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Julia Hanel

Dein Bild für immer

 

 

·         Taschenbuch: 416 Seiten

·         Verlag: Ullstein Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3548291185

 

Gefühlstiefe ohne Kitsch

 

 

Für die Lektüre dieses Buches habe ich außerordentlich viel Zeit benötigt. Was nicht daran lag, dass das Buch schlecht ist. Im Gegenteil, es lag daran, dass mich die erzählte Geschichte vollkommen verführte. Sie verführte mich dazu, zeitintensiv in meinen eigenen Bali-Erinnerungen zu schwelgen. Und sie verführte mich dazu, mehrere Filme, die im Buch von Filmfreak Niklas angesprochen werden, auch noch einmal mit „Niklas“-Augen anzuschauen.

 

Worum geht es? Sophie‘s Verlobter Maximilian stirbt durch einen Unfall, und Sophie verliert sich nun in unendlicher Trauer, aus der sie nicht herausfindet. Eine von Maximilian gebuchte Bali-Reise tritt sie nach einigem Zögern allein an und begegnet dabei Niklas, einem jungen, begabten Fotografen, dessen Leben nach einem Trauma ebenfalls aus den Fugen geraten ist. Schließlich verlässt Sophie ihr Luxushotel und reist mit Niklas auf einer Fototour über die Insel. Zwei vom Schicksal verletzte Menschen, die sich mit einer Schutzmauer umgeben haben…

 

Man könnte sicher sagen, dass die Geschichte vorhersehbar ist. Stimmt. Man könnte auch sagen, dass die ziemlich schlichte Geschichte lebt durch die perfekt gelungenen, lebendigen, bildhaften Schilderungen der unglaublich schönen Naturkulisse auf Bali. Auch das stimmt. Was aber den Schreibstil der Autorin auszeichnet und sie damit die Grenzwanderung zum Kitsch ohne Absturz erfolgreich bestehen lässt, ist der Humor, sind die witzigen Dialoge, die genau an den richtigen Stellen dem Buch eine gewisse Würze geben. Kurzum: Eine leicht lesbare Geschichte mit Gefühlstiefe und Humor.

 

Schön wäre es allerdings, wenn die Autorin nicht regelmäßig scheinbar und anscheinend verwechseln würde. 

 

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 Nicolas Barreau

 Die Liebesbriefe von Montmartre

 

 

 ·         Gebundene Ausgabe: 320 Seiten

 ·         Verlag: Thiele & Brandstätter Verlag

 ·         ISBN-13: 978-3851794106

  

 

Herzzerreißend und hoffnungsfroh gleichermaßen

  

Dieses Buch bricht dem Leser das Herz – und setzt es ganz neu wieder zusammen.

 

Julien Azoulay ist Autor von humorvollen Liebeskomödien. Doch als seine Frau Hélène im Alter von nur dreiunddreißig Jahren an Krebs stirbt, kann Julien nicht mehr schreiben. Sein Verleger zeigt lange Zeit Verständnis und wartet geduldig auf das neue Manuskript, aber Julien ist ein gebrochener Mann, der nichts als Schmerz empfindet. Dennoch hatte er seiner Frau ein Versprechen gegeben. Er soll ihr nach ihrem Tod 33 Briefe schreiben, für jedes gelebte Lebensjahr einen. Nach einer Zeit der Erstarrung in Trauer beginnt Julien mit diesen Briefen. Er berichtet Hélène von seiner abgrundtiefen Verzweiflung, von seinem alltäglichen unglücklichen Leben, vom gemeinsamen Söhnchen Arthur, von der gemeinsamen Freundin Cathérine, von all dem, was ohne sie, ohne Hélène, sinnlos erscheint. Die Briefe legt er in ein geheimes Fach in Hélènes Grabstein auf den Friedhof am Montmartre. Eines Tages sind die Briefe verschwunden. Stattdessen findet Julien seltsame symbolhafte Antworten, ein Herz aus Stein zum Beispiel oder Kinokarten, ein Blumensträußchen… Julien klammert sich an den Glauben, dass ihm Hélène auf wundersame Weise aus dem Jenseits antwortet.

 

Es rankt sich ein Geheimnis um den Autor Nicolas Barreau. Es gibt keine Vita, kein Foto, nur Mutmaßungen, wer sich hinter diesem erfolgreichen Autorennamen verstecken könnte. Mir gefällt der Gedanke sehr, dass es sich um eine dem Verlag nahestehende Person handeln könnte, denn ich bin absolut sicher, dass nur eine Frau in dieser subtilen, feinsinnigen, ergreifenden, humorvollen, einfühlsamen Weise schreiben kann.

 

Die einzelnen Briefe, die Julien an seine verstorbene Frau schreibt, sind wie einzelne Schritte der Seele, zu Beginn im Dunkeln, in abgrundtiefer Traurigkeit, in der Vergangenheit verhaftet. Dann aber Schritt für Schritt beginnt sich der Weg zurück ins Leben abzuzeichnen. Diese Entwicklung ohne Kitsch, ohne Larmoyanz, aber bewegend-tröstlich zu gestalten, ist große Schreibekunst. Die vielen klugen Verweise in die Literatur und Musik verlocken zum Nachforschen, Nachlesen, Nachhören und dadurch Mitempfinden dessen, was uns Barreau an Gefühlen vermitteln will. Das Buch hat eine geradezu magische Wirkung in seiner Intensität, in dem es uns das Leben zeigt in seiner ganzen Fülle, traurig und komisch, ungerecht und erschreckend, und doch voller Wunder und unsagbar schön, um den Leser ein Stück weit mutiger, hoffnungsfroher und gestärkter zurückzulassen. Ich kann es nicht besser sagen: Dieses Buch bricht dem Leser das Herz und setzt es ganz neu zusammen.

 

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Lucie Castel

Weihnachten wird wunderbar

 

 

·         Broschiert: 272 Seiten

·         Verlag: Thiele & Brandstätter Verlag

·         ISBN-13: 978-3851794083

 

 

Wohlig, witzig, weihnachtlich

 

Hinter dem weihnachtlich geschmückten Cover, Schneeflocken inklusive, steckt zwar in der Tat ein Buch, das seine Handlung rund um die Festtage ausbreitet, aber es ist kein Weihnachtsbuch im klassischen Sinn. Es ist, um es kurz zu sagen, ein zauberhaftes Buch, das es verdient, mit Kuscheldecke, Zimtsternen und einem mit orientalischen Kräutern versetzten Tee auf dem Sofa gemütlich gelesen zu werden. Und wenn der Tee bereits kalt geworden ist und die Zimtsterne aufgegessen sind, bleibt nach Lektüre der Geschichte ein wunderbar gemütlich-wohlig-warmes Gefühl zurück, irgendwie in der Tat weihnachtlich…

 

Zum Inhalt: Als die beiden Schwestern Scarlett und Mélanie die Weihnachtstage bei ihrer verwitweten Mutter in der Bretagne verbringen wollen, legt ein Schneesturm den Flugverkehr lahm und die beiden sitzen im Flughafen von Heathrow fest. Über Stunden. Und weil bei Scarlett stets alles schiefgeht, was schiefgehen kann, landet sie aus Versehen in der Herrentoilette und trifft dort auf einen englischen Gentleman, dessen distinguierte und ironische Art Scarlett sowohl herausfordert als auch verunsichert. Als schließlich klar wird, dass an diesem Tag kein Flugzeug mehr starten wird, lädt William, besagter Gentleman und Kunsthändler, die beiden Schwestern höflich dazu ein, vorerst in seinem Haus in Kensington zu bleiben. Dass dort unerwarteter Weise plötzlich auch noch Williams gesamte englische Familie vor der Tür steht, mit all ihren Schrullen und Verrücktheiten, schafft ein Chaos an Gefühlsverwirrungen und ungeahnten Überraschungen, wie sie turbulenter gar nicht sein könnten.

 

Die Autorin erzählt diese lebendige Geschichte über verrückt-liebenswerte Menschen gekonnt mit ganz leichter Hand. Für mich standen absolut im Vordergrund die brillanten Dialoge, spritzig und mit geistreichem Witz versehen. Sie geben der Geschichte die richtige Würze, damit sie nie ins Kitschige abgleitet. Aber auch eine leise Melancholie hat zwischen den Zeilen Platz. Sie ist besonders geeignet, „Fäden zwischen die Seelen zu knüpfen“. Natürlich ist das Geschehen vorhersehbar, aber bis es zum erhofften Finale kommt, hat der Leser viel Vergnügen mit all den so schwungvoll und frisch erzählten Fettnäpfchen, Missverständnissen und Komplikationen, mit den mit englischer Vornehmheit gepaarten Verrücktheiten, mit all dem Wortwitz, aber auch mit den leiseren Passagen. Ich kann mir kein besseres Weihnachtsbuch vorstellen!

 

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Ruth Hogan

Vielleicht tanzen wir morgen

 

 

·         Broschiert: 320 Seiten

·         Verlag: List Hardcover

·         ISBN-13: 978-3471351703

·         Originaltitel: The Particular Wisdom of Sally Red Shoes

  

Dieses Buch ist ein Kleinod!

 

Die letzte Seite ist gelesen und ich schließe langsam das Buch. Dieses Buch, das mich so tief berührt hat wie schon lange keines mehr. Und ich weiß nicht, wie ich die passenden Worte finden kann, um von diesem Buch zu erzählen.

 

Mascha lebt nach dem Tod ihres Sohnes über viele Jahre hinweg wie unter Wasser. Die einzigen „Freunde“, die sie näher an sich heranlässt, sind die Toten auf dem Friedhof, denen sie ihren täglichen Besuch abstattet. Erst die Begegnung mit der obdachlosen Sally Red Shoes bewirkt eine vorsichtig-langsame Veränderung in Mascha. Und mit der inneren Veränderung bekommt auch die äußere Wirklichkeit neue Chancen, ins Leben von Mascha zu treten.

 

Diese kurze Inhaltsangabe klingt nach dem Inhalt zahlloser anderer Bücher: eine trauernde Mutter, die durch eine besondere Begegnung neuen Lebensmut erhält. Soweit richtig und doch meilenweit entfernt. Denn die Einmaligkeit des Buches liegt nicht im Inhalt, sondern in der Schreibekunst der Autorin, in den unzähligen feinen und feinsten Details, die sich auf jeder Seite finden lassen, in den feinsinnigen Beobachtungen und Erinnerungen, in den wunderschönen, bilderreichen, geradezu lyrischen Beschreibungen, in der faszinierenden Gabe der Autorin, mit wenigen Worten innere Bilder entstehen zu lassen so intensiv verdichtet, als würde man Lyrik lesen. So beschreibt sie zum Beispiel den Teil des Friedhofs mit alten, nicht mehr gepflegten Grabstätten, auf denen die Grabsteine schief und krumm dastehen, als das „Feld der Trunkenheit“, und Mascha stellt sich vor, wie sich die Begrabenen an die Ränder ihrer schiefen Särge klammern, um nicht vollends den Halt zu verlieren. Und nur diese großartige Autorin kann den ständigen Begleiter von Mascha, den riesigen Wolfshund Haizum, so liebevoll-treffend beschreiben als einen Hund „mit den Augen eines Engels und dem Atem eines Kobolds“. Überhaupt möchte ich ständig aus dem Buch zitieren. Wie könnte man die Erstarrung, die manche Trauernde erfasst, besser ausdrücken als die Autorin: „Wir wickelten unsere Trauer fest ein in erstickende Selbstbeherrschung“. Überhaupt liegt über dem ganzen Buch, abgesehen vom überraschenden Ende, so etwas wie ein feiner glänzender, grauer Organzastoff, nämlich die Lebenstraurigkeit, nicht heilbar, duftig zwar, ganz leicht, aber dennoch jede Minute des Lebens mit einem grauen Schleier überziehend. Gleichzeitig aber liegt unter diesem grauen Schleier auch eine dicke Schicht Humor, bissig und schrullig. Wenn ich noch wie früher Kurse in Kreativem Schreiben geben würde, wäre „Vielleicht tanzen wir morgen“ ein Lehrbuch, eine Pflichtlektüre, insbesondere zur besonderen Kunst der Autorin, Menschen zu schildern, skurril-liebevoll, kreativ, wie Karikaturen auf ihr Wesentliches reduziert. Ein dickes Lob auch an die Übersetzerin, die es schaffte, die Einzigartigkeit der Sprache von Ruth Hogan samt der „verhuddelten“ Wörter von Sally Red Shoes kongenial wiederzugeben.

 

Ich wünsche diesem Buch viele einfühlsame, empfindsame Leser, die Freude haben an der überreichen poetisch-sprachlichen Kunst der Autorin, denn dieses Buch ist ein wahres Kleinod!

 

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Neue Socken mit dem CraSyTrio stricken

 

 

·         Broschüre: 32 Seiten

·         Verlag: Frech

·         ISBN-13: 978-3772468315

 

 

 

Absolut empfehlenswert!

 

Vorangeschickt sei, dass auch die klassischen Nadelspiel-Fans unter den Sockenstrickerinnen dieses Büchlein gewinnbringend nutzen können. Wobei ich jedoch von ganzem Herzen dafür werben möchte, doch mal vom jahre- oder jahrzehntelang Gewohnten des 5-Nadel-Strickens abzuweichen und sich dem CraSyTrio zuzuwenden. Nach einer kurzen Zeit des Umgewöhnens werden Sie die Nadeln nicht mehr missen mögen, das garantiere ich (und ich werde NICHT von der Firma addi für diesen Satz bezahlt)! Ich persönlich genieße diese geniale Erfindung, da ich als Locker-Strickerin immer wieder mit herausrutschenden Nadeln zu kämpfen hatte. Dieses Elend hat dank addi ein Ende. Und allen Neu-Socken-Strickerinnen lege ich ebenfalls die CraSyTrio-Nadeln sehr ans Herz, weil es keine verkrampften Finger und Nadel-Kuddelmuddel mehr gibt.

In dem vorliegenden Büchlein finden sich 15 sehr unterschiedliche Socken-Variationen, teils mit besonderen Strickmustern, teils mit mehrfarbigen Mustern, gut verständlich beschrieben. Schön und hilfreich finde ich, dass in der Mitte des Büchleins ein leicht heraustrennbarer Vorlagenbogen enthalten ist zur Veranschaulichung der in den Anleitungen angegebenen Muster. Natürlich fehlt auch nicht eine grundsätzliche Anleitung, wie mit dem addiCraSyTrio Socken gestrickt werden incl. Bumerangferse. Nicht zu vergessen der im Buch enthaltene Sockenkompass speziell für die CraSyTrio-Nadeln, und zwar sowohl 4-fädig als auch 6-fädig.

 

Einziger Kritikpunkt: Nicht korrekt finde ich, dass das auf dem Titel gezeigte Modell nicht im Büchlein enthalten ist.

Fazit: Das ideale Büchlein für alle, ob Neueinsteiger, ob Strick-Routiniers, die aufgeschlossen dafür sind, sich mit dieser genialen Nadel-Erfindung zu befassen und gleichzeitig gerne neue Musterideen ausprobieren wollen.

 

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Stephan Talty

Black Hand

 

 

·         Broschiert: 318 Seiten

·         Verlag: Suhrkamp Verlag

·         ISBN-13: 978-3518469248

·         Originaltitel: The Black Hand: The Epic War Between a Brilliant Detective and the Deadliest Secret Society in              American History

  

Filmreif

 

Was ist dieses Buch? Ein Sachbuch? Ja, durchaus. Ein langweiliges Sachbuch?  Nein, ganz im Gegenteil. Also eher ein Thriller? Ja, genau das, ein Sachbuch-Thriller. Und was für einer!

 

New York City Anfang des 20. Jahrhunderts: ein Ort, in dem das Verbrechen herrscht. Der Alltag besteht aus den Anschlägen, Entführungen und Erpressungen, verantwortlich dafür die Organisation Black Hand. Und dann erfahren wir von Joseph Petrosino, einem italienischen Detective mit knallharten Methoden. Wir erfahren von den Anfängen der amerikanischen Mafia und wir erfahren von einem unerschrockenen Helden, der es wagte, sich der Mafia entgegegenzustellen. Petrosino, ein Einwandererkind, kannte von früh an Prügel und Hunger. Aber sein Wille, nach oben zu kommen, war ungebrochen. Und so arbeitete er sich vom Schuhputzer und Müllmann hoch, bis er einen Job bei der Polizei bekam und schließlich seinen unglaublich mutigen und raffinierten Kampf gegen die Mafia aufnahm.

 

Das Buch ist sehr, sehr packend geschrieben. Packend zum einen durch das Thema, denn dass die Mafia New York in fester Hand hatte, war mir bislang völlig unbekannt. Und packend durch den Schreibstil des Autors. Er erzählt so lebendig, dass man das Elend, den Dreck und den Gestank in den Straßen von New York zu jener Zeit geradezu körperlich spürt und riecht. Mitreißend wird uns das Leben von Petrosino nähergebracht, wir erleben seinen unermüdlichen Versuch, Einwanderer und Amerikaner näherzubringen und des Bösen Herr zu werden. Kein Wunder, dass die Geschichte von Petrosino verfilmt wird, denn dieses Buch hat alles, was sein fesselnder Film auch haben sollte: Intensiv-Bilderreiches Erzählen einer außergewöhnlichen Geschichte.

 

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John Jay Osborn

Liebe ist die beste Therapie

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 288 Seiten

·         Verlag: Diogenes

·         ISBN-13: 978-3257070439

·         Originaltitel: Listen tot he Marriage

 

 

Kammerspiel zu dritt

 

Mit dem Buch habe ich ein großes Problem.  Ich konnte es nicht unvoreingenommen lesen, weil ich mein psychotherapeutisches Fachwissen beim Lesen nicht ausblenden konnte. So war ich teils verwundert, teils nahm ich kopfschüttelnd die Vorgehensweisen der Therapeutin zur Kenntnis, teils auch ebenso kopfschüttelnd die Verhaltensweisen der Probanden und ihren geschilderten Weg des reiferen Miteinanders. Der Autor ist nicht „vom Fach“. Vielleicht hat er selbst eine Paartherapie erfahren und aus seinen daraus resultierenden persönlichen Erkenntnissen einen Roman gebastelt. Dazu sollte man vielleicht auch noch berücksichtigen, welch anderen Stellenwert therapeutische Interventionen in Amerika haben im Vergleich zu Deutschland. Wie auch immer – für mich war der Roman leider kein Aha-Erlebnis.

 

Der Roman ist inszeniert wie ein Kammerspiel: Das gesamte Geschehen spielt sich ausschließlich in der Praxis der Paartherapeutin Sandy ab. Dort suchen Steve und Charlotte, Mitte 30, zwei Kinder, seit einiger Zeit getrennt lebend, Rat und Beistand. Beide hatten in der Zwischenzeit Affären, und doch gibt es etwas zwischen den beiden, das sie, ohne dass sie es sich wirklich eingestehen wollen, noch hoffen lässt. Dem Leser wird anhand des Verlaufs der Therapiestunden klargemacht, dass ein Teil der Problematik in der unterschiedlichen Art und Weise der Kommunikation zwischen den Ehepartnern liegt. Sorry, aber für diese Erkenntnis braucht es keine 300 Seiten. Auch nicht für die Erkenntnis, welche Verletzungen Ehebruch mit sich bringt. Die geschilderten Vorgehensweisen/Fragen der Therapeutin sind so oberflächlich, so nichtssagend, dass sie im realen Leben mit Sicherheit keine großen Entwicklungen von Paaren in Not hervorrufen würden. Dass wir als Leser dann auch noch immer wieder in die Gedankenwelt der Therapeutin mit ihren eigenen Problemen hineingezogen werden, empfinde ich als absolut störend und unnötig.

 

Als Roman ist das Buch mäßig fesselnd, es fehlt der Spannungsbogen, es fehlen Höhen und Tiefen, es fehlen überraschende Entwicklungen oder echte Aha-Erlebnisse. Wer glaubt, er würde durch das Buch etwas über kompetente Paartherapie erfahren, sei gewarnt. Denn es ist und bleibt ein  Roman, also per definitionem eine fiktive Lang-Erzählung, mehr nicht.

 

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Helen Cooper

Das Museum der sprechenden Tiere

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 384 Seiten

·         Verlag: Rowohlt Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3499218286

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 9 Jahren

·         Originaltitel: The Hippo at the End oft he Hall

 

 Ein Buch wie eine Matroschka-Puppe

 

 

Was für ein unglaublich schönes Buch – das dachte ich spontan, als ich das so überaus schön gestaltete Exemplar in Händen hielt. Allein schon durch das gelungene Cover, das sowohl in Graphik als auch Haptik auffällt und mit dem Blick durchs Schlüsselloch in die Geschichte hineinziehen will, war ich positiv-neugierig geworden. Als ich anfing, durch die Seiten zu blättern, war ich nach wenigen Minuten dem Buch restlos erlegen. Diese unglaublichen Zeichnungen, realistisch und doch fantastisch, präzise auf feinste Weise und liebevoll-detailliert ausgearbeitet, nahmen mich völlig gefangen, umso mehr als ich erfuhr, dass die Illustrationen allesamt von der Autorin selbst stammen.

