zaudernde Sophia. Vielleicht gibt es auch manchmal ein wenig zu viel Überschwang der Gefühle, zu viel Dramatik, zu viel an Unausgesprochenem. Dennoch halte ich diesen Erstlingsroman für einen sehr gekonnten Beweis der großen schriftstellerischen Kraft von Nicole Winter.