 

Ben ist ein ganz normaler Junge, mal mutig, mal übermütig, nicht immer folgsam. Eines Tages findet er vor der Tür eine seltsame Einladungskarte: „Komm jetzt, oder komm nie!“ Von Neugier getrieben folgt er der Einladung in ein uraltes Museum, das abgerissen werden soll. Und schon ist er mitten in einem Abenteuer, das nicht nur ihn verändern wird…

 

Das Buch zu lesen, ist wie eine Matroschka-Puppe zu öffnen und immer weitere Puppen in deren Inneren zu finden. So öffnet sich im Buch Geschichte um Geschichte, teils real, teils fiktiv, immer aber auch magisch, teilweise gefährlich, teilweise verwirrend, teilweise erheiternd, immer aber spannend. Eine schier unerschöpfliche Fantasiewelt öffnet sich, in den unglaublichsten Farben und Schattierungen in Worte gefasst, wobei der häufige Wechsel zwischen Realität und Fantasy den Leser geradezu schwindlig macht. Und so ist die Stärke des Buches, nämlich die unerschöpfliche Fülle an Fantasie, gleichzeitig auch seine Schwäche.  Denn es ist so reich an Magie, dass es ausreichend wäre für mehrere Bücher. Es ist so angefüllt mit Zauber, dass es irgendwann, zumindest in der ersten Hälfte des Buches, verwirrt, ermüdet, bis man gegen Ende des Buches dankbar wieder auf dem realen Boden der Geschichte landet, wobei hier wiederum die großartigen Illustrationen helfen. Auf jeden Fall ist es ein ideales Vorlesebuch, denn in einzelnen Häppchen gelesen entfaltet die Geschichte noch mehr ihres eigentlichen Wertes. Nämlich zu vermitteln, dass jeder Mensch den wahren Schatz und Reichtum in sich trägt. Wenn man an sich glaubt, an seine innere Stärke glaubt, gelingen wahre Wunder. Ein Buch zum Träumen schön, für Kinder ebenso wie für Erwachsene….

 

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Caroline Roberts

Cottage mit Meerblick

 

 

·         Taschenbuch: 336 Seiten

·         Verlag: MIRA Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3956498015

·         Originaltitel: My Summer of Magic Moments

 

 

Ein ruhiges, lebensbejahendes Buch

Eher zufällig geriet ich an dieses Buch und ging anhand des Covers von einem der üblichen leichten Sommerromane ohne Tiefgang aus. Der Roman ist in der Tat solch ein Sommerroman, unterhaltsam und flott zu lesen. Aber er ist nicht nur trivial, er hat auch etwas an sich, was länger nachwirkt und weshalb sich das Lesen lohnt.

 

Claire, von Beruf Journalistin, mietet ein kleines, ziemlich heruntergekommenes Cottage direkt am Strand, denn sie braucht eine Auszeit. Nach überstandener Krebserkrankung mit den vielen sowohl Körper als auch Seele belastenden Therapien musste sie auch noch die Scheidung von ihrem Ehemann verkraften. So hofft sie, in einer Zeit des Alleinseins wieder zu neuen Kräften zu kommen und für ihr  Leben neue Orientierung zu finden. Sie genießt die Abgeschiedenheit des Ortes, genießt die Natur, genießt sogar, den frühmorgens im Meer schwimmenden unfreundlichen Nachbar zu beobachten.

Das Buch zu lesen, verlangt vom Leser, zur Ruhe zu kommen. Denn es erzählt sehr langsam, ruhig und bedächtig. Und während man in die intensiven, schönen Naturschilderungen eintaucht, sich dem Gleichmaß der Wellen am Strand hingibt, den Sand unter den Füßen spürt, entschleunigt man selbst Stück für Stück. Und indem man durch die Autorin in dieses entspannte, wohlige Wahrnehmen der Natur versetzt wird, nähert man sich ganz ohne Schwere auch den wichtigen Fragen des Lebens, denen sich Claire stellt und erkennt mit ihr die große Bedeutung der kleinen Dinge, der kleinen Freuden, der Magic Moments. Claire wird sehr nachvollziehbar dargestellt als ein zwar grundsätzlich kämpferischer und lebensbejahender Mensch, aber dennoch gezeichnet durch die Narben, die sowohl ihr Körper als auch ihre Seele davongetragen haben. Genau diese erlittenen Verletzungen und das dadurch gewonnene Mitgefühl für andere Menschen ermöglichen es jedoch letztlich der Protagonistin, auf geduldige und reife Weise einen neuen Zugang zu sich selbst, zu den sie umgebenden Menschen, sogar zu ihrem mürrischen Nachbarn und damit zur Liebe zu finden.

 

Fazit: Ein ruhiges, leicht zu lesendes Buch mit anhaltend positivem Nachhall.

 

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Annette Hess

Deutsches Haus

 

 

Gebundene Ausgabe: 368 Seiten

Verlag: Ullstein Hardcover

ISBN-13: 978-3550050244Hörbuch: Spieldauer: 8 Stunden und 56 Minuten

Version: Gekürzte Ausgabe

Verlag: Hörbuch Hamburg HHV GmbH

 

Ein wichtiges Buch!

 

Obwohl ich nicht oft Hörbücher „konsumiere“, weil ich beim Hören meist nicht so konzentriert bin auf den Text wie beim Lesen, habe ich mich dieses Mal ausnahmsweise für das Hörbuch entschieden, weil mir die Hörprobe so gut gefallen hatte. Die angenehme und lebendige Stimme von Eva Meckbach machte es mir leicht, über fast 9 Stunden die Geschichte zu verfolgen. Dennoch werde ich das Buch auch noch einmal lesen, denn es ist meines Erachtens ein sehr wichtiges Buch, das volle Aufmerksamkeit verdient.

1963: Die junge Dolmetscherin Eva wird gebeten, in einem Prozess Zeugenaussagen zu übersetzen. Verwunderlich, dass sowohl ihre Eltern als auch ihr Verlobter von diesem Auftrag abraten. Dennoch übernimmt sie, ihrem Bauchgefühl folgend, die Aufgabe an und verfolgt dadurch den ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt im Nachkriegsdeutschland, einen Jahrhundertprozess, der alles verändern wird, auch im Leben von Eva.

 

Das Buch hatte für mich  - neben der geschichtlichen Relevanz – eine besondere Eindringlichkeit, denn ich war im gleichen Alter wie Eva. So viele geschilderte Szenen des täglichen Lebens dieser Zeit habe ich genauso erlebt, und das Buch rief eine Fülle an Erinnerungen wach. Ich konnte so ganz direkt die muffige Spießigkeit derer nachempfinden, die alles nur noch hinter sich lassen wollten, auch die politische Naivität so vieler junger Menschen, denen ihre Eltern das während der Kriegszeiten Erlebte nicht erzählt hatten. Intensiv und atmosphärisch dicht erzählt die Autorin von den frühen sechziger Jahren, in denen die Menschen mehrheitlich nur noch nach vorne blicken und sich mit Fragen von Schuld oder Scham nicht auseinandersetzen wollten. Faszinierend und nachvollziehbar wird die Wandlung Evas vom naiven jungen Mädchen hin zu einer gereiften jungen während des Verlaufs des Prozesses geschildert. Überhaupt werden alle im Buch geschilderten Personen sehr authentisch und psychologisch folgerichtig geschildert. Dass neben der Fiktion des Romans reale Szenen der Zeugenbefragungen aus dem Prozess sparsam eingestreut sind, lässt uns die geschehenen Grausamkeiten umso eindringlicher erahnen und wirft viele, viele Fragen auf, was Mut und Feigheit, Verantwortlichkeit und Wegschauen betrifft und wie es heute um unsere Mitmenschlichkeit bestellt wäre, wenn wir nur unter Gefahren dafür einstehen könnten.

 

Ein wichtiges Buch, dem ich viele, viele aufgeschlossene Leser wünsche.

 

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Tatjana Kruse

Stick oder stirb

 

 

·         Taschenbuch: 272 Seiten

·         Verlag: Haymon Verlag

·         ISBN-13: 978-3709979044

 

Und wieder eine Krimödie in Vollendung

 

Vorweg: Langsam gehen mir die Worte aus. Denn ich habe schon alles Lob über die bisher von mir gelesenen Bücher meiner Lieblingsautorin ausgeschüttet, dessen ich fähig bin. Eigentlich brauche ich nur noch von mir selber abzuschreiben, denn auch dieses Buch hat mich wiederum voll und ganz begeistert. Ich kenne keinen Autor, der Krimödien in dieser Vollendung schreiben kann.

 

Der im Ruhestand befindliche Ex-Kommissar Siegfried Seifferheld tut Gutes. Er bringt einem erlesenen Grüppchen an Insassen der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Hall das Sticken bei. Welch eine begeisternde Auswahl an Stickmotiven hier ihrer Fertigstellung harrt, lässt tief in die Seelen der Knastbrüder blicken. Doch in die heile Welt des Stickkränzchens dringt das eigentlich gar nicht so Böse in Person eines russischen Mafiabosses, der für eine spektakuläre Flucht Seifferheld als Geisel mitgehen lässt. Und der ist und bleibt verschwunden samt seinem Schnüffler-Kompagnon, dem Hovawart Onis.

 

Die Handlung in all ihren herrlichen Details, urkomischen Windungen und Verwicklungen nüchtern zu erzählen, macht in meinen Augen wenig Sinn. Denn egal wie viele Turbulenzen uns handlungstechnisch aufgetischt werden – was auch dieses Buch wiederum auszeichnet, ist sein grandioser Ideenreichtum, das Jonglieren mit schrägen Wortschöpfungen und Gags. Dass Seifferheld in jungen Jahren das Küssen an harten Eiern geübt hatte, ist noch eine der harmloseren Pointen. Was ich an der Autorin ganz besonders liebe und schätze, ist der hinter all den vordergründig slapstickartigen Schilderungen liegender intelligenter Humor, der aus Wissen und scharfer Beobachtungsgabe resultiert und mit gekonnter Feder daraus Krimödien in Vollendung schafft.

 

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Melanie Czerny

Glitzer-Glotzies

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 112 Seiten

·         Verlag: Frech

·         ISBN-13: 978-3772481505

       https://www.topp-kreativ.de/ 

 

 Ein Buch mit Suchtpotenzial

 

 

Da liegt es vor mir, dieses großformatige Buch, von dessen Cover mich drei Kuschelgestalten mit großen, mit riesengroßen funkelnd-glitzernden Augen so klar und direkt anschauen, als würden sie mitten in mich hineinsehen. Und in dem Moment, in dem ich ihren Blick erwidere, ist es um mich geschehen. Obwohl ich das Buch noch gar nicht geöffnet habe, weiß ich bereits mit schlafwandlerischer Sicherheit, dass die Glitzer-Glotzies alle bereit sind, mein Leben mit mir zu teilen. Hilfe!

 

Wie Sie meinen ersten Sätzen anmerken: Dieses Buch ist kein nüchtern-sachliches Anleitungsbuch. Es ist viel mehr. So zum Beispiel ein liebenswertes Bilder-Geschichten-Erzähl-Buch, in dem wir mehr über den idyllischen Ort Glitzer-Glotzingen erfahren und über die spezielle Art der Flauschis, die Welt so zu sehen, wie sie einem gefällt. Sie verbreiten gute Laune, weil sie an allem Freude haben, sogar an Regen. Die aufwändige Gestaltung des Buches fällt ins Auge und lässt es zum idealen Geschenkbuch für alle Häkelfreunde werden, die Kinder oder sich selbst mit den Glitzer-Glotzies beglücken möchten.

 

Die langen, ausführlichen Anleitungen mögen erst einmal erschrecken oder gar abschrecken. Aber ich versichere Ihnen, dass Ihnen gutes Gelingen sicher ist, wenn Sie einfach nur vertrauensvoll Zeile für Zeile nacharbeiten, genau so, wie es dasteht. Mit einem Blatt Papier und Stift ausgerüstet, können Sie sich mit kleinen Strichlisten helfen, um die Orientierung, in welcher Runde Sie sich gerade befinden, nicht zu verlieren. Bei dem plüschigen Material ist es nämlich nahezu unmöglich, im Nachhinein die Runden zu zählen. Oder Sie fertigen sozusagen im Trainingslager aus glatter Baumwolle erst einmal einen Nackt-Glitzer-Glotzie. Mit ihm bzw. an ihm können Sie genauer mitzählen und sind sich dann beim Wechsel zu den Flausch-Glotzies gleich viel sicherer. Am Ende des Buches finden Sie zur Erinnerung noch einen kurzen Häkel-Grundkurs, auch zum Magic Ring. Und nicht zu verachten: Sie werden anhand von Videos (Code zum Freischalten am Ende des Buches) bei dem Grundkurs und all seinen Themen unterstützt. Dass auch noch Glitzer-Iris für die Glotzie-Augen beiliegen, ist eine zusätzliche nette Dreingabe. Da Glitzer-Glotzies Herdentiere sind, gute Laune verbreiten und den Häkel-Sucht-Virus in sich tragen, werden Sie bald Ihr eigenes Dörfchen Glitzer-Glotzingen gestaltet haben!

 

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Veronika Hug

Hoodies stricken

 

 

·         Taschenbuch: 64 Seiten

·         Verlag: Christophorus Verlag

·         ISBN-13: 978-3841065179

 

Keine Angst vor Kapuzen!

 

Hoodies, also Pullis und Jacken mit Kapuze, zu stricken, klingt für die weniger erfahrenen Strickerinnen  ganz schön kompliziert. So kompliziert, dass sie sich gar nicht erst herantrauen an ein solches Projekt. Da kommt Veronika Hug gerade recht. Denn sie als versierte Designerin hat die Gabe, ihre eigene Unerschrockenheit im Stricken und Häkeln mutmachend weiterzugeben. Es gibt ja in der Tat nichts Gemütlicheres als ein kuscheliges Modell, das durch seine Kapuze noch mehr zum Wohlfühlen beiträgt, umso mehr, wenn es mit Liebe und Hingebe selbst gestrickt wurde.

Das vorliegende Buch enthält 16 sehr unterschiedliche Modellvorschläge in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Nur 16 Modelle? Nein! Die klassische Kapuzenjacke, das Kapuzencape, der flippige Poncho oder der Seelenwärmer mit Kapuze – alle Modelle sind als Anregung zu verstehen, die eigenen Ideen einfließen zu lassen. Der Hoodie im Casual Stil wirkt zum Beispiel in einer einfarbigen Wolle ganz anders als das Modell im Buch, das durch das Strickmuster und die zusätzlich unterschiedlichen Farben sehr unruhig daherkommt.  Ein wenig Vorstellungsvermögen ist gefragt, dazu einen Schuss Fantasie, und schon bringt das Buch echten Gewinn.

 

Man muss es hinnehmen, dass Veronika Hug ihre eigene Woll-Linie verkauft und deshalb ihre eigene Wolle zum Gebrauch vorschlägt. Es hätte jedoch dem Buch einiges mehr an Sympathie eingebracht, wenn es jenseits der Eigenwerbung noch einen Hinweis gegeben hätte, dass man auch andere Garne verwenden kann, vorausgesetzt Lauflänge und Maschenprobe stimmen überein. Solch ein Satz fehlt leider. Die Stärke des Buches liegt in der Qualität der Anleitungen. Diese sind ausführlich, präzise, gut verständlich und werden hilfreich unterstützt durch die Zeichnungen der Schnittteile mit genauen Maßangaben. Aber auch die Fotos der Modelle in mehreren Ansichten sind hilfreich, die Anleitungen genau zu verstehen. Nicht wirklich einverstanden bin ich jedoch mit den sehr unterschiedlichen Größenangaben. Das eine Modell wird nur bis Größe 40 angegeben, mehrere andere wiederum bis Größe 48. Das macht auf mich den Eindruck, als ob man sich nicht die Mühe hatte machen wollen, z. B. das Modell auf  S. 31 mit seinem Einstrickmuster für größere Größen umzurechnen, was zugegebenermaßen etwas aufwändiger gewesen wäre.

 

Fazit: Ganz unterschiedliche Modellvorschläge, problemlos nachzuarbeiten. Vor dem Stricken von Kapuzen muss niemand Angst haben! Trotzdem bin ich nicht rundum mit dem Buch zufrieden, denn die Autorin hätte etwas mehr Mühe in die Größenvariationen stecken sollen statt in Eigenwerbung.

 

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Ellen Sandberg

Die Vergessenen

 

·         Broschiert: 512 Seiten

·         Verlag: Penguin Verlag

·         ISBN-13: 978-3328100898

 

 

 

Ein grandioses Buch, das jeder lesen sollte

 

 

 

Das vorliegende Buch ist für mich eines der wichtigsten und packendsten Romane dieses Lesejahres!

 

Es ist bereits viel, sehr viel darüber geschrieben worden, deshalb nutze ich ausnahmsweise für den Inhalt den Klappentext: „1944. Kathrin Mändler tritt eine Stelle als Krankenschwester an und meint, endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Als die junge Frau kurz darauf dem charismatischen Arzt Karl Landmann begegnet, fühlt sie sich unweigerlich zu ihm hingezogen. Zu spät merkt sie, dass Landmanns Arbeit das Leben vieler Menschen bedroht – auch ihr eigenes.
2013. In München lebt ein Mann für besondere Aufträge, Manolis Lefteris. Als er geheimnisvolle Akten aufspüren soll, die sich im Besitz einer alten Dame befinden, hält er das für reine Routine. Er ahnt nicht, dass er im Begriff ist, ein Verbrechen aufzudecken, das Generationen überdauert hat ...“

 

Grundlage des Buches ist die akribische Recherche historischer Faktoren bestimmter Örtlichkeiten, verbunden mit der fantasievollen Ausgestaltung von Geschehnissen, die dennoch auch jenseits der Fiktion in ähnlicher Weise geschehen sein könnten. Genau das hebt den Roman aus dem Romanhaften heraus und macht uns Leser schaudern, aber auch nachdenklich werden über die Frage, die uns letztlich die Protagonisten stellen: Was hätte ich in dieser oder jener Situation getan? Es ist leicht, sich heute vorzugaukeln, man hätte damals  moralisch lobenswert gehandelt. Aber wie integer sind wir noch unter Angst, unter Lebensbedrohung?

 

Dass hinter dem Pseudonym Ellen Sandberg die erfolgreiche Autorin von Kriminalromanen Ingrid Löhnig steckt, spürt man diesem tiefgründigen Roman auf jeder Seite an. Der Handlungsaufbau ist routiniert ausgearbeitet, die Protagonisten sind psychologisch nachvollziehbar gezeichnet. Der Roman ist insgesamt so packend geschrieben, so intensiv in seiner Wirkung, dass man sich dem Buch nicht entziehen kann und geradezu atemlos von Seite zu Seite getragen wird.

 

Fazit: Gekonnt geschrieben und eindringlich in Szene gesetzt wird in diesem Roman ein Kapitel aus einer noch nicht so lang vergangenen Zeit des Grauens. Der Autorin ist es meisterhaft gelungen, einen außerordentlich wichtigen und gleichzeitig fesselnden Roman zu schreiben, der lange, lange über das Lesen hinaus in uns Wirkung zeigt. Ein grandioses Buch, das jeder, wirklich jeder lesen sollte!

 

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Ingrid O. Volden

Unendlich mal unendlich mal mehr

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 176 Seiten

·         Verlag: Thienemann Verlag

·         ISBN-13: 978-3522184618

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre

 

Magisch, verzaubernd und klug

 Was für ein unglaublich intensiver, ungewöhnlicher Debütroman. Er hat mich regelrecht verzaubert, in seinen Bann geschlagen und begeistert!

 

Die zwölfjährige Petra hat sich ihr Leben gut zurecht gelegt. Solange Zahlen, ihre große Liebe, aufgehen, d. h. sich teilen lassen, ohne dass sie zerstört werden, ist der Tag in Ordnung. Nicht in Ordnung ist alles, was nicht aufgeht oder nicht zu kontrollieren ist, wie z. B. Primzahlen oder Wasser, dieses unberechenbare Element. Petra ist ein ungewöhnliches Mädchen. Sie unterliegt vielen Zwängen, um ihr Leben im Griff zu halten. So müssen Schuhe immer genau parallel nebeneinander stehen, ohne sich zu berühren. Oder es muss für alles eine gerade Zahl an Wiederholungen geben. Die Mutter Malin ist alleinerziehend und muss sehr viel arbeiten, dadurch hat sie wenig Zugang zur Innenwelt von Petra. Petra wiederum besitzt eine feine Beobachtungsgabe für andere Menschen, bewertet sie dabei aber nicht, nimmt sie einfach wie sie sind. Wenn zum Beispiel Chris, ihrem treuen Freund, als Stotterer die Wörter im Hals stecken bleiben, dann wirft er stattdessen mit Radiergummis oder randaliert. Petra versteht ihn und mag seine Augen, die besser sprechen als sein Mund. Oder an Freundin Melika, aus Afghanistan geflüchtet, von der Klasse abgelehnt, liebt sie ihr Lachen. Der Schulpsychologe bemüht sich, Petra’s Zwänge, ihr magisches Denken, aufzulösen. Aber erst Thomas, der sich so selbstverständlich im Wasser bewegt, schafft den Zugang zur inneren Angstwelt von Petra und damit die Chance zur Wandlung.

 

So vieles kann man in diesem Buch finden: Toleranz, Sensibilität, Freundschaft, Angst, Verletzung, Verhaltensauffälligkeiten, Zwänge, Liebe, Verantwortung. Wichtige Themen, die ganz locker in die Geschichte eingebunden sind, ohne Drama, und doch sehr, sehr wirkungsvoll. Und diese nachhaltige Wirkung beruht auf dem außerordentlich feinfühligen Schreibstil der Autorin, auf die reduzierte und dadurch unglaublich intensive Erzählweise. Das Buch verzaubert, es ist magisch, es enthält nichts als magische Formeln des Lebens. Die Wörter, die knappen Sätze – alles ist magisch kraftvoll, bezaubernd, verzaubernd und dabei klug wie eine unauslotbare Primzahl.

 

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Miriam Maertens

Verschieben wir es auf morgen

 

 

·         Seitenzahl der Print-Ausgabe: 272 Seiten

·         Verlag: Ullstein

·         ISBN: 978-3-96366-002-3

 

  

Ein Lehrbuch für die Kraft des Willens

 

  

Auf der Rückseite des Buches steht die eigentliche Botschaft des Buches, der in meinen Augen wichtigste Satz: „Fast alles liegt in meiner Hand, mein Wille hat einen enormen Einfluss auf mein Leben.“

 

Miriam Maertens lässt uns teilhaben an ihrer Kindheit und Jugend, an ihrem gesamten Werdegang, aber auch an ihrer Familie und ihren Freunden. Miriam Maertens ist an Mukoviszidose erkrankt, die Ärzte prognostizieren ein kurzes Leben. Und Miriam Maertens ist Schauspielerin, und zwar Bühnenschauspielerin. Ein Widerspruch in sich, eigentlich eine Unmöglichkeit!

 

Die Autorin schildert fast emotionslos und ohne jegliches Selbstmitleid ihren Lebens- und Leidensweg bis hin zur – fast zu späten – Lungentransplantation. Schon als Kind beschließt sie, einfach so zu leben, als sei sie gesund. Sie will am Leben teilhaben, es in vollen Zügen ausschöpfen, und vor allen Dingen will sie ihren Traum leben, nämlich Schauspielerin zu werden. Dies alles trotz körperlicher Schwäche, trotz der lebensnotwendigen Inhalationspausen, trotz der kräftezehrenden immer wiederkehrenden Kämpfe gegen Infektionen. Doch damit nicht genug! Sie will ein Kind, und sie bekommt einen Sohn. Ihr Körper unterwirft sich immer wieder neu dem unermesslich starken Willen der Autorin. Und sie schafft das Unvorstellbare, wechselt je nach Engagement zigmal den Wohnort, versorgt ihren Sohn und ihren Hund, verschweigt ihre Krankheit, widersetzt sich den Ratschlägen der Ärzte, feiert Erfolge – und ignoriert weitgehend die Zeichen, die ihr Körper setzt. Denn auf der Bühne gibt es keine Schonung und im Selbstverständnis von Miriam Maertens auch nicht. Bis es fast zu spät ist. Und noch einmal baut sie mit enormer Willensstärke die allerletzte Kraft auf, um die Lungentransplantation zu überstehen.

 

Das Buch hat mich tief beeindruckt und bewegt, es hat mich das Glück spüren lassen, ganz selbstverständlich atmen zu können und es hat mich gelehrt, welch immense Kraft in Disziplin und Willenskraft stecken. Ein Mut machendes, ein starkes Buch!

 

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John Crowley

KA

 

·         Gebundene Ausgabe: 576 Seiten

·         Verlag: Golkonda Verlag

·         ISBN-13: 978-3946503453

 

 

 

Gemischte Gefühle

 

Wir leben an einem Ort, der durch seine „Krähenplage“ in den Zeitungen zu besonderer Berühmtheit gelangte. Ich dagegen fühlte mich noch nie von den Krähen geplagt, sondern habe bisher stets mit großem Interesse diese so überaus klugen und geschickten Vögel beobachtet, die ja leider mit einer nicht gerade melodischen Stimme gesegnet sind. Insofern sprach mich das Buch spontan an, obwohl Fantasy nicht unbedingt mein bevorzugtes Genre ist.

 

Den Inhalt in komprimierter Form gibt der Klappentext perfekt wider: „Dar Eichling ist die erste Krähe der Weltgeschichte, die einen eigenen Namen bekommt. Sie erfindet eine Sprache für das Krähenvolk, fliegt in die Anderswelt und stiehlt versehentlich die Unsterblichkeit. In zahlreichen Leben freundet sie sich mit Menschen aus verschiedenen Epochen an und entdeckt an der Seite des Heiligen Brendan Amerika – immer auf der Suche nach der Wahrheit über Leben und Tod. Bis sie in einer Zeit, in der unsere Welt bereits in Trümmern liegt, einen Menschen findet, dem sie ihre Geschichte erzählen kann. Denn wahre Unsterblichkeit liegt in den Geschichten, die immer weiter erzählt werden ...“

 

Leider hat mich das Buch jedoch mit gemischten Gefühlen zurückgelassen. Es mäandert zwischen Fantasy und Sachbuch hin und her und ist dadurch streckenweise regelrecht langweilig zu lesen. Große Themen werden berührt, manchmal auf sehr wunderbare, feinsinnige Art und Weise, dann wieder schweift der Autor ab und wird episch breit und sachlich-nüchtern, was mir die Freude am Buch ziemlich verleidete. Bestechend gut ist die Beobachtungsgabe des Autors! Durch seine präzisen Schilderungen habe ich gelernt, noch viel genauer diese wunderbaren Vögel zu beobachten. Mal sehen, ob ich eines Tages von ihnen eine der zahllosen Geschichten  erzählt bekomme, die unsterblich sind.

 

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Felicitas Gruber

Gschlamperte Verhältnisse

 

 

·         Taschenbuch: 304 Seiten

·         Verlag: Diana Verlag

·         ISBN-13: 978-3453359574

 

 

Sakrisch guat!

 

  

Ein Buch, das sakrisch viel Spaß bringt! Dass hier zwei erfolgreiche Autorinnen, nämlich Brigitte Riebe (historische Romane) und Gesine Hirsch (Dahoam is dahoam), am Werk waren, spürt man dem Buch auf jeder Seite an. Gekonnt werden Lokalkolorit und Krimikost vermischt, durchgerührt und pointiert und lautmalerisch in die spezielle Münchner Welt des Bösen plaziert. Besser geht es nicht.

 

Es handelt sich beim vorliegenden Buch um den 5. Band rund um  die unermüdlich radlfahrenden Rechtsmedizinerin Dr. Sofie Rosenhuth, für mich eine (leider späte) Neuentdeckung! Auch ohne Vorkenntnisse und ohne zu fremdeln wurde ich sehr schnell hineingezogen in das Beziehungs- und Arbeitsgeflecht zwischen Kriminalkommissar Joe Lederer und Dr. Sofie Rosenhuth und all den anderen Protagonisten, die sich rund um die in der Isar schwimmende Leiche, merkwürdige Schädelreliquien und Beute aus Kirchendiebstählen tummeln.

 

Spannend-humorvoll, lebendig, detailliert-liebevoll geschrieben wirft mich das Buch mitten hinein in mein bayerisches Sehnsuchtszentrum und lässt in meinem Kopfkino eine Sequenz nach der anderen in Farbe entstehen, unterlegt mit den perfekt lautmalerisch getroffenen Dialekt-Einwürfen. Absolute Leseempfehlung!

 

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Judith Stoletzky, Lutz Geißler

Ca. 750 g Glück

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 100 Seiten

·         Verlag: Becker Joest Volk Verlag

           ISBN-13: 978-3954531592

  

Brotteig als Lebenslehrer

 

Ein Buch, das mich mehrfach in die Irre geführt hat! Zuerst dachte ich bei oberflächlicher Betrachtung des Titels, es handele sich um die Geschichte eines Frühgeborenen. Total falsch! Als ich dann im Untertitel das Stichwort Brotbacken las, ging ich von einem Backbuch aus. Wieder falsch!

Die Gestaltung des Covers in seiner reduzierten Weise wird dem Buchinhalt leider nicht gerecht, weder was den Informationsgehalt noch den Werbeauftrag betrifft. Und er weckt falsche Erwartungen. Das ist sehr schade, denn dieses Buch ist ein kleines Kunstwerk. Ein literarisches Kleinod. Ein Immer-wieder-Lesebuch. Eine philosophische Abhandlung über die anzustrebenden menschlichen Tugenden wie Mut, Liebe usw. bis hin zu Dankbarkeit und Teamgeist. Ein Lehrstück, wie uns der Sauerteig in seiner eigenwilligen Art und Weise so vieles über das Leben beibringen kann. Das mag für den einen oder anderen vielleicht fragwürdig oder überhöht sein, insbesondere wenn sogar Rainer Maria Rilke bemüht wird.  Mir persönlich haben die intelligenten und außerordentlich vergnüglichen Gedankengänge und die fast lyrisch in Worte gesetzte Begeisterung für  das Brotbacken als solches sehr gut gefallen. Die unscharfen Fotos, mit einer analogen Kamera gefertigt und sich wohl als Kunst verstanden wissen wollend, fand ich als Beiwerk zum brillanten Text leider gar nicht künstlerisch, sondern geradezu schäbig. Und ja, ein (!) Rezept ist im Buch dann doch enthalten, allerdings für den backwilligen Neuling mit viel zu wenig hilfreich-unterstützenden Informationen.

 

Das Buch wäre meiner Meinung nach dank seines großartigen Textes ein wunderbarer Geschenkband für Menschen, die ein Faible haben für selbstgebackenes Brot. Leider ist die gesamte Aufmachung alles andere als geschenktauglich. Sehr, sehr schade!

 

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Sylvia Bishop

Das Mädchen das im Buchladen gefunden wurde

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 192 Seiten

·         Verlag: FISCHER KJB

·         ISBN-13: 978-3737341318

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 8 Jahren

  

Unerschöpfliche Schatzwelt der Bücher

 

 

 

Eine Frage an alle Buchliebhaber: Kann man ein Buch allein schon wegen des Titelbildes lieben? Ja, man kann, und wie. Und wenn dann der Inhalt so perfekt zum Cover passt, dann steht der persönlichen Auszeichnung „besonders geliebtes Kinderbuch“ nichts mehr im Wege.

 

Property, ein sehr ungewöhnliches kleines Mädchen, wird eines Tages von ihren Eltern in der kleinen Buchhandlung von Netty und ihrem Sohn Michael vergessen. Michael stellt das Mädchen erst einmal ins Regal der Fundsachen, und als sie einfach nicht mehr abgeholt wird,  nimmt Netty sie ganz selbstverständlich auf. Und so wächst Property mitten unter Büchern auf, lebt zwischen ihnen, mit ihnen – und das, obwohl sie nicht lesen kann! Eines Tages gewinnt die Familie bei einer Verlosung den größten und tollsten Buchladen der Welt, was für eine Aufregung! Doch dieser Buchladen birgt ein Geheimnis, und nur jemand mit viel, viel Bücherkenntnis kann das Geheimnis entschlüsseln.

 

Dieses anrührende Buch ist eine einerseits märchenhafte, zauberhafte Geschichte mit liebenswerten und eindrücklich ausgearbeiteten Personen, individuell, eigen-artig, und andererseits eine fantasievolle Erzählung, fesselnd, turbulent, abenteuerlich, mit lustigen Stellen aufgelockert, immer aber spannend zu lesen. Alles wird auf eine so schöne, direkte Art erzählt, als würde die Autorin mitten unter uns sitzen und uns gestenreich und lebendig von Property und all den Geschehnissen berichten. Feinfühlig, stilistisch schön geschrieben ist dieses Buch, es ist aber auch aufgrund der zauberhaften Illustrationen von Mila Marquis ein besonderer Buchschatz, den zu hüten es gilt. Denn ich wüsste mir keine bessere Möglichkeit, Kindern den Weg direkt in die unerschöpfliche Schatzwelt der Wörter, der Bücher, der Fantasie zu öffnen. Absolute Leseempfehlung!

 

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Sandra Lüpkes & Jürgen Kehrer

Was sich liebt, das killt sich

 

 

·         Taschenbuch: 230 Seiten

·         Verlag: KBV

·         ISBN-13: 978-3954414321

 

 

Diabolischer Lesespaß

Was für ein geistreicher Spaß! Schon lange nicht mehr hat mich ein Buch so erfreut wie dieses hier. Bitterböse, händereibende, schamlos perfide Ideen mit bissigem Witz überbacken – ein Geschichtenauflauf ganz und gar nach meinem Geschmack.

 

Die musikalisch und medizinisch bewanderte Sandra Lüpkes mit ihrem hinterhältigen Humor hat es mir besonders angetan, wobei der Wilsberg-Schöpfer und Hamam-Kenner Jürgen Kehrer mit seiner perfiden Bösartigkeit in nichts zurücksteht. Wenn ein Buch schon mit solch einem beziehungslastigen Vorwort beginnt, kann es nur noch schlimmer kommen… Was tummelt sich da alles auf diesen Seiten. Ein Panoptikum diabolischer Ideen geistert durch die kriminelle Schöpferwelt der Autoren: Außerirdische (stinkend), Lieferanten (mit tiefgefrorener Vergangenheit), Medizinstudent (mit Titan-Präparierbesteck), Wilsberg himself (Walking linke an angel), Auftragskiller (Gewehr mit Häkelmützchen), ganz viel Schwitzen und Schwatzen. Und isländische Trolle schaffen den Rest.

 

Eine wunderbare, nein, eine geniale Sammlung geistreicher Geschichten, die auf kreativ-hinterhältige Weise endgültige Lösungen für Beziehungsprobleme aller Art anbieten. Und so habe ich viel gelernt: Ob Tiefkühlkost oder Kröten oder Beeren -  nichts ist immer so wie es scheint. Und mit dem Wort Hypokoristika kann man toll angeben. Auch nicht schlecht. Unbedingt lesen!!!

 

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Minna Rytisalo

Lempi, das heißt Liebe

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 224 Seiten

·         Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG

·         ISBN-13: 978-3446260047

·         Originaltitel: LEMPI

 

 

Roman mit emotionaler Wucht

 

 

 

Um den geschichtlichen Hintergrund des Buches besser einordnen zu können, ist es meiner Meinung nach sehr empfehlenswert, vor Lektüre des Romans zuerst das sehr informative Nachwort der Übersetzerin zu lesen. Es half mir, das besondere Verhältnis zwischen Finnen und Deutschen während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg  und damit die erzählten Geschehnisse besser einordnen zu können

  

Viljami, ein junger Bauernsohn, verliebt sich in Lempi, die beschützte und gebildete Tochter eines Ladenbesitzers aus einer kleinen Stadt im finnischen Lappland. Nach einer überstürzten Heirat zieht Lempi, die keinerlei Ahnung hat vom Landleben und der harten Arbeit dort, auf den Hof zu Viljami. Ihr zur Seite gestellt wird als Hilfe Elli, die Magd, die tief in ihrem Innersten am liebsten an Lempis Stelle wäre. Nach wenigen Monaten gemeinsamen Glücks wird Viljami zum Kriegsdienst eingezogen. Als er zurückkehrt, seelisch gebrochen, ist Lempi verschwunden.

  

Der Roman kommt ganz schlicht daher. Und hat doch eine Wucht, die schwer zu beschreiben ist. Die Autorin hat einen ungewöhnlichen Weg gefunden, uns Lempi näher zu bringen, wobei sie uns am Ende des Romans sogar noch ferner ist als zu Beginn des Buches. Aus drei verschiedenen Perspektiven werden uns Lempi und ihr Leben geschildert. Zunächst erzählt Viljami mit den Augen einer tiefen Liebe. Er ist vom ersten Augenblick an Lempi verfallen, und mit ihr zu leben ist sein größtes Glück, ja sein Lebensinhalt. Intensiv und ergreifend wird die kurze Zeit des Glücks und die ewig während scheinende Zeit des Verlusts geschildert. Lempi wird auf eine durch Liebe verklärende Weise schier engelsgleich nahegebracht. Dann erfolgt die Erzählung aus der Sicht von Elli, der Magd. Hier begegnet dem Leser mit schmerzender Gewalt die Kraft des Hasses, der Eifersucht, des Neids. Lempi erscheint uns in diesem Erzählstrang als untaugliche, unnütze, eitle und ihres Glücks nicht würdige Frau. Zuletzt kommt noch Sisko, die Schwester, zu Wort. Wir erfahren viel über das enge Verhältnis der Schwestern vor der Hochzeit Lempis, von ihren gemeinsamen Zukunftsträumen. Lempi wirkt hier in ihrem unabhängigen Denken, in ihren Gesten wie eine mutige Leitfigur, der es gilt nachzustreben.

 

Das alles ist Lempi und vielleicht doch nichts wirklich von alldem. Sie selbst kommt nicht zu Wort. Selten wurde mir deutlicher vor Augen geführt, wie Meinungsbildung funktioniert und zu welchen Irrtümern oder eingeschränkten Sichtweisen subjektive Wahrnehmung führt.  Der eindrückliche Roman ist verpackt in schlichten Sätzen, und doch lyrisch-poetisch, schmerzend schön, hart und weich zugleich, mit emotionaler Wucht packend und lange nachwirkend. Absolut lesenswert!

 

 

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Jess Kidd

Heilige und andere Tote

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 382 Seiten

·         Verlag: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG

·         ISBN-13: 978-3832198909

·         Originaltitel: The Hoarder

 

 

Überbordende Bilderwelt

 

  

Die Autorin war mir bislang unbekannt. Umso überraschter war ich bereits nach den ersten Seiten von der immensen Kraft ihres Schreibstils, ihrer Beschreibungen, von den eindringlichen Wortbildern, die sich im Kopf auftun wie eine Dia-Show: Klick, klick, klick – Bild für Bild entstand vor meinem inneren Auge. Immer mehr Bilder. Immer mehr. Und noch mehr. Nach einer Weile musste ich aufpassen, die Aufmerksamkeit nicht zu verlieren. Schnell-Lesen wäre eine Beleidigung für dieses Buch! 

 

Der Verlag beschreibt den Inhalt so perfekt, wie ich es gar nicht könnte: „Seit dem Tod seiner Frau und den ewigen Streitereien mit seinem Sohn vertreibt Cathal Flood jeden, der sich ihm nähern will. Einst Antiquitäten- und Kuriositätenhändler ist er längst zum Messie verkommen. Sein Sohn hofft, ihn auf Dauer in ein Altenheim verfrachten zu können. Die Neueste in der Riege erfolgloser und unterbezahlter Sozialbetreuer, die Cathal zur Räson bringen soll, ist Maud Drennan. Unter den wüsten Beschimpfungen des Alten zieht sie beherzt gegen Dreck und Müll zu Felde. Doch trotz aller Unerschrockenheit ist ihr Bridlemere unheimlich. Überall im Haus scheinen verschlüsselte Botschaften zu warten. Wie das Foto von zwei Kindern, auf dem das Gesicht des Mädchens ausgebrannt ist. Hat Flood eine Tochter? Wieso weiß niemand von ihr? Und warum hasst er seinen Sohn so sehr? Auch der Tod seiner Frau löst Fragen über Fragen aus. Maud würde am liebsten alle erdrückenden Hinweise ignorieren. Doch ihre leicht bizarre Vermieterin Renata, die für ihr Leben gern Detektiv spielt, und eine Horde marodierender Heiliger, die nur Maud sehen kann, wittern längst ein Verbrechen.“ 

 

In der schier grenzenlosen Fülle an Ideen und Bildern war mir die Sozialarbeiterin Maud Drennan in ihrer zupackenden Art eine gute Leitfigur. Immer wenn ich mich in den Skurrilitäten verlor, konnte ich mich neu an Maud orientieren, kehrte mit ihrer Hilfe zur Handlung zurück, bis ich mich wieder neu in den Rausch der Bilder verlor, verführt von einer grandiosen Autorin, die eine Horde seltsamer Heiliger in die Handlung einschleppt, die nur von Maud gesehen werden,  oftmals arg schlecht gelaunt sind, aber letztlich doch hilfreich wirken. Aber ganz ehrlich: Die Handlung war mir nicht wichtig. Ich habe mich durcheinander wirbeln lassen von der grenzenlosen Fantasie der Autorin, die vor nichts halt macht, die mit Grausigem genauso spielt wie mit Mystischem, mit Kuriosem ebenso wie mit poetischen Momenten, mit Metaphern und feinsinnigem Humor. Während ich das Buch las, fühlte ich mich wie unter Wasser, von Satz zu Satz mich treiben lassend, schwerelos… Anrührend, komisch, wunderschön!

 

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Anthony Ryan

Das Heer des weißen Drachen

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 699 Seiten

·         Verlag: Klett-Cotta

·         ISBN-13: 978-3608949759

    Originaltitel: The Legion of Flame

 

Für mich zu verwirrend 

 

Zwar ist Fantasy nicht mein bevorzugtes Genre, aber weil mich die Leseprobe zu diesem Buch so fasziniert hatte, wollte ich es unbedingt lesen. Was ich nicht bedacht hatte: Es handelt sich um den zweiten Band zu Draconis Memoria. Band 1 kenne ich nicht. Und hierin mag der Grund für meine Schwierigkeiten mit diesem Buch liegen. Trotz der geschickten Einführung bzw. Rückblick auf den ersten Buchseiten hatte ich erhebliche Mühe, der Geschichte wirklich zu folgen. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass sich ständig neue Wissenslücken auftun und ich mich nicht auskenne. Weiter erschwerend kam für mich hinzu die Angewohnheit des Autors, die Kapitel unvollständig zu beenden und erst viele Seiten später fortzusetzen. Diese Cliffhanger und die fehlenden Vorkenntnisse haben mir das Lesen des Buches ziemlich verleidet.

  

Da ich nicht sicher bin, ob ich den Inhalt mit eigenen Worten richtig wiedergeben würde, nutze ich ausnahmsweise den Klappentext: Jahrhundertelang baute das gewaltige Eisenboot- Handelssyndikat auf Drachenblut – und die außergewöhnlichen Kräfte, die es verleiht. Als die Drachenblutlinien versiegen und Kundschafter ausgesandt werden, um neue Quellen zu entdecken, kommt ein verheerendes Szenario in Gang.
Claydon Torcreek ist einer der Überlebenden der gefahrvollen Reise durch das unerforschte Hinterland des Corvantinischen Reiches. Statt der neuen Blutquellen, die die Zukunft seines Volkes hätten sichern können, entdeckt er jedoch einen Albtraum. Der legendäre Weiße Drache ist aus seinem Jahrtausende währenden Schlaf erwacht und giert danach, die Welt der Menschen in Schutt und Asche zu legen. Und noch schlimmer: Er befehligt eine Armee aus Verderbten, die ihm hörig sind.“

 

 

Eigentlich eine tolle Story, die das Zeug dazu hätte, den Leser mitzureißen. Mich konnte sie leider nicht erreichen. Ich war zu oft verwirrt, wusste nicht, wo ich mich in der Geschichte befand, es fehlten mir Orientierungspunkte, auch emotionale Anknüpfungspunkte. Zu viele Handelnde, zwar immer wieder spannende Episoden, die mich aber nach einer Weile wieder im Unklaren entließen. Für Fantasy-Liebhaber, die es gewohnt sind, in erdachten Universen zu reisen, mag dies alles kein Problem sein. Für mich jedoch war dieses Buch letztendlich wieder eine Bestätigung, dass Fantasy nicht mein Genre ist. Was letztlich nicht der sicher vorhandenen Qualität des Buches angelastet werden darf.

 

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Tessa Korber

Schweig wie ein Grab

 

 

·         Taschenbuch: 256 Seiten

·         Verlag: btb Verlag

·         ISBN-13: 978-3442715954

 

 

Geschmackloses Detail verleidet das Lesen

  

Da ich die zwei Vorgänger-Bände in der Reihe der Bestatter-Krimis der Autorin nicht kenne, kann ich nicht klar sagen, welche Ursachen meine streckenweise beim Lesen entstandene Verwirrung hatte. Unkenntnis der früheren Geschichten? Vielleicht. Das sollte jedoch ein Schriftsteller bei Folgebänden berücksichtigen und notwendige Informationen einstreuen. Oder lag es an der Fülle von Namen, dem Auftreten von Personen, die letztlich keine wirkliche Relevanz für das Geschehen hatten? Auf jeden Fall ist angebracht, das Buch zügig durchzulesen, um nichts durcheinander zu bringen.

 

Die Handlung klingt schauriger als sie tatsächlich ist: Die Bestatter Anders & Anders, Onkel und Neffe, haben eine Vereinbarung mit dem örtlichen Kloster. Eine gestorbene Nonne muss allein vom Bestatter auf dem klostereigenen Friedhof begraben werden ohne Beisein anderer. Aber beim Ausheben des Grabes findet der Bestatter Viktor darin eine „frische“ Leiche… 

 

Das Buch hat sich leicht und schnell lesen lassen, bis auf meine gelegentlich oben erwähnten Verwirrungen. Eigentlich habe ich die ganze Geschichte viel eher als eine Persiflage auf das Krimi-Genre empfunden denn als ernst zu nehmenden Spannungsroman. Dazu wird einfach alles, egal ob Personen oder Geschehnisse, viel zu sehr übertrieben, vom Extrem- Autisten bis zur Kommissarin mit Lust auf Marihuana. Hervorstechend ist für mich eine gute Mischung zwischen humoresken Situationen, schlagfertig-fränkischen Dialogen und spannend bis merkwürdigen Ereignissen. Die einzelnen Charaktere haben mich allerdings psychologisch nicht wirklich überzeugt und waren mir allesamt nicht sympathisch, trotz des permanent durchscheinenden makabren Humors. Was ich jedoch gänzlich ablehne bzw. was mich empört, ist die absolute Geschmacklosigkeit der Autorin, wenn sie Protagonisten Katzen aus dem Fenster werfen lässt, und das mehrfach. Das ist für mich Grund genug, kein weiteres Buch der Autorin zu lesen!

 

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Julie Leuze

Das Glück an meinen Fingerspitzen

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 320 Seiten

·         Verlag: Ravensburger Buchverlag

·         ISBN-13: 978-3473401666

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren

 

 

Weg von der Opfer-Haltung

 

 

Auch als älteres Semester lese ich gerne ab und zu einen Jugendroman, werde oftmals allerdings abgeschreckt von einem hässlichen, der Jugend sich anbiedernden, gruselig schlechten Deutsch. Wie anders hier im vorliegenden Buch: Julie Leuze erzählt eindringlich, bildhaft, in ihren Naturbeschreibungen oftmals fast poetisch schön. Eine Wohltat für jeden Liebhaber gepflegter Sprache. So schön wie der Schreibstil der Autorin, so schön ist auch das Äußere des Buches. Die Covergestaltung und die Haptik des Buchäußeren sind sehr, sehr ansprechend.

  

Worum geht es? Auf einer Insel im Pazifik, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt, treffen zwei Menschen aufeinander, die aufgrund von traumatischen Vorerfahrungen das Vertrauen zu sich selbst und zu ihrer Umwelt verloren haben. Jana aus Deutschland besucht ihren Onkel in der kanadischen Wildnis. Der allerdings verschwindet plötzlich spurlos und Jana bleibt sich selbst überlassen, bis plötzlich ein verletzter junger Mann, Luke, vor der Blockhütte auftaucht. Um zu überleben, müssen sie sich überwinden und sich gemeinsam auf einen langen, beschwerlichen und gefahrvollen Weg durch völlig unberührte Natur machen, Jana voller Angst und Misstrauen, Luke verschlossen, abweisend, auch körperlich schwerer verletzt als gedacht. Doch der Überlebenswille ist stärker und beide wachsen über sich hinaus.

 

Es wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, wodurch man sowohl Jana als auch Luke sehr intensiv kennenlernt. Geschickt lässt die Autorin durch Rückblenden die Vorgeschichten der beiden jungen Menschen erst so nach und nach klarer werden, was einen zusätzlichen Spannungseffekt bietet. Sehr, sehr gut gefallen haben mir die Beschreibungen der unberührten Natur Kanadas, die nicht nur sonnige oder gar romantische Idylle bietet, sondern auch reale Gefahren für Leib und Leben. Die beiden Protagonisten sind sympathisch und psychologisch stimmig ausgearbeitet. Durch die ernsten Hintergrundthemen wird das Buch an keiner Stelle kitschig, besonders da auch immer wieder ein wenig Humor hervorblitzt, auch wenn es sehr viel um Gefühle geht.

  

Einzig enttäuschend war das Ende des Buches, das sehr überhastet und gewaltsam verkürzt daherkam. Das passte so ganz und gar nicht zur vorherigen feinen Erzählweise. Dennoch bleibt in der Summe mein Fazit, dass es sich um ein sehr lesenswertes Jugendbuch handelt, spannend erzählt, leicht und gut zu lesen, dennoch mit Tiefgang und Ernsthaftigkeit und mit einem absolut wichtigen Lebensmotto: weg vom passiven Opfer-Sein hin zum selbstgestalteten aktiven Leben.

 

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Werner Holzwarth

Der kleine Käfer Skarabäus

 

·         Gebundene Ausgabe: 32 Seiten

·         Verlag: Thienemann Verlag

·         ISBN-13: 978-3522458900

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 4 - 6 Jahre

 

 

 

Kreative Käferwelt

 

 

 

Vorneweg: Das Bilderbuch riecht äußerst intensiv, es riecht wie frisch gestrichen – nach grüner Farbe. Und das gesamte Buch ist in der Tat grünlastig. Ocker, Braun, etliche Schattierungen Grün und ein wenig Rosa – mehr Farben gibt es nicht. Ist nicht auch die Welt eines Mistkäfers ein klein wenig bunter? Gefällt dies den Kindern? Nun, der Illustratorin Sabine Kranz ist es in jedem Fall auf perfekte Weise gelungen, eine große Bandbreite an Gefühlen in der Welt der Käfer zu entdecken und „in Szene“ zu setzen. Damit macht sie die grüne Käferwelt vielfarbig in einem tieferen Sinn.

 

In der Welt der Pillendreher geht es recht gleichförmig zu. Wie Fabrikarbeiter am Fließband drehen die Käfer Kugeln und Kugeln und Kugeln. Die Gleichförmigkeit dieser Arbeit springt den Betrachter direkt an, aber auch die Kunstfertigkeit, die durch permanente Übung entsteht, wird im Bild lebendig, und eine gewisse Zufriedenheit, wenn das Werk geschafft und gelungen ist. Skarabäus jedoch bricht eines Tages aus der Monotonie aus und will Würfel drehen, trotz aller durchaus vernünftigen Einwände der anderen Käfer. Und tatsächlich schafft er es, es entstehen verschiedene Würfel, sogar Herzchen gelingen ihm. Auf einmal haben seine Käferkollegen viele Ideen, Würstchen kann Skarabäus drehen oder Igel und alle haben einen Riesenspaß daran, die verrücktesten Ideen in die Tat umzusetzen. Sabine Kranz zeigt die Wandlung in den Gesichtern der Pillendreher, von gelangweilter Gleichförmigkeit hin zu begeisternder mitreißender Kreativität. Bis einer der Käfer die Idee hat, dass man einen Fußball drehen und damit spielen könnte – und plötzlich hat auch Skarabäus wieder Spaß am (Fußball-)Kugeldrehen….

 

Eine schöne Botschaft hat uns der Autor in seiner grünen Welt hinterlassen: Hab Mut, etwas anders zu machen als die anderen. Lass deiner Kreativität freien Lauf. Und hab Freude an allem, was du tust!

 

Und vielleicht sollten wir mal mit unseren Kindern die Käferwelt näher betrachten? Über den Pillendreher gibt es viel Wissenswertes zu erfahren. Warum rollt er Kugeln? Und warum war er im alten Ägypten heilig? Oder wir könnten gemeinsam mit den Kindern ausprobieren, eine rundum runde Kugel zu formen, um dabei zu erfahren, wie schwierig das ist.

 

Wir können aber auch einfach nur Freude an dem schönen Bilderbuch haben, es vorlesen, uns an den Illustrationen erfreuen, eben Freude haben, einfach so.

 

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Eva Meijer

Das Vogelhaus

 

·         Gebundene Ausgabe: 320 Seiten

·         Verlag: btb Verlag

·         ISBN-13: 978-3442757947

·         Originaltitel: Het Vogelhuis

 

Ein behutsames Buch

 

 

 

„Das Vogelhaus“ hat es mir angetan. Es ist zwar ein Roman, aber doch kein richtiger. Es ist eine Biographie, aber auch keine richtige. Und es ist ein Vogelkundebuch, aber auch das kein richtiges. Und genau deshalb, weil das Buch vieles ist, sich nicht festlegen lässt, mag ich es sehr. Immer ist es kurzweilig, man liest und liest, man lässt sich von den Geschichten wegtragen, genießt die teilweise so poetisch schöne Sprache, die nicht viele Worte machen muss, um Kopfbilder zu erzeugen, und wenn man das Buch schließt, ist man völlig unbemerkt und ungewollt zum Vogelbeobachter geworden, mit größter Achtung vor der Natur.

 

Der Autorin ist es gelungen, uns das Leben und Forschen der vergessenen Vogelkundlerin Len Howard (1894-1973) auf eine ganz spezielle, wunderbar kurzweilige Weise näherzubringen. Von Kindesbeinen an hatte Len eine besondere Affinität zur Natur, insbesondere zu Vögeln, aber auch schon sehr früh in ihrem Leben zeigte sich, dass sie sich mehr zur Natur hingezogen fühlte als zu ihren Mitmenschen. Sie lebte als erfolgreiche Geigerin in London, ihre Freizeit jedoch gehörte ausschließlich der Beobachtung und Deutung von Verhalten und Gesang von Vögeln. Der Wunsch, sich ganz diesem Hobby zu widmen, führte schließlich dazu, dass sie sich in ein Cottage weitab von der lauten Großstadt zurückzog und die nächsten 40 Jahre sozusagen in Extremform in Wohngemeinschaft mit Vögeln verbrachte. Über ihre Beobachtungen und Erkenntnisse schrieb sie Bücher und Geschichten. Tragisch zu hören, dass ihr Vermächtnis, ihr Haus dem Sussex Naturalists‘ Trust als Auffangstation zu vermachen, ignoriert wurde, das Cottage teuer verkauft und die Bäume des Gartens abgeholzt wurden.

 

Die Mischung zwischen fiktiven und überlieferten biographischen Szenen aus dem Leben der Vogelforscherin und eingestreuten Geschichten über Sternchen, einer ganz besonderen Kohlmeise, macht das Geheimnis des Buches aus. Auf ganz unspektakuläre Weise gewinnen wir einen Einblick in das Fühlen und Denken eines Menschen, der völlig aufging in seiner wahren Berufung. Die Autorin konnte auf großartige Weise die Faszination des genauen Hinschauens vermitteln einschließlich der Entbehrungen, die die Besessenheit für eine Sache mit sich bringt. Dass ein Mensch, der auf solch intensive Weise mit scheuen Wesen zusammenlebt, zum menschenfeindlichen Einsiedler wird, lässt Eva Meijer völlig wertfrei im Raum stehen. Den eigenen Weg zu gehen mit allen Konsequenzen als eine Möglichkeit, das Leben zu gestalten, das vermittelt Eva Meijer in wunderbarer Weise, so leise und behutsam, wie es die Annäherung an Vögel erfordert.

 

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Rebecca Fleet

Das andere Haus

 

 

·         Broschiert: 352 Seiten

·         Verlag: Goldmann Verlag

·         ISBN-13: 978-3442205592

·         Originaltitel: The House Swap

 

 

Zuviel vom Gleichen

 

Caroline und Francis haben eine schwere Zeit in ihrer Ehe hinter sich. Ein Urlaub soll auf dem neuen Weg zueinander hilfreich sein. Als sie ein Angebot zu einem Haustausch erhalten, greifen sie zu und beziehen voller Pläne für eine Woche das angebotene Haus in der Nähe von London. Caroline jedoch fallen während des Aufenthaltes immer mehr beunruhigende Details im Haus auf, und zwar eigentlich harmlose Gegenstände, die jedoch in Caroline machtvolle  Erinnerungen auslösen. Dazu kommt noch die Angst auslösende Frage, wer der Mensch ist, der nun stattdessen in ihrem eigenen Haus wohnt. Sind Caroline und Francis in eine mysteriöse Falle geraten?

 

Das mit einer interessanten Haptik gestaltete Cover hatte es mir angetan, ebenso der spannend wirkende Plot. Auch entdecke ich stets gerne und offen-neugierig Erstlingswerke. Aber was fand ich vor?

 

In wechselnden Sequenzen erzählen Caroline und Francis in Gegenwart und Rückblenden, also in einem schriftstellerischen Kunstgriff, um Spannung zu erhöhen. Das ist insofern gelungen, als immer wieder in die einzelnen Szenen brotkrumenartige Spuren setzen, ohne dass es dem Leser lange Zeit hinweg gelingt, einen Zusammenhang herzustellen. Auch ist die Autorin zu bewundern, wie sie es schafft, die geschilderten Befindlichkeiten in tausend Bruchstücke zu zerlegen und zu immer neuen Mustern wieder zusammenzusetzen, einer Laterna magica gleich. Das Gute ist aber auch zugleich das Negative. Denn spätestens, allerspätestens nach 100 Seiten beginnt das Buch zu langweilen. Es wird ohne Ende dasselbe erzählt, nämlich eine seelische Verstörung, die sich bei jedem der Beteiligten anders zeigt. Nein, ich mag nicht in endloser Wiederholungsschleife darüber lesen, wie Caroline sich schminkt und Francis im Tablettensumpf dümpelt. Vor allen Dingen mag ich nicht Caroline’s weinerliches Suhlen in Gefühlswirrnissen in zig Variationen lesen. Das Psychogramm eines Betruges hätte viel Potenzial in sich gehabt, aber leider erstickt es sich selbst im Zuviel von Gleichem.

 

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Felipe Fuentes Cruz

Alle lieben Tacos

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 144 Seiten

·         Verlag: Hölker Verlag

·         ISBN-13: 978-3881171939

 

 

 

Sehr, sehr bunt

  

Mit Tacos hatte ich bislang keinerlei „Ess-Erfahrungen“, muss ich zugeben. Insofern war ich besonders neugierig auf dieses Buch und seine Anregungen rund um das Thema Tacos.

  

Schon das Cover und die Gesamtgestaltung des Buches strahlt Lebensfreude aus, bunte Vielfalt, Lebendigkeit, Lust am Leben und am Essen. Ein wenig ungewohnt vielleicht, das mexikanisch bunte Vielerlei. Jede Rezeptseite hat eine andere kräftige Farbe, dazu bunte Food-Fotos auf bunten Tellern und bunte graphische Spielereien dazwischen. 

 

Sehr klein zwar, aber überaus hilfreich, sind ganz zu Anfang die Hinweise auf alternative Zutaten, denn genau die in den Rezepten angegebenen Zutaten sind das eigentliche Problem des Buches. Ich lebe in einer Kleinstadt mit einem überschaubaren Lebensmittel-Angebot. Es ist also unmöglich, an Chipotle-Sauce zu kommen oder an Queso Fresco oder an Habanero-Chilischoten usw. Also bleibt nur, die Rezepte so gut es geht mit dem in unserem Ort vorhandenen Warenangebot umzusetzen.

  

Die Rezepte sind sehr gut und ausreichend ausführlich beschrieben. Auch Verarbeitungs-Details, die in anderen Kochbüchern mitunter vorausgesetzt werden, sind aufgenommen, sodass das Nachkochen ohne Schwierigkeiten möglich ist. Sehr positiv ist mir auch aufgefallen, dass bei jedem Rezept die geschätzte Personenzahl, für die die Rezeptmenge ausreichend ist, dabei steht. Was mir persönlich jedoch fehlte, sind Zeitangaben, d. h. wieviel Zeit benötigt das Herstellen einer Salsa de pina insgesamt.

 

Ich habe die Tacos de tinga de pollo nachgekocht, da mir One-Pot-Gerichte generell gut gefallen, allerdings ohne Chipotlepaste (da bei uns nicht erhältlich), habe stattdessen eine handelsübliche Chili-Sauce genommen. Das Rezept ist nichts für die schnelle Küche, aber der Geschmack war ganz großartig. Auch das Rezept Tacos de huevos y jamon ist mir gut gelungen, wobei mir auch hier der Arbeitsaufwand für ein Frühstück zu groß war. Wir haben die Tacos lieber als sattmachendes Abendessen gegessen. 

 

Das Buch enthält von Häppchen über Fisch über Vegetarisches, Salate, Desserts bis hin zu Drinks eine gelungene Mischung von meinem Gaumen nicht vertrauten Geschmackserlebnissen. Weil mir die beiden ausprobierten Rezepte gut gelungen sind, werde ich, um weitere Rezepte nachkochen zu können, bestimmte Zutaten über das Internet bestellen. Auf jeden Fall macht das Buch Lust auf Experimente!

 

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Tatjana Kruse

Meerjungfrauen morden besser

 

·         Taschenbuch: 314 Seiten

·         Verlag: Insel Verlag

·         ISBN-13: 978-3458363552

 

 

In Humortinte getauchte Ideenfeder

 

Wichtige Empfehlung vorab: Wenn Sie im Großraumabteil eines Zuges sitzen oder im Wartezimmer eines Arztes und Ihnen ist langweilig, nehmen Sie bitte keinesfalls das Buch „Meerjungfrauen morden besser“ zur Hand! Bitte nicht! Zwar beginnen Sie erst einmal mit gebührendem Ernst das Lesen, aber bereits nach Konsumieren der achten Zeile auf der ersten Seite fangen Sie zu prusten an. „Statt zu bluten, bröselte er (der Kopf).“  Und ich schwöre Ihnen, Sie hören nicht mehr auf zu giggeln, zu lachen, verstohlen oder herzhaft laut, zu grinsen, und das alles durcheinander. Die Mitreisenden oder Mitwartenden werden Sie ansehen, als hätten Sie eine besonders schlimme, sicher nicht heilbare Erkrankung, es treffen Sie Blicke zwischen Mitleid und Abscheu, sogar Kopfschütteln ist möglich. Also lesen Sie dieses Buch nur diskret in abgeschlossenen Räumen – zu Ihrer eigenen Sicherheit!

 

Die K&K-Schwestern Konny und Kriemhild durfte ich bereits in einem früheren Buch kennenlernen. Schon da hatte ich Lachmuskel-Muskelkater davongetragen. Bei den neuen Erlebnissen der beiden erging es mir ähnlich, vielleicht ein ganz klein bisschen weniger schlimm, schon wegen der Vertrautheit mit den Protagonisten, aber auch, weil die Geschehnisse in diesem Buch mitunter ein wenig über das Ziel hinausschießen. Die Pension der beiden Schwestern wird verwüstet und die drei Täter verlangen, dass ihnen die Millionen ausgehändigt werden, die der längst verstorbene Kommodore, der verblichene Gatte von Kriemhild und ehemaliger Kapitän, ihnen vermeintlich schuldet. Da die Pension nicht mehr zu bewohnen ist und die Wahrheit gesucht werden will, reisen Konny und Kriemhild samt dem Nacktkater Amenhotep nach Hamburg und lernen dort ungeahnte Seiten des Lebens kennen…

 

Doch lassen wir die Handlung außen vor. Lieber möchte ich die Autorin rühmen. Sie spielt in genialer Weise mit der Sprache, beobachtet dabei genau und entlarvend hinter all dem durchaus spannenden Unsinn, den sie uns da erzählt. Da „ganzkörperzitterte“ es oder es „scherbelte“, einfach nur wunderbar!  Und welche Frau kennt ihn nicht, den Unter-Busen-Schweiß? Dass der Sphinxkater Amenhotep mangels Fellbehaarung einen Babystrampler mit Harley-Davidson-Logo trägt, wundert den Leser da schon gar nicht mehr. Ich sehe stets die Autorin an ihrem Schreibtisch sitzen und mit unbandigem Spaß mit all ihren wunderbaren, abstrusen, schrägen und urkomischen Ideen spielen. Und nur sie konnte die Grabinschrift auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise in der ihr eigenen Weise wiedergeben: „Mir ist jetzt schon langweilig, und das soll bis zum Jüngsten Tag so weitergehen?“

 

Mit Tatjana Kruse im Gepäck wird es jedenfalls niemandem langweilig, schon gar nicht den Lachmuskeln…

 

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Karin Heimberger-Preisler

Flower Ladies

 

·         Gebundene Ausgabe: 192 Seiten

·         Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt

·         ISBN-13: 978-3421040916

 

 

 

Wunderschön und inspirierend

 

 

Die recht konventionelle Gestaltung des Covers sowie Titel und Untertitel wirkten auf mich nur mäßig interessant. Ich ging davon aus, dass ich die Lebensläufe von ein paar Floristinnen zu lesen bekäme, wie man es auch von Zeitschriften her kennt. Als ich das Buch jedoch aufschlug, war ich bereits von der Schönheit des allerersten Fotos auf Seite 2 so fasziniert, dass ich begann, mich intensiver mit dem Buch zu beschäftigen.

 

Die Liebe zu Menschen und zu Blumen hat die Autorin Karin Heimberger-Preisler zu der Idee gebracht, aus ihren bevorzugten Instagram-Accounts den dahintersteckenden Frauen nachzuspüren, sie zu besuchen, zusammen mit der genialen Fotografin Wei Ling Khor. Sie reisten einen ganzen Sommer lang durch die Lande und ließen sich zuhörend und fotografierend faszinierende, beeindruckende Lebensgeschichten erzählen. Wir lernen zum Beispiel Olga, die Blumenweberin, kennen, Veselka, die Pflanzen-Stickkünstlerin oder Florence, die ungewöhnliche Blumensträuße in Jutemäntelchen verpackt mit dem Fahrrad ausliefert. Jede der 20 vorgestellten Frauen hat einen besonderen Zugang zu Blumen, zu Pflanzen, zur Natur und hat einen jeweils ganz individuellen Weg gefunden, aus ihrer Leidenschaft eine berufliche Basis zu schaffen. Der Autorin ist es gelungen, die einzelnen Persönlichkeiten, ihren Werdegang und ihr Umfeld äußerst lebendig und sympathisch darzustellen. Jedes Porträt endet mit einem besonderen Expertinnen-Tipp, zum Beispiel zum richtigen Sträuße-Binden oder Hilfen für wirkungsvolle Blumenfotografien und vieles mehr.

 

Was dieses Buch zu einem wirklichen Kleinod macht, sind in Ergänzung zu den interessant zu lesenden Texten die großartigen Fotos von Wei Ling Khor. Sie ist eine wahre Künstlerin! Ihr gelingt es, sowohl die einzelnen Geschäftsfrauen in ihrer lebendigen Kreativität darzustellen als auch in einmalig schönen Fotos von Blumen-Arrangements, die teilweise wie Gemälde aus dem 17. Jahrhundert wirken, die Liebe zu Blumen und Pflanzen in den Mittelpunkt zu rücken.

 

Ein wunderschönes inspirierendes Buch, das Mut zur eigenen Kreativität macht.

 

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Jessie Burton

Das Geheimnis der Muse

 

 

·         Broschiert: 461 Seiten

·         Verlag: Insel Verlag

·         ISBN-13: 978-3458363293

·         Originaltitel: The Muse

  

 

Ein Buch wie ein opulentes Gemälde

 

Zwei Handlungsstränge fangen den Leser sofort ein. In den sechziger Jahren kommt die junge farbige Odelle Bastien aus Trinidad nach London in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Während sie erst einmal trotz Hochschulstudium als Schuhverkäuferin ihre Tage fristet, träumt sie davon, Schriftstellerin zu werden. Als sie einen Job in der renommierten Kunstgalerie Skelton ergattert, fühlt sie sich aufgewertet, umso mehr, als Quick, eine leitende Mitarbeiterin, sie unter ihre Fittiche nimmt und ihr Schreibtalent fördert. Als ein seit dem Spanischen Bürgerkrieg verschollenes Gemälde auftaucht, wird Odelle’s Leben zunehmend auf den Kopf gestellt…

 

Im zweiten Handlungsstrang befinden wir uns 30 Jahre früher im heißen Andalusien, wohin sich die Familie Schloss vor den politischen Wirren in Wien geflüchtet hatte. Olive, die 19-jährige Tochter, ist eine überaus begabte junge Malerin, die sich jedoch von ihrem Talent nichts verspricht, denn „nur Männer können Kunst erschaffen“.  Ihr Vater, ein bekannter Wiener Galerist, weiß nichts von den künstlerischen Ambitionen seiner Tochter. Olive begegnet dem Revolutionär Isaac Robles. Auch er malt… 

 

Odelle berichtet in Ich-Form aus ihrem Leben und kommt damit dem Leser schnell sehr nahe. Sie erlebt zwar Diskriminierung, arbeitet weit unter ihrem Niveau, aber sie klagt nicht, sondern gibt das Streben auf Verwirklichung ihres Lebenstraumes nicht auf. Mit wachem Herzen und offenen Augen, immer aber auch mit einer gewissen inneren Distanz, beobachtet Odelle ihre Umwelt, ihre Mitmenschen, sehr genau und wir, die Leser, mit ihr. Eine immanente Spannung baut sich auf, weil man sehr schnell versucht, eine erklärbare Brücke zwischen 1936 und 1967 zu spannen.

 

Die Sequenzen in Andalusien werden von einem neutralen Beobachter erzählt, dennoch rücken sie nicht, wie vielleicht zu erwarten wäre, dadurch in Distanz zum Leser. Im Gegenteil, für mich waren die Erzählstränge rund um Olive sehr intensiv in ihrer Wirkung, gerade durch das schwülheiße Klima, das mit schwülheißen Begierden korrespondiert und meisterhaft geschildert wird.

 

Durch die jeweils relativ langen Zeitsequenzen verlor ich mich beim Lesen völlig in die Schilderungen der Geschehnisse von jeweils 1967 und 1936 und musste, besonders wenn ich das Lesen vorher unterbrochen hatte, erst wieder den Anschluss finden, was mir aber dank des großartig-eindringlichen Schreibstils der Autorin zügig gelang.

 

Mich hat tief beeindruckt, wie Jessie Burton es versteht, mit Worten zu malen, wie sie den Aufruhr von Farben und Formen in Worte fassen kann. Allein schon ihre Bildbeschreibungen sind so intensiv und aussagekräftig, dass man meint, das Bild vor Augen zu haben. Das Buch selbst ist wie ein Gemälde, und die erzählten Szenen sind weitere Gemälde, teils leichte Skizzen, teils Farbexplosionen, teils aquarellfeine Momentaufnahmen. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, Raum um Raum einer Gemäldegalerie zu durchwandern und von Gefühlsfarben geradezu berauscht zu werden. Ich sah oftmals die Protagonisten wie im Bild festgehalten, als Stillstand im Durchleben von Gefühlsmomenten, Stimmungen und unausgesprochenen Gedanken. Zum Ende hin wird die Geschichte rund um Odile zur griechischen Tragödie, zum unausweichlichen Schicksal, und das Leben von Odelle verknüpft sich in dramatischer und atmosphärisch dichter Weise mit den früheren Ereignissen in Andalusien. Das Buch ist ein wunderbar opulentes Gemälde,  großartig in Wortmalerei gesetzt.

 

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René Freund

Ans Meer

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 144 Seiten

·         Verlag: Deuticke Verlag

·         ISBN-13: 978-3552063631

 

 

Ein feinsinnig-humoriger Roman, der zu Herzen geht

 

  

Anton ist Fahrer eines Linienbusses. Tagaus tagein steigen Dorfbewohner und Schulkinder ein und aus. Anton legt Wert auf anständiges Grüßen seiner Fahrgäste, denn seiner Meinung nach ist sogar an der Himmelspforte ein höfliches Grüß Gott angebracht. Essen ist sein größtes Hobby. Ohne Butterbrezen wäre das Leben in seiner Routine nicht erträglich, umso mehr, wenn man eine Mutter hat, die Mechthild heißt und sich auch so benimmt. Seit einiger Zeit jedoch ist Anton verliebt, und zwar in Doris, eine Nachbarin, obwohl gestern Nacht auf deren Balkon ein fremder Mann hustete. Und dann bereitet der Chef auch noch Antons baldige Entlassung vor. Am Tag darauf steigt die krebskranke Carla in den Bus und fordert vehement, dass sie ein letztes Mal das Meer sehen möchte, jetzt und gleich.  Anton steht vor der Herausforderung seines Lebens: Soll er einmal im Leben abweichen vom Kurs, einmal die Monotonie des Alltags durchbrechen und Mut beweisen?

 

Eine bunte Mischung von Fahrgästen befindet sich im Bus. Neben der krebskranken Carla und ihrer kleinen Tochter, die ganz selbstverständlich mit der Krankheit und den Einschränkungen der Mutter umgeht, sitzt unfreiwillig die demente Frau Prenosil im Bus, die von Eva, der man ihre soziale Ader gar nicht zugetraut hätte, geschickt durch alle Tücken des Tages geführt wird. Aber auch Totti, das Kaninchen, und die Geschwister Helene und Ferdinand werden ungewollt Teil einer Reisegruppe, die um Anton geschart etwas erlebt, was mit Mut zu tun hat, mit dem Wagnis, ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen, und mit dem Lernen, Verständnis füreinander in all unserer Unterschiedlichkeit aufzubringen.

 

René Freund hat uns mit einem überaus liebenswerten Kurzroman beglückt, der einem Märchen gleich alles mit sich bringt, was uns zum Nachdenken über das Leben, über das was wichtig ist im Leben, herausfordert. Der Autor versteht es, eine perfekte Mischung aus Märchen, Roadmovie, Unterhaltungsroman und Humoreske zu mixen und dies alles mit einem verhaltenen Schuss Tiefgang zu würzen. Dazu in einer so feinsinnigen Sprache, die in schlichten Sätzen scheinbar harmlos vor sich hin plaudert und durch das Prisma unterschiedlichsten Humors von gemein bis schlitzohrig, von entlarvend bis emotional, immer aber treffsicher, oft eine tiefe Traurigkeit verdeckend, mitten hinein in unser Herz zielt. „Manchmal muss man vielleicht ein bisschen von der Linie abweichen, um das Glück zu finden.“ Wie wahr!

 

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Lukas Rietzschel

Mit der Faust in die Welt schlagen

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 320 Seiten

·         Verlag: Ullstein Hardcover

·         ISBN-13: 978-3550050664

 

 

Weiterhin bleibe ich ohne Verständnis für ostdeutsches Befinden

 

 

Dass der Autor erst 23 Jahre alt ist, hat mich überaus erstaunt. Zum einen wegen des Schreibstils, der eine eindringliche Wirkung hat, teilweise geradezu poetisch zu nennen ist. Aber auch wegen einer über allem liegenden Hoffnungslosigkeit im Buch, die man von einem jungen Menschen wie dem Autor nicht erwarten würde. 

 

Wir befinden uns in Sachsen wenige Jahre nach der Wende. Tobias und Philipp sind Brüder, ihre Eltern starten mit einem Hausbau in ein neues Leben. Doch die DDR-Vergangenheit lässt sich nicht leugnen. Sie scheint über das Land einen permanenten Schatten der Perspektivlosigkeit geworfen zu haben, der die Menschen in eine uneingestandene Angst treibt, was nicht zuletzt am Thema Flüchtlinge in Wut umschlägt.

  

Ich konnte mit dem Buch wenig anfangen, auch wenn es gut zu lesen war. In seiner Tristesse war es mir als immer schon im Westen lebend keine Hilfe, auch nur einen Funken Verständnis zu entwickeln für die geschilderten Probleme der Menschen im Osten. Im Gegenteil. Das Buch machte mich zornig. Diese immanent passive Erwartungshaltung, „es“ möge besser werden, irgendwie, irgendwann, irgendwer soll es richten, das bessere Leben, das macht mich zornig. Das Leben selbst in die Hand zu nehmen statt nur Bier zu trinken und herumzuhängen, scheint wohl keine Option zu sein. Und die Schuld sucht man bei anderen, natürlich. Auch das macht mich zornig. Der Autor schildert eine Welt, die lethargisch und stoisch auf dem Elend des Alltags beharrt. Die chronische Grausicht, dieser nicht wegwischbare Grauschleier, der über allem liegt, und diese so unreif wirkende Schuldsuche bei anderen, zum Beispiel beim Thema Flüchtlinge, wurde mir vom Autor nicht wirklich nachvollziehbar erklärt. Ich weiß nicht, wofür dieses Buch gut sein soll. Höchstens vielleicht als Chronik des Scheiterns, wenn Menschen nicht gelernt haben, selbstverantwortlich zu handeln, sich Ziele zu setzen, Idealen nachzustreben. Verständnis für ostdeutsches Befinden hat mir das Buch jedenfalls nicht gebracht, eher noch mehr Kopfschütteln…

 

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Deb Spera

Alligatoren

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 432 Seiten

·         Verlag: HarperCollins

·         Sprache: Deutsch

·         Originaltitel: Alligator

 

Starkes, großartig erzähltes Südstaaten-Epos

 

Der überaus starke Buchbeginn nimmt sofort gefangen, und dieser Einstieg in seiner Intensität, auch in seiner Grausamkeit und Unabdingbarkeit zeigt, wohin die Geschichte zielt: auf die enorme Stärke von Frauen, wenn sie sich verbünden, egal woher sie kommen, egal welche Vorgeschichte sie mit sich herumschleppen, egal welche Sehnsüchte sie antreibt. Freiheit und Selbstbestimmung als Selbstverständlichkeit des Lebens sind die nicht ausgesprochenen Ziele.

 

Wir befinden uns in den Südstaaten in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und tauchen ein in das Leben von drei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Gertrude hat einen brutalen, gewalttätigen Ehemann und vier Töchter, die sie nicht ernähren kann. Oretta ist die schwarze Haushälterin von Annie Coles, hat eine scharfe Beobachtungsgabe und willigt ein, eines der kranken Mädchen von Gertrude zu pflegen. Als dritte Frau lernen wir Annie Coles kennen, Ehefrau des Tabakplantage-Besitzers. Sie führt eine Näherei für Getreidesäcke und will ihr Geschäft mit der Anfertigung von Herrenhemden und Damenbekleidung ausweiten, jedenfalls solange ihr Ehemann ihr dies erlaubt.

  

In wechselnden Kapiteln berichten diese drei Frauen jeweils als Ich-Erzählerin ihre Geschichte, was von der Autorin gekonnt durch unterschiedliche Schreibstile, passend zum Bildungsgrad, ausgedrückt wird. In ruhiger, unaufgeregter Erzählweise wird uns jede der drei Frauen nahe gebracht, und zwar auf eine subtil so eindringliche Weise, dass man als Leser Seite um Seite liest, von einer merkwürdigen, nicht erklärbaren Spannung getragen. Die Schwüle des Klimas in Sumpfnähe, die Beklemmung der Lebensumstände, Rassismus, häusliche Gewalt – viele große Lebens- und gesellschaftskritische Themen werden wohltuend zurückhaltend in die Geschichte eingewoben. Ein detailreich und lebendig ausgearbeitetes Südstaaten-Epos in drei „Variationen“, in drei Perspektiven, großartig erzählt, lange nachwirkend. 

 

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Barbara Iland-Olschewski

Tiergeister AG Achtung gruselig

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 160 Seiten

·         Verlag: Ars Edition

·         ISBN-13: 978-3845820422

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 8 - 10 Jahre

 

 

Tod von Haustieren als Spukgeschichte geeignet?

 

 Rauhaardackel Arik tapert orientierungslos nachts durch den Wald, sein kleines Herzchen voller Sehnsucht nach seinen Menschen Jette und Tim. Wie war er nur in diesen Wald gekommen? Wie sollte er nach Hause finden? Und dann plumpst er auch noch in ein Erdloch. Mit seinen kurzen Beinchen hat er keine Chance, sich von dort zu befreien. Aber da naht Rettung: fünf ziemlich seltsame und irgendwie kaputte Tiere holen Arik aus der Erdhöhle und nehmen ihn mit zu ihrer Geisterschule Spuk Ekelburg, die am Tag die ganz normale Menschenschule Sankt Ethelburg ist. Nach und nach wird Arik klar, dass seine neuen Freunde alle tot sind und nachts in ihrer Schule das Geistern und Spuken lernen. Und ja, Arik ist auch tot. Er erinnert sich jetzt, dass er ohne Leine über die gefährliche Straße gelaufen war und ein Auto rasend schnell angekommen war… Seine neuen Tierfreunde und er schließen sich zu einer Tiergeister AG zusammen, um sich gemeinsam gegen ihre recht fiesen Spuklehrer zu stellen.

 

Das Buch lässt mich etwas ratlos zurück. Vielleicht beginne ich mit den Illustrationen, die meiner Meinung nach sehr gut gelungen sind. Sie sind kindgerecht, humorvoll im Ausdruck, und die Beschädigungen der Tiere (Loch im Körper, heraushängendes Auge usw.) sind relativ unauffällig eingezeichnet, nicht abstoßend oder erschreckend. Auch gut gefallen mir die Grundthemen wie Freundschaft oder Zusammenhalt, weil jeder das, was er kann, zur Gemeinschaft beiträgt.  Gut auch, dass das Buch mit sehr viel Sprachwitz geschrieben ist, ideenreich, lebendig. Ratlos macht mich das Buch allerdings, was das Alter der Zielgruppe betrifft. Meines Erachtens enthält das Buch viel zu viele Namen, zu viele Personen, zu viele schwierige Begriffe, zu viele Handlungsstränge, als dass 8- bis 10-jährige Kinder wirklich gut damit zurechtkämen. Am Schlimmsten jedoch empfinde ich persönlich den traurigen Grundgedanken der Geschichte, dass nämlich alle Tiere tot sind, tot bleiben und kein einziger Satz für die traurigen Tierbesitzer, bei Arik z. B. Jette und Tim, übrig ist. Für mich bleibt sehr fragwürdig, ob man für Kinder dieses Alters den Tod von Haustieren auf diese Weise thematisieren oder besser gesagt benutzen kann für eine an sich gut erdachte Spukgeschichte.

 

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Dagmar Henze

Kuno ist knallwach

 

 

·         Pappbilderbuch: 22 Seiten

·         Verlag: Coppenrath

·         ISBN-13: 978-3649627777

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 24 Monate - 4 Jahre

 

Mit Soundeffekt

 

 

Zauberhaft, einfach nur zauberhaft

 

 

Schlafenszeit. Stille Zeit. Mäuschen, Maulwurf, Pilz und Eule – alle schlafen. Nur Kuno Bär nicht. Wach ist er, knallwach ist er. Das Wort allein schon macht noch wacher als wach. Und weil er nicht schlafen kann, legt Kuno seinen Schal um und tappst ins Freie auf der Suche nach Spielkameraden. Aber alle, alle wollen nur schlafen, Familie Borstelmann genauso wie Dösbert Dachs. So langsam wird es Kuno kalt und das Denken fällt immer schwerer. Und genau jetzt weiß er, wo er hin möchte…

 

Eine wunderschöne Gute-Nacht-Geschichte hat uns Dagmar Henze hier geschenkt. Auf den liebevoll gestalteten Seiten ist viel, sehr viel zu entdecken. Das Licht der Glühwürmchen lässt die Nacht gar nicht so finster sein. Den Schweinchen-Kindern im Bettchen sieht man das wohlige Schlafgefühl an. Ein vorwitziges Amsel-Kind riskiert neugierig ein Auge.  Und all die kleinen Tiere, die vom stolpernden Kuno aufgeschreckt sind… Das genaue Hinschauen und die Begegnung mit den schlafenden Tieren macht nach und nach müde, sehr müde. Und als sich schließlich die letzte Seite des Buches aufschlägt und Kunos seliges Schnarchen ertönt, fallen auch uns die Augen zu.

 

Ein ganz und gar stimmiges, gefühlvolles Bilderbuch mit Bildern, die das Herz auf- und die Augen zugehen lassen.

 

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Melanie Levensohn

Zwischen uns ein ganzes Leben

 

 

·         Broschiert: 416 Seiten

·         Verlag: FISCHER Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3596702718

 

 

 

Zu leichtfertig und zu konstruiert

 

 

Was ist dieses Buch? Ein Stück erzählte Zeitgeschichte? Ein Liebesroman? Beides? Oder nichts davon? Ich bin mir sehr unsicher…

  

Die Autorin wurde nach ihren eigenen Angaben angeregt durch die Lebensgeschichte einer entfernten Verwandten, die in Auschwitz ermordet wurde. So erzählt die jüdische Studentin Judith in der Ich-Form ihre Geschichte in Paris von 1940 bis 1943, als sie, in großer Liebe mit Christian verbunden, von ihm vor den Judenverfolgern versteckt wird. In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir Béatrice kennen, im Jahr 2006 in Washington lebend, Karrierefrau, teure Designer-Kleidung, in einer unbefriedigenden Beziehung lebend. Sie bekommt Kontakt zu Jacobina, die ihr Leben lang versäumt hat, ein einstens ihrem Vater gegebenes Versprechen einzulösen, nämlich ihre unbekannte Halbschwester zu finden. Béatrice will ihr bei der Suche helfen. So weit so gut.

 

Der Schreibstil des Buches ist sehr ansprechend, leicht lesbar und enthält zahlreiche sehr intensiv nachwirkende Szenen. Die Protagonistin Judith rückt dem Leser nahe, eben aufgrund der in Ich-Form geschilderten Erzählweise. Und natürlich ist das Schicksal einer jungen jüdischen Studentin zur Zeit der Judenverfolgung bewegend. Dennoch gäbe es hier bereits den einen oder anderen Kritikpunkt anzubringen, doch dazu später mehr.

 

Die anderen Akteure des Buches werden aus der Über-Sicht der Autorin geschildert und rücken damit automatisch im Vergleich zu Judith in eine gewisse Distanz zum Leser. Ich halte dieses gewählte Stilmittel zweier unterschiedlicher Erzählperspektiven nicht für sehr glücklich bzw. mir erschließt sich nicht deren Sinn. Von der angelegten Handlung her wären alle Personen in gleicher Weise in den Focus zu rücken gewesen, nicht die eine näher, die anderen ferner.

 

Meine eigentliche und für mich wesentlichste Kritik ist jedoch, dass keine der Personen wirklich psychologisch fundiert dargestellt wird. Judith ist eine Studentin, es ist also von einer intelligenten, interessierten Person auszugehen. Im Buch jedoch wirkt sie naiv, politisch desinteressiert, oberflächlich und – ach – von den Ereignissen der Zeit völlig überrascht.  Sie raucht ohne irgendeine Hemmung in ihrem Versteck, ohne darüber nachzudenken, dass sie damit nicht nur sich, sondern auch ihre Helfer in Gefahr bringt. Sie quält Christian kindlich-unreif und undankbar mit eifersüchtigen Gedanken. Mir fehlt die Ernsthaftigkeit, die immanente Angst jüdischen Lebens und das politische Bewusstsein intelligenter Menschen zu dieser Zeit. Und warum wundert es mich jetzt nicht, dass die Geschichte Judiths weitergeht, wie man es aus den Tagebüchern der Anne Frank kennt? Hätte der Autorin nicht etwas mehr einfallen können als dieser Anne-Frank-Abklatsch?

 

Béatrice ist ein oberflächliches ich-bezogenes Luxusweibchen, hat einen verantwortungsvollen Job, der eigentlich auch Intelligenz voraussetzen würde, erhält bestes Gehalt, lässt sich dennoch quälen sowohl von ihrem Chef und ihrem Freund, benimmt sich wie ein willenloses Opfer und lässt sich mal eben „im Vorübergehen“ auf der Straße durch einen hingeworfenen Satz dazu bringen, am nächsten Tag bereits ehrenamtlich bei einer alten schmuddeligen  Frau in einer schmuddeligen Wohnung ekligen Abwasch zu übernehmen? Und natürlich folgt dann zur Krönung eine Liebesgeschichte, die ebenso unrealistisch erdacht ist wie alles vorherig Erzählte. 

 

Ich finde es extrem schade, dass eine eigentlich interessante Geschichte, geschrieben von einer Autorin, die, wie man an einzelnen Szenen erlebt, durchaus lebendig-eindringlich erzählen kann, an allzu viel Konstruiertem und Künstlich-Klischeehaftem kaputt geht und wie die Entsetzlichkeit eines finsteren Kapitels der Zeitgeschichte auf billige Weise für einen Roman benutzt wird, dem es leider, leider an der angemessenen Tiefe fehlt.

 

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Guido Maria Kretschmer

Das rote Kleid

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 256 Seiten

·         Verlag: Goldmann Verlag

·         ISBN-13: 978-3442314898

Hörbuch

gelesen von Guido Maria Kretschmer, Katharina, Anna und Nellie Thalbach

 

 

 

Bin ruck-zuck zum Stoffling geworden

  

 

Alle lieben Guido Maria Kretschmer. Wo immer er auftaucht, fliegen ihm die Herzen zu aufgrund seiner sympathischen und respektvollen Art. Und genauso ergeht es auch dem Leser dieses Buches, denn es ist ebenso sympathisch, rundum liebenswert, eben ganz und gar eine Kreation von Guido Maria Kretschmer.

  

Ausnahmsweise bemühe ich den Klappentext zur Inhaltsangabe: Anascha ist ein wunderschönes rotes Kleid aus Seide. Sie hängt an einem Filmset in der Garderobe und wartet gespannt auf ihren Auftritt. Aber Anascha ist noch ein junges Textil, und so ist sie froh, dass sie in guter Gesellschaft ist: Da gibt es Eric, den alten Mantel, der bald ihr engster Vertrauter wird, ein liebenswertes Nachthemdchen, das immer vom Bügel stürzt, oder Lulu, das charmante Revuekleid aus Las Vegas. Nur gut, dass sie alle zusammenhalten wie aus einem Garn genäht, denn bald müssen sie so manche Herausforderung meistern. Und vielleicht gelingt es Anascha am Ende sogar, ihren großen Traum zu erfüllen – ein richtiges Zuhause zu haben und einen Menschen, der sie wirklich liebt, für immer …

  

Mich hat in allererster Linie fasziniert, mit welch ideenreichen Wort- bzw. Satz-Schöpfungen der Autor die Welt „des Textils“ zu schildern versteht. Da schließen sich die müden Knopflöchlein, da muss man dem eingebildeten Dior-Kleid den kalten Saum zeigen und dass Kleider ein Herz aus Fäden haben, versteht sich von selbst. Je länger man mit Anascha, dem roten Kleid, die Zeit verbringt, desto mehr entsteht tatsächlich so etwas wie eine neue Achtung vor Kleidung, man wandelt sich zunehmend zum „Stoffling“.  Wir verstehen plötzlich, dass Kleider geliebt werden möchten, dass sie sich sehnen nach Wärme, nach Bügelwärme, und dass sie ihre Energie ziehen aus unserer Aufmerksamkeit und Pflege.

  

Die Hörbuch-Version ist ein Highlight! Dass Guido Maria Kretschmer so feinfühlig lesen kann, hätte ich nicht erwartet. In der Kombination mit den drei Generationen Thalbach, die gewohnt großartig und sehr differenziert gestalten, gewinnt das Buch noch mehr an eindringlicher Lebendigkeit. Ein ideenreicher, feiner Spaß!

 

Einziger Minuspunkt: Dass die weiße Bluse aus Wuppertal spricht, als sei sie aus Köln, ist leider ein grober Fehlgriff. Wer immer dies zu verantworten hat, sollte zu einem Sprachkurs in Wuppertal verdonnert werden!

 

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Anna Herzog

Agalstra

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 288 Seiten

·         Verlag: Coppenrath

·         ISBN-13: 978-3649624516

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre

 

Die Kraft der Fantasie

 

 

 

Noch selten habe ich ein so außerordentlich schön gestaltetes Jugendbuch gesehen! Das Cover mit seinem ausgestanzten Fenster und Ausblick auf eine nächtliche, mondbeschienene Festung, dazu die schimmernde, silberne Schrift – wunderbar! Im Inneren ist die Kombination von schwarzen Seiten mit weißer Schrift und umgekehrt  und Kapitelanfänge, die sich wie ein schwarzer Samtvorhang öffnen, ein zusätzlich schönes und zum Text perfekt passendes Gestaltungselement. Besonders ausgewählte Zitate großer Menschen als Wegweiser in die einzelnen Buchteile hinein runden die gelungene Gesamtgestaltung des Buches ab und sind ein weiteres Markenzeichen für den Coppenrath Verlag, dem liebevolle Buchgestaltungen spürbar am Herzen liegen.

 

Die erzählte Geschichte hat viel Geheimnisvolles. Merle und Felix nehmen zusammen mit anderen Kindern an einem Theater-Workshop teil, und zwar in den Mauern einer alten Burg, in der Unheimliches in der Luft liegt. Schon allein der alte Burggraf wirkt angsteinflößend. Das Gemälde einer jungen Frau, deren Augen den Betrachter zu verfolgen scheinen, beeindruckt Merle zutiefst. Und was geschieht da Seltsames mit den Kindern, wenn sie in die gefundenen Kostüme schlüpfen und sich das Theaterstück sozusagen von selbst und von den Kindern nicht steuerbar spielt?

 

Anna Herzog erzählt detailreich, ohne zu langweilen, Geheimnisse andeutend, ohne sie zu offenbaren. Ihr Schreibstil ist sehr lebendig, mit feinem Humor gewürzt und mit großer Einfühlung für das, was Kinder bewegt und fasziniert. Die Geschichte ist vergnüglich und schaurig in einem, immer aber spannend erzählt. Zwar verliert sich die Handlung zwischendrin ein wenig in sich selbst, verirrt sich quasi in den Erzählebenen, wobei ich allerdings gerne wüsste, ob Kinder dies beim Lesen auch so empfinden. Vermutlich liegt es eher an der Verkopftheit von Erwachsenen, die sich nicht so leicht unkritisch in fantasievolle Umwege fallen lassen können. Im Gesamten betrachtet bleibt für mich als Fazit, dass die Autorin es auf großartige Weise schafft, zwischen Realität und fantastischem Geschehen zu spielen. In überraschenden Übergängen wechselt sie die Welten und man liest und ist sowohl im Hier und Jetzt beim Kartoffelsuppe-Essen als auch zwei Buchseiten weiter in einer Anderswelt, in der Orte und Zeiten durchlässig werden. Besser kann man gar nicht die Botschaft verpacken, dass „Theater ein Stück Traum zum Mitnehmen“ ist und welch immense Kraft die Fantasie besitzt.

 

Für mich sowohl gestalterisch als auch inhaltlich ein Ausnahme-Buch!

 

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Debbie Macomber

Eine Schachtel voller Glück

 

 

·         Taschenbuch: 416 Seiten

·         Verlag: MIRA Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3956498060

·         Originaltitel: Twenty Wishes

 

  

Gefühlvolles Lesefutter

 

 

 

Da bin ich also wieder in der Blossom Street gelandet, zum zweiten Mal schon, mit fast heimatlichen Gefühlen. Wobei mir, dies gleich vorweg angemerkt, dieser Band erheblich besser gefiel als „Der Sommer der Wünsche“. Beim letzten Buch hatte mich meine Leidenschaft für das Stricken in Lydias Wollladen „A Good Yarn“ geführt, dieses Mal führt mich meine Liebe zu Büchern direkt in den Buchladen von Anne Marie Roche.

 

Anne Marie ist, wie mehrere Teilnehmerinnen ihres Lesekreises, Witwe. Zwar hat sie keine finanziellen Sorgen, ihre Buchhandlung läuft gut, aber es fehlt doch etwas Wesentliches in ihrem Leben. Zusammen mit ihren Freundinnen hat Anne Marie die Idee, dass jede von ihnen eine Wunschliste anlegt: zwanzig Dinge, die sie schon längst einmal hätten tun wollen. Und in der Tat – das Nachdenken über die eigenen Wünsche, über Mögliches und Versäumtes, bewirkt bei jeder der Witwen eine Veränderung. Weg vom Selbstmitleid, hin zu neuen Gedanken und Projekten.

 

Debbie Macomber gelingt es auf sehr einfühlsame Art und Weise, eine wichtige Botschaft zu vermitteln. Um einen Weg aus Trauer und Einsamkeit heraus zu finden, muss man Neues wagen, muss man von sich selbst weg auf andere Menschen achten, auf andere Menschen zugehen, etwas für andere tun. Jede der Freundinnen findet im Laufe des Buches einen für sich stimmigen Weg, sie lernen voneinander, und insbesondere Anne Marie erlebt auf ganz besondere Weise, wie das Leben ungeahnte Dinge für sie bereit hält, wenn man sich öffnet – öffnet für Menschen, öffnet für das Leben.

 

Ein gefühlvoller, romantischer Roman, sicher stellenweise ein wenig kitschig, mit Klischees versehen, sehr amerikanisch, aber durchaus mit einer ernst zu nehmenden Botschaft. Das ideale Buch, wenn man Lust auf gefühlvolle, entspannte Lektüre hat.

 

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André Georgi

Die letzte Terroristin

 

 

·         Broschiert: 361 Seiten

·         Verlag: Suhrkamp Verlag

·         ISBN-13: 978-3518467800

 

 

 

Kein Buch für mich

 

Gegen dieses Buch entwickelte ich, je weiter ich las, eine zunehmende Abneigung. Ein komisches Urteil: „Ich mag dieses Buch nicht.“ Man kann ein Buch langweilig finden oder schlecht geschrieben, aber zu sagen, dass man das Buch nicht mag, klingt nicht unbedingt „literarisch korrekt“.  Und doch trifft es für mich genau auf den Punkt.

 

Ich halte mich deshalb mit Wiedergabe des Inhalts nicht auf. Es ist überall nachzulesen, welche realen Vorbilder der Autor hatte, um die Welt des Terrorismus Anfang der Neunziger in seinen Thriller zu verpacken. Und genau da beginnt bereits meine Abneigung gegen das Buch. Entweder schreibe ich ein bestmöglich recherchiertes Sachbuch zum Thema „dritte Generation RAF“. Oder ich schreibe einen Thriller, schöpferisch erdacht, frei erfunden, vielleicht mit Zeitbezügen, aber ganz bestimmt nicht unter „Benutzung“ realer menschlicher Vorbilder, damit insbesondere Täter und Opfer gleichermaßen degradierend zu Unterhaltungsobjekten.

 

Die harte, mitunter geradezu expressionistisch anmutende Sprache des Autors gefiel mir zu Anfang: „… der Abspann eines Jahrhunderts, das immer noch an Deutschland herumkaute…“ Aber je weiter ich las, desto mehr ging mir der manirierte Schreibstil auf die Nerven, ich sehnte mich geradezu nach schlichten Sätzen.

 

Spannend ist das Buch, keine Frage, es ist auch kritisch, durchaus stellenweise böse kritisch. Vielleicht für Viele lesenswert. Für mich war es nichts.

 

 

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Didi Drobna

Als die Kirche den Fluss überquerte

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 320 Seiten

·         Verlag: Piper

·         ISBN-13: 978-3492059206

 

 

Ein tief bewegendes Buch

 

Lt. Klappentext ist das vorliegende Buch ein Entwicklungsroman. Überrascht hat mich der Begriff, vom Verlag gewählt, denn in der Gegenwartsliteratur ist die Bezeichnung selten geworden. „Der Ausdruck Entwicklungsroman bezeichnet einen Romantypus, in dem die geistig-seelische Entwicklung einer Hauptfigur in ihrer Auseinandersetzung mit sich selbst und mit der Umwelt dargestellt wird“ sagt Wikipedia. Ja, es stimmt, dieser Roman ist in der Tat ein Entwicklungsroman. Daniel ist die Hauptfigur, und wir verfolgen sein inneres Reifen in quälend langsamen Einzelschritten. Als sein Vater, für Daniel und seine Schwester völlig überraschend, auszieht und sie mit der etwas unberechenbaren Mutter allein lässt, gerät Daniel in ein Gefühlschaos, das über Jahre anhält. Daniel erlebt eine gewaltige Sturm- und Drang-Zeit, er mäandert zwischen Größenfantasien, depressiver Lethargie und unkontrollierter Wut. Er versteigt sich obsessiv in eine kompensatorisch übersteigerte Zuneigung zu seiner Schwester. Er erstickt geradezu im permanenten Zwiespalt zwischen Anerzogenem und zaghaft auftauchendem eigenen Willen. Wir erleben mit Daniel und seiner Schwester zwei tief beschädigte Kinderseelen, Kinder, die sich schuldig fühlen für die Flucht des Vaters, für das Vergebliche im Leben der Mutter und die sich ein Leben lang nicht wirklich daraus befreien können. Erst als die Parkinson-Demenz der Mutter nicht mehr zu leugnen ist und die Familie auf ganz neue Weise gefordert wird, gewinnt auch Daniel endlich Konturen…

 

Didi Drobna lässt uns tief Einblick nehmen in ein Familiengefüge, das auseinanderbricht und sich wieder in neuer Weise zusammenfügt. Ihre pointierte Erzählweise von vermeintlich komischen Familienszenen könnte allerdings zu Missverständnissen führen. Nein, es ist kein komisches Buch, es erzählt nicht einfach schräge Erlebnisse von schrägen Menschen. Es ist ein tragisches, tief trauriges Buch voll von Angst, Versagen, fehlgeleiteter Suche nach Verlorenem, wenngleich auch zugegebenermaßen gekonnt verpackt in pseudo-fröhlichem Geschenkpapier.

 

Die Autorin verfügt über eine gewaltige und gleichermaßen poetische Sprachkraft. Ihre Wortbilder kommen ganz einfach daher, ganz unspektakulär, geradezu minimalistisch, und zielen doch mit einer unglaublichen Präzision auf das Wesentliche. Umfassender und tiefergehend kann man zum Beispiel Demenz nicht schildern: „… wie sie in ihrem Kopf herumirrte…“

 

Ein großartiger Roman, in poetischer Sprache Tiefen des Mensch-Seins auslotend, bewegend, zum Wieder- und Wiederlesen.

 

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Steve Alten

MEG

 

 

·         Taschenbuch: 400 Seiten

·         Verlag: Heyne Verlag

·         ISBN-13: 978-3453439016

·         Originaltitel: Meg

 

 

Nervenkitzel und Wissenswertes

 Pünktlich vor Kino-Start erscheint eine komplett überarbeitete Neuauflage des Buches MEG von Steve Alten. Action-Star Jason Statham nimmt den Kampf auf gegen den 20 m langen Killerhai in der tiefsten Tiefe des Ozeans zur Rettung einer Crew in einem Tiefsee-U-Boot. Eine Geschichte, wie man sie sich gar nicht besser vorstellen könnte für Spannungs-Kino.

 

Das Buch zeigte sich mir zu Beginn etwas spröde. Ich musste mich erst einmal einigermaßen geduldig durch recht viel technisches Beiwerk arbeiten, durch Hick-Hack der Zuständigkeiten, durch Unpässlichkeiten des Tiefseeforschers Jonas Taylor und reichlich Gedankenwust. Aber dann nimmt die Geschichte immer mehr Fahrt auf, umklammert uns geradezu und spielt gekonnt mit unseren tiefsten Ängsten. Aber auch der geschickte Perspektivenwechsel, den der Autor hinlegt, indem er uns Einblicke gibt in die Welt des Megadolon und damit in die Welt der Haie, ist absolut faszinierend. Ich bin gespannt, ob und wie der Film diese informative Seite des Buches umsetzt.

 

Das Buch hat mich rundum gepackt, denn es erzeugt enorm starke innere Bilder und lässt einen nicht mehr los. Deshalb unbedingte Leseempfehlung für dieses spannende und gleichzeitig faszinierende Buch.

 

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Jessica Fellowes

Die Schwestern von Mitford Manor

 

·         Broschiert: 496 Seiten

·         Verlag: Pendo

·         ISBN-13: 978-3866124523

·         Originaltitel: The Mitford Murders

 

Genussvolles Lesefutter

 

Manchmal gibt es sie noch, diese dicken Bücher, die man liebevoll Schmöker nennt und damit Bücher meint, denen Tiefgang fehlt und die uns doch gnadenlos gefangen nehmen, kaum dass die ersten Seiten gelesen sind, in die man geradezu hineinfällt und von denen man sich nach der letzten Seite schmerzlich trennen muss, von den liebgewonnenen Menschen, die man lesend eine Weile begleitet hat und vom Inhalt, der aufs Feinste unterhalten hat. Ich habe dieses schön im Art Déco Stil gestaltete Buch in genau dieser Weise gelesen: als leichte, aber gekonnt geschriebene und gut unterhaltende Lesekost. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!

 

Wir befinden uns in London im Jahr 1920. Durch glückliche Umstände erhält die 19-jährige Louisa, die in ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsen war, eine Anstellung als Kindermädchen bei den Mitfords, einer herrschaftlichen und glamourösen Familie. Sie erringt sich aufgrund ihrer klugen und freundlichen Art schnell die Freundschaft von Nancy, der 19-jährigen ältesten Tochter des Hauses. Zeitgleich wird Florence Nightingale Shore, eine Freundin der Familie und zu Kriegszeiten sich selbstlos aufopfernde Krankenschwester während einer Bahnfahrt grausam ermordet. Nancy und Louisa beginnen aufgrund von  merkwürdigen Beobachtungen eigene Nachforschungen anzustellen. Doch nichts ist so wie es scheint…

  

Die Autorin hat den real geschehenen, bis heute unaufgeklärten Mord an der Krankenschwester Florence Nightingale Shore in ihrem Buch fantasievoll zur Aufklärung gebracht und damit über fast 500 Seiten hinweg einen großen Spannungsbogen gesetzt. Die bei uns relativ unbekannten Mitford Schwestern bzw. deren Leben und Umfeld unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg wurden von der Autorin sorgfältig recherchiert und lebendig-sympathisch dargestellt. Die seelischen Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, aber auch gesellschaftliche Zwänge, die zu dieser Zeit noch herrschten, lassen das Buch zwar zu einer leichten, aber keineswegs zu einer seichten Lektüre werden.

 

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Dagmar Steffen

Lust auf Landleben

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 192 Seiten

·         Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt

·         ISBN-13: 978-3421041012

 

 

Zum Träumen schön

 

Wer schaut nicht gern in fremde Häuser, verstohlen oder offenkundig? Und wer träumt nicht davon, ein naturnahes Refugium zu besitzen, in dem Ruhe und Beschaulichkeit den Gegenpol bilden zu unserer Alltagshektik?

 

Für solche Träume bietet das vorliegende Buch vielfältige Einblicke. 12 Landhausbesitzer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, haben der Autorin Dagmar Steffen und dem Fotografen Christian Burmester ihre Türen geöffnet, und wir dürfen uns umsehen. Vom skandinavischen Holzhaus über eine holländische Mühle bis hin zu einem Holz-Wohnwagen – Vieles gibt es zu entdecken in diesem Buch. Es lohnt sich, sich ganz in Ruhe zu vertiefen in die individuellen Umsetzungen zum Thema Landleben. Es lohnt sich davon zu lesen, wie das gekaufte Haus, die Scheune, die Ruine mit den ganz eigenen Gegebenheiten und Forderungen die neuen Besitzer herausforderte, bis es zu dem wurde, was sich uns neugierigen Zaunguckern offenbart.

 

Nicht alle Häuser gefallen. Nicht alle Einrichtungen gefallen. Manches wirkt zu künstlich arrangiert, zu geschönt drapiert. Den Fotos hätte ich mitunter etwas mehr lebendiges, echtes Leben gewünscht.  Dennoch faszinieren die Einblicke und vor allen Dingen die Vielfalt an gezeigter Individualität. Im Zustimmen oder spontanen Ablehnen erfahren wir ganz genau, wie wir selbst am liebsten leben würden.

 

Außerordentlich schade finde ich, dass bei keinem einzigen der vorgestellten Landhäuser zumindest in einem einzigen Foto der Urzustand des Hauses gezeigt wird. Man hätte bei einem Vorher-Nachher-Vergleich noch sehr viel mehr die Leistung der Besitzer bzw. Bauherren würdigen können. Damit und mit Fotos von Teil-Bauabschnitten hätte man einen guten Bogen schlagen können zum Adressen-Anhang, der leider nur fragwürdig nützliche Kürzest-Tipps enthält und eher wie eine Anhäufung von Werbespots wirkt.

 

Dennoch macht es Spaß, sich schauend und lesend in die Lebenswelt anderer Menschen einzufinden, die mit Ideenreichtum und viel Hingabe ihren Traum vom Landleben gestaltet haben. 

 

 

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Dörthe Binkert

Freundinnen

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 160 Seiten

·         Verlag: Thiele & Brandstätter Verlag

·         ISBN-13: 978-3851794021

 

Hochwertig in Ausstattung und Inhalt

 

„Besuche deine Freunde oft, sonst wächst der Weg zu.“ (Sprichwort)

  „Beziehungsneugierige Leserinnen“ wünscht Verena Kast diesem Buch. Besser könnte man es nicht ausdrücken, denn die Beziehung zwischen Freundinnen ist so vielfältig, wie Menschen vielfältig sind. Der vorliegende Bildband zeigt diese Vielfalt auf beeindruckende Weise.

 

Schon das Äußere des großformatigen Buches besticht. Das Cover zeigt das Gemälde „Al Fresco Tea“ von Lawton S. Parker, einem amerikanischen Maler des Impressionismus, und es hat eine hinreißende Wirkung auf mich. Ein unbeschwerter Sommertag, flirrendes Sonnenlicht, das durch die Blätter fällt, im Halbschatten unter Bäumen Zweisamkeit genießen, sich erzählen und von Zukunft träumen… Genau so stelle ich mir das ideale Freundin-Treffen vor, leicht und voller „Zeitwohlstand“, wie Verena Kast in ihrem klugen Vorwort es nennt,  wenn Freundinnen Zeit haben füreinander. Der Fliederton im Bild setzt sich im Buch fort. Einfach nur schön. Seit vielen Wochen steht das Buch quer in meinem Bücherregal, und bei jedem Vorbeigehen erfreue ich mich an dem wunderbaren Cover.

Auch der Inhalt des Buches ist hochwertig. Nicht nur der großartige Beitrag von Verena Kast, der Grande Dame der Jung’schen Psychoanalyse, beleuchtet das Thema Freundschaft unter Frauen in umfassender Weise. Dörthe Binkert gelingt eine zusätzliche Dimension: Sie schlägt einen großen Bogen von der ersten Freundin über die beste Freundin, über die erotische Komponente in Frauenfreundschaften bis hin zur alle Schwierigkeiten überdauernden vertrauensvollen Verbindung. Und diesen großen Bogenschlag untermalt sie im wahrsten Sinne des Wortes mit einer unglaublichen Fülle an Gemälden aus den verschiedensten Epochen. Sie knüpft anhand der Bilder faszinierende Gedankenfäden. Und genau diese Verknüpfung macht den Reichtum des Buches aus. Die Texte lesend erschließen sich mir die Gemälde auf neue Weise, und die Gemälde betrachtend erschließen sich mir die Texte in größerer Tiefe. Das Buch endet mit dem russischen Sprichwort: „Wer sich keine Zeit für seine Freunde nimmt, dem nimmt die Zeit die Freunde.“ Nehmen Sie sich Zeit – auch für dieses wunderbare Buch!

 

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James Oswald

Am Anfang die Schuld

 

·         Taschenbuch: 464 Seiten

·         Verlag: Goldmann Verlag

·         ISBN-13: 978-3442485598

·         Originaltitel: The Damage Done

 

 

 

Eine große Enttäuschung

 

 

Bislang war ich ein Fan der Bücher von James Oswald, speziell von der von ihm geschaffenen Figur des Inspector Tony McLean. Das vorliegende Buch jedoch war für mich und meine zugegebenermaßen hohen Erwartungen eine einzige Enttäuschung.

 

Tony McLean leitet eine Razzia in einem vermeintlichen Bordell, was sich jedoch als Reinfall herausstellt. Dennoch hat der Inspektor bei Durchsuchung des Hauses vage Erinnerungen an ein Etablissement, aus dem er in seiner Dienst-Anfangszeit ein entführtes Mädchen rettete. Ein ungeheurer Verdacht beschleicht McLean…

 

Beginnen muss ich mit Wechsel der Übersetzerin. Sigrun Zühlke wurde leider, leider in diesem 6. Band abgelöst von Conny Lösch, die den bestimmten „Oswald-Sound“ einfach nicht trifft. Die Sprache wirkt etwas verquast, langatmig, nicht pointiert, was sich besonders darin zeigt, dass der gelegentlich eingestreute böse Humor von James Oswald völlig untergeht, nicht „aufblitzt“ wie bei Sigrun Zühlke.

 

Aber auch der Plot konnte mich überhaupt nicht überzeugen. Die Geschichte wirkt auf mich nicht wirklich schlüssig, irgendwie nicht „bis Ende erzählt“, es bleiben viele Fragen offen. Und sowohl durch den seltsamen Plot als auch durch die schlechte Übersetzung bleibt die Spannung auf der Strecke. Ich quälte mich regelrecht durch die Seiten. So schade!

 

 

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Anna Mitgutsch

Die Annäherung

 

 

·         Taschenbuch: 448 Seiten

·         Verlag: btb Verlag

·         ISBN-13: 978-3442715916

 

 

Ein tiefes, ein intensives Buch

 

Hier schreibt eine der ganz großen Gegenwarts-Autorinnen, die mich im Jahr 1987 mit dem auf mich erschreckend intensiv wirkenden Buch „Die Züchtigung“ fesselte und seither nicht mehr losgelassen hat.

 

Theo ist 96. Er erleidet einen Schlaganfall, kann sich nur noch mit Mühe mitteilen. Zu Frieda, seiner Tochter, besteht seit vielen Jahren kaum mehr Kontakt, woran Berta, Theos zweite Frau, einen wesentlichen Anteil hatte. Als Frieda einen Anruf aus dem Krankenhaus erhält, entwickelt sich in der Folgezeit ganz langsam eine neue Chance der Annäherung. Der pflegebedürftige Theo verliert die Gegenwart völlig aus dem Blick, erst der ukrainischen Pflegerin Ludmilla gelingt es, zu Theo vorzudringen.

 

Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Theo erlebt seine letzte Lebenszeit, schildert sehr bewegend seine Gedanken zu dem, was bald kommen wird. Und er lebt in Erinnerungen, in den guten und weniger guten. Frieda hingegen berichtet in der ihr eigenen spröden Art von ihrer Sicht auf ihre Kindheit und Jugend, auf ihre gescheiterte Ehe, auf alles, was sie lebenslang vermisst hat. Weder Theo noch Frieda ist es je gelungen, offen miteinander zu sprechen. So viele offene Fragen, so viele Unsicherheiten auf beiden Seiten. Dieses entsetzliche Schweigen zwischen den Menschen, aus dem heraus so viel Verletzendes entsteht – dieses große, große Schweigen macht dem Leser das Herz schwer.

 

Anna Mitgutsch erzählt das Große und das Kleine im Leben, Krieg und Schuld, aber auch die Wirkung eines überraschenden Händedrucks. Sie beschreibt Menschen mit einer weisen, beobachtenden Toleranz, ohne Wertung, ohne Stellungnahme, in deren feinsten Regungen wahrnehmend, immer aber so lebensnah, dass man Frieda und Theo und Berta und all die anderen genau vor sich sieht und mit ihnen durch den Park spazieren möchte oder einfach nur am Bett sitzend mit kleinen Gesten wie dem Falten-Wegstreichen auf der Bettdecke Nähe zeigen möchte. In ihrer wunderbar langsamen, elegisch schönen Sprache zieht die Autorin den Leser hypnotisch in ihren Bann, und man landet, ob man will oder nicht, in diesem Buch in einer Welt des Passiven, des scheinbar Unausweichlichen, des Ausgeliefert-Seins und des lebenslang Versäumten. Aushalten muss man die Intensität und Tiefe dieses Buches, aushalten und bestenfalls eigene Bilanz ziehen.

 

 

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Carola Behn

100 süsse Häkelfiguren

 

·         Gebundene Ausgabe: 144 Seiten

·         Verlag: Frech

·         ISBN-13: 978-3772481284

 

   

 

Kein Buch für Häkel-Neulinge

 

Wie alle Handarbeitsbesessenen habe auch ich einen überquellenden Korb voll mit kleinen Wollresten, die ich einfach nicht wegwerfen kann. Da kam mir das vorliegende Buch mit seinen vielen Mini-Häkelvorschlägen natürlich genau recht.

 

Sehr positiv habe ich empfunden, dass die gebundene Buch-Ausgabe in seinem Äußeren stabil und schmutzresistent ist, denn solch ein Anleitungsbuch muss ja so Einiges wegstecken. Es liegt schon mal unmittelbar neben der Kaffeetasse oder kopfüber im Wollkorb. Es wird mit ungeeigneten Lesezeichen wie Häkelnadel oder halbem Wollknäuel gequält. Die Buchseiten selbst sind relativ fest, sodass man es bedenkenlos Kinderhänden zum Durchblättern überlassen kann. Das Cover zeigt sich liebenswert ansprechend dank der abgebildeten Flamingos. Im Buchinneren sind die Kapiteleinteilungen wie z. B. „Frühlingserwachen“ oder „Tiere suchen ein Zuhause“ gut gelungen. Es fehlen auch nicht die grundsätzlichen Angaben zu Material, Werkzeug und Häkeltechnik. Schön empfinde ich die unterschiedliche Farbgestaltung der Seiten und die Übersichtlichkeit der Anleitungen.

 

Tja, aber jetzt beginnt leider der weniger erfreuliche Teil, aber ich schicke voraus, dass dies meine ganz subjektive Meinung ist. 100 Anleitungen – aber bei nur ganz wenigen geht „das Herz auf“, bei ganz wenigen hat man den Impuls, genau dies oder das sofort nacharbeiten zu wollen. Die vorgeschlagenen Ideen sind nett, das ja, aber wir wissen ja, nett ist nicht genug, damit es uns in der Häkelnadel juckt.  Mir fehlt insbesondere an den Tierchen und Superhelden und Engelchen das Liebenswerte, die Gesichter würde ich teilweise sogar als missglückt bezeichnen. Letztlich kann man jedoch darüber hinwegsehen, denn eine geübte Häklerin bekommt den Gesichtsausdruck besser hin als die Musterhäklerin des Buches. Wirklich problematisch finde ich jedoch, dass ein Häkelneuling mit der Angabe „2 Lm, dann fm in Spiral-Rd. häkeln“ nichts, aber auch schon gar nichts anfangen kann. Hier hätte es am Anfang durch Step-by-Step-Fotos einer Erläuterung bedurft, wie man nach Häkeln von 2 Lm plötzlich zu Spiralrunden kommt und was das überhaupt heißt. Und der Satz „mit Füllwatte ausstopfen“ erscheint mir ebenfalls nicht genug, denn gerade durch das feste oder weiche Ausstopfen kann ich die Füllwatte als zusätzliches Gestaltungsmittel benutzen, kann damit regelrecht formen. Hierzu fehlt leider jeglicher Hinweis im Buch.

 

Fazit: Ein handwerklich gut gemachtes Ideen-Buch, leider mit einigen Schwächen, insbesondere für Häkelneulinge.

 

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Hiltrud Baier 

Helle Tage helle Nächte

 

 ·         Gebundene Ausgabe: 352 Seiten

 ·         Verlag: FISCHER Krüger

 ·         ISBN-13: 978-3810530387

  

 

 

Wenn die Stille Lapplands die Seele heilt

 

Ein Buch, in dem nicht viel geschieht, und doch so viel Entscheidendes. Gemächlich erzählt, der Landschaft Lapplands angepasst in seiner Weite und Einsamkeit und Stille.

 

Eine Kleinstadt, am Fuß der Schwäbischen Alb. Hier lebt Anna Albinger, knapp über 70, an Lungenkrebs erkrankt, einsam, durch eine jahrzehntelange Lüge niedergedrückt. Und Frederike, Nichte von Anna, von ihr als Kind liebevoll aufgezogen, knapp über 50, frisch geschieden, orientierungslos, was ihr zukünftiges Leben betrifft. Als Anna sie bittet, einen Brief persönlich zu überbringen, und zwar an Peter Svakko, 3.000 km entfernt im schwedischen Lappland lebend, lässt sich Frederike nur sehr widerwillig darauf ein, diese eindringliche Bitte ihrer Tante zu erfüllen.  Doch schließlich macht sie sich mit ihrem Campingbus auf eine lange, lange Reise…

  

Der Roman wird wechselnd aus zwei Perspektiven erzählt. Anna berichtet über ihr stilles Leben, in der die Krankheit eine große Bandbreite an Gefühlen auslöst, Selbstmitleid und Kampfgeist, Depression und trotzigen Überlebenswillen, Verunsicherung und Angst. Über allem jedoch stehen Erinnerungen, intensive Erinnerungen an ihre eigene Kindheit.

 

Dramaturgisch von der Autorin geschickt eingestreut, werden in jedem Anna-Kapitel mehr und mehr Erinnerungen lebendig, und einem Puzzle gleich entwickelt sich ein Bild, das das alles überschattende Schuldgefühl Annas‘ erklärt. In den Frederike-Kapiteln machen wir uns mit ihr auf eine lange Reise, äußerlich und innerlich. Auch Frederike hat aufgrund ihrer Lebenserfahrungen eine eher negative Sicht auf die Dinge, lässt sich aber doch ein auf das, was ihr auf dieser Reise begegnet und erfährt eine ungeahnte Wandlung.

 

 

Die Autorin erzählt so hautnah, dass ich Annas‘ Schmerzen fast körperlich spüre, mit Herzklopfen zum ersten Mal in einem Helikopter sitze oder die Juni-Morgenkälte Lapplands in meine Knochen kriecht. Und ich erlebe mit den Augen der Autorin eine überwältigend schöne Landschaft, die den Menschen zurückführt auf das, was wesentlich ist. Die Liebe der Autorin zu Lappland teilt sich unmittelbar mit und hallt noch lange nach Beendigung des Buches nach. Es ist nicht wichtig, dass die Geschichte vorhersehbar endet. Wichtig ist, wie gekonnt Hiltrud Baier die großen Lebensthemen mit leichter Hand skizziert und gerade durch die Leichtigkeit und Ruhe eine Intensität erreicht, die mich im Innersten bewegt und nicht mehr loslässt.

 

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 Graeme Macrae Burnet

 #Der Unfall auf der A35

 

 

·         Taschenbuch: 304 Seiten

·         Verlag: Europa Verlag

·         ISBN-13: 978-3958901544

 

 

 

  

Viele Zigaretten, viel Alkohol, sehr französisch

 

 Nur wenige Kilometer von meinem jetzigen Wohnort verläuft die A35 im Elsass. Genau deswegen fand das Buch mein Interesse, zugegebenermaßen ein etwas seltsamer Grund für eine Leseentscheidung. Denn vom Autor hatte ich bislang nichts gehört und nichts gelesen. Aber vom Verlag dafür umso mehr.

 

In der Handlung geht es in der Tat um einen Autounfall auf der A35, nahe des verschlafenen Städtchens Saint Louis. Bertrand Barthelme, der Fahrer, ist nachts frontal gegen einen Baum gefahren und dabei umgekommen. Nicht besonders spektakulär. Aber da gibt es den schrulligen Kommissar Georges Gorski, der sich ein ganz eigenes Bild von dem Toten und seinem Vorleben macht. Und auch Barthelmes 17-jähriger Sohn Raymond beginnt, Geheimnissen im Leben seines verstorbenen Vaters auf die Spur zu kommen…

 

Langweilig ist es nicht, das Buch. Spannend ist es auch nicht. Seltsam ist es, und in seiner Seltsamkeit wiederum fesselnd. Wird eine fiktive Geschichte erzählt, eine Geschichte, die sich nur aus Vermutungen ernährt, oder lesen wir doch einen klassischen Kriminalroman mit der üblichen Aufklärung am Ende? Es bleibt verwirrend. An den etwas spröden Sprachfluss musste ich mich erst einmal gewöhnen, an die ausufernd geschilderten Barbesuche auch. Und an dieses endlos höfliche Miteinander unter Kollegen oder im Umgang mit Zeugen, diese konfliktvermeidenden Konversationen, die nie auf den Punkt kommen und doch erhellend sind. Weitschweifig wird erzählt. Bis ins letzte Detail versehene Schilderungen, mit scharfer Beobachtungsgabe wahrgenommen, füllen die Seiten und haben mir Einiges an Geduld abverlangt. Das Buch verhält sich oft seitenlang so, als wolle es gar nicht gelesen werden, als entziehe es sich dem Leser willentlich. Der Autor schafft es zum Beispiel, eine halbe Buchseite lang allein darüber zu referieren, welche Gedanken und Mutmaßungen ein offener Schnürsenkel bei Gorski hervorruft. Und entwickelt aus solchen Schilderungen heraus klammheimlich ein intensives Psychogramm des Betreffenden. Das ist kunstvoll, aber auch anstrengend.

 

Das Buch mutet mich an wie einer dieser französischen Spielfilme, die langsam, sehr langsam eine Geschichte in vielen Facetten erzählen, aber nicht wirklich von der Stelle kommen. Viele Zigaretten, viel Alkohol – und die Frage, wie ein Schotte so schreiben kann, als sei er ein Franzose, und zwar einer der alten Schule?

 

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Hörbuch

Fitzgerald Kusz

Witwendramen

 

Eine szenische Lesung mit Anna, Nellie und Katharina Thalbach

 ·         Spieldauer: 1 Stunde und 13 Minuten

 ·         Verlag: Random House Audio, Deutschland

 

 

„Was haben Wolken und Männer gemeinsam? - - Wenn sie sich verziehen, wird es ein schöner Tag.“

 

Als gebürtige Nürnbergerin ist mir Fitzgerald Kusz ein Begriff. Sein legendäres Theaterstück „Schweig Bub“, das 1976 im Staatstheater Nürnberg Erstaufführung hatte, war sein größter Erfolg und ist mir bis heute ins Gedächtnis gebrannt. Die Kombination Kusz und drei Generationen Thalbach weckten in mir lachmuskeltechnisch die höchsten Erwartungen an das Hörbuch.

 

Fitzgerald Kusz legt ein Konglomerat aus allen möglichen Textgattungen zum Thema Witwe vor, urkomisch, fromm, derb, ordinär, abgedroschen, ernsthaft, traurig in einer wild gemixten Mischung. Viel Klischees werden aufgefahren, so mancher platte Witz wird gerissen, aber zwischendrin, ganz unscheinbar, scheint auch eine verhaltene Tragik durch das mehrfach geleerte Schnapsglas.

 

So genial auch die Vortragenden, allen voran deutlich herausragend Katharina Thalbach, in dieser szenischen Lesung der Vielfalt der Texte gerecht werden und sich in ihrem Zusammenspiel in großem Tempo die Textbälle zuwerfen - mir fehlte ganz eindeutig die Dimension des Sehens. Dazu sind die drei „Witwen“ viel zu sehr Schauspielerinnen, als dass sie sich nicht in Haltung, Gestik und Mimik zusätzlich ausdrücken würden, insbesondere da es sich ja um einen Live-Mitschnitt handelt und die Reaktionen des Publikums eine Interaktion zwischen ihnen und den Lesenden geradezu herausfordern. Dennoch hatte ich auch beim „Nur-Hören“ durchaus Vergnügen.

 

 

 

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Matthias Morgenroth

Kidnapping Oma

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 176 Seiten

·         Verlag: Coppenrath

·         ISBN-13: 978-3649628569

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 8 - 10 Jahre

 

Explodierendes Oma-Glück

 

 

Was für eine wunderbare Beschreibung: Oma-Glück, das in der Achterbahn geradezu explodiert… Ein Autor, der so ein intensives Gefühl beschreiben kann, dem konnte nur ein richtig, richtig gutes Kinderbuch gelingen!

  

Leni und Jonas sind viel allein, denn die Mutter muss immerzu arbeiten, manchmal auch am Wochenende. Die beiden Kinder sind sehr selbstständig, Mama kann sich auf sie immer verlassen. Der Vater ist weit weggezogen. Großeltern gibt es nicht, wie die Mutter ihnen erzählt hatte. Traurig und etwas ratlos wird Leni, als sie in der Schule einen Aufsatz schreiben soll über einen Tag mit Oma oder Opa. Wie sollte sie das schaffen, ohne je einen solchen Tag erlebt zu haben? Eine seltsame Begegnung am Spielplatz wirft plötzlich viele Fragen auf. Wer ist diese alte Frau, die mit ihrem Shetlandpony auf der Wiese sitzt? Warum hat sie einen so seltsamen Akzent? Warum versteckt sie sich im Gebüsch, mit einem Fernglas vor den Augen? Nach und nach kommt Leni und Jonas ein Verdacht. Könnte es sein, dass diese alte Frau mit Pony, die ihnen so viele Fragen stellt, tatsächlich ihre Oma ist? Wenn das so ist, darf Oma keinesfalls wieder entwischen, notfalls muss man sie entführen! Und so beginnt ein großartiges Abenteuer, denn Oma lässt sich tatsächlich von Leni und Jonas kidnappen, und die drei erleben mit Campingbus, Pony und gemeinsamer Zeit das beste Wochenende ihres Lebens, denn Oma fährt mit in der Achterbahn, spielt endlos Mensch-ärgere-dich-nicht und beim Schwimmen im Badesee. Als sie allerdings bemerken, dass sie von der Polizei gesucht werden, wird aus dem Spiel schnell Ernst…

 

 Für 8- bis 10-jährige Leseratten bietet das Buch allerbestes Lesefutter. Es ist ausgesprochen spannend und mit ganz großem Humor erzählt. Kurzweilig und mit viel, viel Herz wird das Leben von zwei Kindern erzählt, wie es inzwischen so viele Kinder aus ihrem eigenen Umfeld  kennen: Vater oder Mutter alleinerziehend mit Beruf, sodass die Ansprüche der Kinder auf der Strecke bleiben müssen. Es wird auch thematisiert, wie alte Streitigkeiten unausgesprochen auf der Familie, besonders auf den Kindern lasten. Und wie feinfühlig Kinder spüren, wenn sie belogen werden. Die vielen überraschenden Ereignisse und Wendungen im Buch machen das Lesen oder Vorlesen zu einem wahren Vergnügen, insbesondere das wohltuend warmherzige Ende lässt alle vorherigen Spannungen und Entbehrungen vergessen. Miteinander reden hilft. Versprechen muss man halten. Es braucht nicht viel, um zufrieden zu sein. Alles Botschaften, die in der fröhlichen Handlung so ganz nebenbei verpackt sind. Und die wichtigste aller Botschaften natürlich: Habt Zeit für einander. Es gibt nichts Wichtigeres, als gemeinsame Zeit mit der Familie zu verbringen. Und allein schon wegen dieser Botschaft sollten auch Erwachsene dieses zauberhafte Kinderbuch lesen! Die karikaturhaften Illustrationen von Marloes de Vries passen meiner Meinung nach sehr gut zum humorvollen, vergnüglichen Schreibstil des Buches.

 

 

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Ferdinand von Schirach

Strafe

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 192 Seiten

·         Verlag: Luchterhand Literaturverlag

·         ISBN-13: 978-3630875385

 

  

 

Meisterhafte Erzählkunst

 

  

Ein kleines Buch. Schönes Papier. Große Schrift. Ein Zitat von Kierkegaard vorangestellt: „Wenn alles still ist, geschieht am meisten.“

  

Zwölf Erzählungen. Zwölf? Eine Zahl von Symbolwert. Zwölf Erzählungen, die ein Ganzes umschließen. Zufall? Wohl kaum. Der große Ferdinand von Schirach erzählt in einer packenden Mischung von distanziertem Beobachten und empathischer Ruhe. Er benötigt nur wenige Worte, um gewaltige Inhalte in Szene zu setzen, so gewaltig, dass uns Lesern der Atem stockt. Irregeleitete Menschen, vom Leben an den Rand gespülte Menschen, aus der Zeit gefallene, gestrandete Menschen. Menschen, die tatenlos auf ihr Leben wie auf ein leeres Blatt Papier starren. Menschen, die im Rad der zunehmenden Verzweiflung gefangen sind. Aus normalen Tagesabläufen kriecht plötzlich das Entsetzliche hervor, nur ganz kurz, aber dieser Moment genügt, damit das Opfer sich aufbäumt und zum Täter wird. So viele verlorene, entsetzlich traurige, unendlich einsame Menschen, deren Leben im Sog der Einsamkeit in die Irre geht.

 

Schicksal oder Schuld, Vorsatz oder Zufall, Wille oder Fügung? Die vorliegenden zwölf kleinen Erzählungen umschließen große Lebensthemen. Sie sind in größter Präzision geschliffene kleine Erzähl-Diamanten, in Schmuckfassung gebracht von einem der ganz großen Wortkünstler.

 

 

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Richard Dübell

Das Jahrhundertversprechen

 

 

·         Broschiert: 656 Seiten

·         Verlag: Ullstein Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3548289663

 

 

  

Zeitgeschichte unterhaltsam verpackt

 

  

Leider kannte ich die beiden Vorgängerbände dieser Trilogie bislang nicht, was ich im Nachhinein sehr bedauere. Dennoch konnte ich mich sofort gut in diesem dritten Band mit seinen Personen zurechtfinden. Dem Autor ist es gut gelungen, auch „Neulesern“ den Einstieg problemlos zu ermöglichen.

  

Es geht um die Familie Briest in der Zeit der Weimarer Republik 1921. Obwohl der erste Weltkrieg bereits seit 3 Jahren zu Ende ist, herrschen Not und Elend. Hohe Reparationszahlungen zwingen das Land in die Knie. Hunger ist Alltag. Wirre politische Strömungen schaffen Angst und Unsicherheit. Otto und Hermine Briest stehen kurz vor dem Bankrott, die Tochter Luise hofft auf eine Filmkarriere. Die Menschen suchen Ablenkung von ihrer Not, und so boomt alles, was kurzzeitig Vergnügen bereitet, Filmtheater, Varietés und Autorennen. Max, der Ziehsohn der Familie Briest, der einst Luisa das Leben gerettet hatte, versucht sich als Rennfahrer zu beweisen, doch ein Erzfeind der Familie von Briest nutzt die Politik der Zeit, um den Untergang der Familie von Briest voranzutreiben.

  

Vom Buchumfang von mehr als 650 Seiten zu Anfang etwas verschreckt, nahm mich die Geschichte jedoch nach kurzem Einlesen restlos gefangen, und ich las mich mit großer Freude und kurzweilig unterhalten durch die Zeit von 1921 bis 1928. Richard Dübell versteht es meisterhaft, eine Zeitspanne lebendig werden zu lassen, deren Schattenseiten mir bislang in dieser geschilderten Eindrücklichkeit nicht bewusst waren. Die Zwanziger Jahre waren mir als Zeit der überschäumenden Lust an Ablenkung, an Unterhaltung, an Tanz und Champagner im Gedächtnis. Die unendliche Not, der zu entfliehen die Menschen versuchten, wurde mir erst durch dieses Buch augenfällig, nachspürbar, erschreckend nah. Dem Autor gelingt es auf großartige Weise, politisches, gut recherchiertes Hintergrundwissen so mit der erzählten Handlung  zu verweben, dass man keinen Moment der Langeweile erlebt, aber dennoch diese gespenstisch anmutende Zeit der Tristesse, der Orientierungslosigkeit, des aufkommenden Nationalsozialismus und all der damit verbundenen Ängste stets als leise Drohung im Hintergrund grollen hört. Bedeutende Namen lernen wir kennen wie Fritz Lang, den Stummfilm-Regisseur, oder den Politiker Walter Rathenau, der als Reichsaußenminister einem Attentat zum Opfer fiel. Die anständige Familie von Briest und Max mit seiner liebenswerten Berliner Schnauze sind mir im Buch ans Herz gewachsen, und so beende ich diesen dritten Band der Trilogie etwas traurig, insgesamt jedoch bereichert und mit einer unbedingten Leseempfehlung.

 

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Jane Harper

Ins Dunkel

 

 

·         Broschiert: 416 Seiten

·         Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag

·         ISBN-13: 978-3499274732

·         Originaltitel: Force of Nature

 

 

 

 Manches bleibt im Dschungel-Dunkel

 

 

Ein unglaublich fesselndes Buch, das ich nur wärmstens empfehlen kann!

 

Es wirkt fast wie ein Schulausflug: Eine Männer- und eine Frauengruppe, jeweils zu fünft, fröhlich-aufgeregt, haben als teambildende Maßnahme von ihrer Firma eine mehrtägige Wanderung durch den australischen Busch zu absolvieren, nur mit Landkarte, Kompass und ihrem Rucksack versehen. Kein Handy. Beide Gruppen haben unterschiedliche Routen, Treffpunkt am vierten Tag 12 Uhr wieder zurück am Ausgangspunkt. Die Männer sind pünktlich da. Viele Stunden später tauchen auch die Frauen auf, verletzt, nach Hilfe schreiend – und es sind nur vier! Der Ermittler Aaron Falk und seine Kollegin müssen Alice, die vermisste Frau, unbedingt finden, denn sie ist eine wichtige Informantin.

  

Bereits der Prolog hat mich gepackt, und so ist es das gesamte Buch über geblieben. Ich hing an den Seiten, konnte nicht mehr aufhören. Jane Harper hat einen unglaublich intensiven Sprachstil, dessen Bilderwelt einen regelrecht verfolgt. Geradezu filmreif sieht man das Geschehen vor sich, man wird hineingestoßen in eine Welt, in der die Natur die wahre Herrscherin ist, ihren eigenen Gesetzen folgend, die uns Menschen in ihrer Gewalt Angst macht. Man erlebt hautnah die Kälte, die in jede Pore zieht, und spürt den eisigen Regen, der überall eindringt. Man erlebt, wie Dunkelheit und seltsame Geräusche die Angst steigern. Und wie vor allen Dingen die fünf Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit sich erst einmal mit halbwegs freundlicher Bereitschaft bemühen, miteinander auszukommen, aber je mehr Angst und Verzweiflung Raum gewinnen, fällt diese Fassade ab und harte Wahrheiten brechen auf.

 

Man tut gut daran, das Buch möglichst zeitnah von Anfang bis Ende zu lesen (wozu einen die Spannung sowieso bringt). So stören die nach rückwärts unterschiedlich zeitversetzten Perspektivwechsel etwas weniger. Diese verhackstückte Erzählweise ist leider ein derzeit gerne benutztes Stilmittel zur Spannungsverdichtung, wobei das vorliegende Buch dies absolut nicht gebraucht hätte, denn die Geschichte ist richtig gut, absolut packend, sie spielt intensiv mit unseren Ängsten und sie schildert psychologisch nachvollziehbar extrem unterschiedliche Charaktere und deren Reaktion in einer Ausnahmesituation.

  

Bis fast zum Schluss bleibt man als Leser im Ungewissen. Nicht alles findet letztlich im unerwarteten Ende der Geschichte eine schlüssige Erklärung, auch bleibt mir persönlich absolut rätselhaft, weswegen sich die Frauen beharrlich siezen. Dennoch bleibt mein Fazit: Ein großartig geschriebener Thriller, fesselnd bis zur letzten Seite, in seiner Intensität lange nachwirkend.

 

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Christian Ankowitsch

Die Kunst einfache Lösungen zu finden

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 304 Seiten

·         Verlag: Rowohlt Berlin

·         ISBN-13: 978-3737100106

 

Besonders empfehlenswert !! 

Meine Güte, ist dieses Buch gut!

 

 

 Als ich meine Rezension zu schreiben begann, stellte ich fest, dass sie wie eine Werbebotschaft des Verlags klingt, wie eine geradezu marktschreierische Werbung. Und doch wollte ich nur meiner uneingeschränkten Begeisterung Ausdruck verleihen, mit einem gewissen Überschwang zugegebenermaßen.

 

Meine Güte, ist dieses Buch gut! Jedem, wirklich jedem möchte ich zurufen: Lesen Sie dieses Buch!  Egal wer Sie sind, wie alt Sie sind, ob Sie viel oder wenig lesen, ob Sie Probleme haben oder nicht – lesen Sie dieses Buch! Es wird Sie erheitern, es wird Sie erstaunen. Und es wird Ihnen Gewinn bringen, es geht gar nicht anders, denn der Buchinhalt bleibt im Sinn. Passagen, die für Sie wichtig sind, bleiben wie Kaugummi in Ihren Gedanken kleben, es gibt keine Chance des Entkommens.

 

 

Steve de Shazer war Psychotherapeut und entwickelte auf der Grundlage von Milton Erickson die lösungsorientierte Kurztherapie. Auf de Shazer, Watzlawick und auf andere kluge Menschen bezieht sich der Autor und holt aus ihren Werken jeweils das Beste und Eingängigste hervor, um es dank seines eigenen Wissens und Denkens zu einem Buch höchster Wirksamkeit zu verdichten.

 

Alles hängt mit allem zusammen. Wenn wir das verstanden haben, wird uns klar, weshalb bereits kleinste Interventionen unser Problem- oder Streitgefüge massiv stören können. Unscheinbar sind die Lösungsmöglichkeiten, es fehlt ihnen an jeglichem Drama, und das macht sie irgendwie geradezu unbeliebt. Denn mein Problem ist ein großes Drama, da kann der Lösungsweg nicht einfach so um die Ecke kommen, so harmlos, so nebenbei… Und wenn wir dann weiter noch verstehen, dass unser persönliches Weltbild eine ganz und gar subjektive Konstruktion ist, erahnen wir bereits nach wenigen Buchseiten, dass das, was wir persönlich zum Problem erklären, ein ebenso subjektives Empfinden ist. Meist agieren wir in unserem persönlichen „Theater des Bewusstseins“, ohne seine Subjektivität zu erkennen, und definieren die Mitspieler, die sich nicht an unser Drehbuch halten, als Problem, an dem es gilt sich abzuarbeiten. Christian Ankowitsch reicht uns in seinem Buch einen ganzen Schlüsselbund zum Knacken unserer persönlichen Problemschlösser. Und das macht er auf beeindruckende Weise, mit großem fachlichem Hintergrundwissen (23 Seiten kleingedruckte Anmerkungen!). Er schreibt nicht wissenschaftlich-verstiegen, sondern menschennah, geradezu freundschaftlich, und vor allen Dingen mit entlarvend-intelligentem Humor. Er setzt uns Lesern sehr kurzweilig Problemlösungen in appetitlichen Häppchen vor, so verlockend angerichtet, dass wir ihm nach wenigen Seiten bereits aus der Hand fressen.

 

Probieren Sie es aus!

 

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Clara Maria Bagus

Der Duft des Lebens

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 352 Seiten

·         Verlag: Ullstein Leben

·         ISBN-13: 978-3963660016

 

Besonders empfehlenswert 

 

 Poesie der Weisheit

 

 

 

Es gibt Bücher zur Unterhaltung, zum Ängstigen, zur Wissensvermittlung, zum Ärgern – und es gibt ganz, ganz selten ein Buch wie dieses hier: Märchen, Weisheit, Poesie, Literatur, unausschöpflich, zum immer wieder Lesen, zum Schwelgen in schönen Worten, in tiefen Sätzen, in poetisch formulierten Feinheiten. „Der Duft des Lebens“ ist ein Buch, so unglaublich schön, so unglaublich tief, dass ich es nicht einfach nur lesen konnte im Sinne von Konsumieren. Ich gönnte mir dieses Buch in ganz kleinen Teilen, wie wenn man etwas besonders Gutes zu essen auf dem Teller hat und es ganz klein schneidet, damit man es länger genießen kann.

  

Die Geschichte spielt in irgendeiner Vergangenheit, vielleicht auch in einer nahen Gegenwart oder in einer zeitlosen Zeit, wer weiß das schon bei Märchen. Sie geschehen einfach immer wieder und wieder, in der Hoffnung, dass sie verstanden werden.

 

Aviv, dessen Mutter Helene bei seiner Geburt gestorben war, wurde von der Hebamme Selma liebevoll aufgezogen. Aviv wird Glasbläser und erhält von Kaminski, einem Arzt mit schwarzer Seele, den Auftrag, 50 Glasfläschchen zu fertigen. Diese sollen einem perfiden Plan des Arztes dienlich sein, nämlich die gute Essenz von menschlichen Seelen einzufangen, damit er letztlich sich selbst einverleiben könne, was seiner eigenen Seele fehlt.

  

Das Buch zu lesen, erfordert es, ganz leise zu werden in unserem lauten Leben, und abzurücken von all dem ewigen Geplapper der Welt um uns herum. Und erst wenn es uns gelingt, ganz still in uns selbst zu werden, erst dann, so glaube ich, können wir all die Klänge, Farben und Düfte der Worte dieser Erzählung nachempfinden. Kein Wort im Buch steht zufällig da, keines ist zuviel. Und ich hatte das Gefühl, über den Zeilen zu schweben, ganz vorsichtig, um den Zauber nicht zu zerstören. Der Text ist wie ein Gedicht zu lesen, Zeile für Zeile, Bild für Bild, sorgsam, langsam, um die Schönheit der Sprache nicht zu zerstören.

 

Vielleicht ist das Buch eine Allegorie des Sich-Bemächtigens des eigenen Schicksals, oder vielleicht will es uns das Wissen um die Einzigartigkeit jedes Menschen vermitteln. Jeder mag seine eigene Botschaft im Buch finden. Auf jeden Fall bleibt mir:  „… weil jeder ein kleines bisschen Verantwortung in sich trägt, das, was ihm vom Leben geschenkt wird, in die Welt zu tragen und zu einem Geschenk an alle zu machen.“ (S. 343)

 

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Debbie Macomber

Der Sommer der Wünsche

  

·         Taschenbuch: 432 Seiten

·         Verlag: MIRA Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3956498176

·         Originaltitel: Summer on Blossom Street

 

 

Friede, Freude, Eierkuchen

 

Zwei Dinge verlockten mich, dieses Buch zu lesen: Zum einen, weil das Stricken neben dem Lesen meine zweite große Leidenschaft ist, und zum anderen, weil ich von der Autorin bislang noch nichts gelesen hatte und die Blossom-Street-Reihe gerne kennenlernen wollte.

  

In Lydias Wolladen „A Good Yarn“ wird ein neuer Strickkurs angeboten, und zwar unter dem Thema „Loslassen“. Und so finden sich 4 Frauen und 1 Mann mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Erwartungen zusammen. Mehr muss man im Grunde zum Inhalt vorweg gar nicht wissen.

 

Debbie Macomber hat eine seltsame Erzählweise gewählt: Da ist die Ich-Erzählerin Lydia, die Besitzerin des Wollladens. Und da sind die anderen vier Protagonisten, über die in wechselnden Kapiteln berichtet wird, aber nicht aus Sicht der Ich-Erzählerin, sondern aus Blick der Autorin. Schon dadurch wirkt das Buch für mich konstruiert. So als habe die Autorin aus ihrem Notizen-Fundus einzelne Entwürfe hervorgeholt und mit Gewalt miteinander zwangsverknüpft, im Strickkurs und im erzählten Geschehen. Dieses Zusammenwerfen von irgendwann Geschriebenem führt leider auch zu Textwiederholungen und unlogischen Handlungsabläufen. Insgesamt wirkt die Sprache recht altbacken, wenig lebendig und das Romangeschehen insgesamt vorhersehbar. Stricken als roter Faden wird allzu gewollt-gewaltsam über die Kapitel gelegt. An keiner einzigen Stelle im Buch wird die Strick- oder Wollleidenschaft nachvollziehbar, spürbar, fühlbar geschildert, sondern das Stricken wird genauso konstruiert wie die Personen als vermeintlich verbindendes Thema ohne jegliche Bedeutung eingestreut. Und natürlich endet das Buch für alle in Friede, Freude, Eierkuchen.

  

Fazit: Das Buch ist nett zu lesen, wenn man den kritischen Verstand ausschaltet und sich auf leicht altmodische Weise unterhalten lassen möchte.

 

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Joe Fischler

Veilchens Show

 

 

·         Taschenbuch: 328 Seiten

·         Verlag: Haymon Verlag

·         ISBN-13: 978-3709979075

 

 

Nicht der stärkste Titel aus der Veilchen-Reihe

 

In Band 5 der Reihe um die coole LKA-Ermittlerin Valerie (Veilchen) geht es dieses Mal um die Welt der Fernsehshows, speziell um die Kuppelshow „Bauerlorette“, in der fünf Bauern um die Gunst einer Frau und um 1 Million Euro Preisgeld kämpfen. Veilchen findet solche Shows abstoßend, aber als kurz nacheinander zwei der Kandidaten auf mysteriöse Weise ein tragisches Ende finden, wird sie ganz wider Willen in das alpine Fernsehspektakel hineingezogen.

 

Valerie ist schlau, aber auch sensibel und lässt sich nicht so leicht in die Irre führen. Und sie hat ihr zweites Ich, die böse Souffleuse, auch in Band 5 wieder auf der Schulter sitzen, mit Einflüsterungen, die wir alle so oder ähnlich auch bei uns kennen. Die Vorgeschichten nicht gelesen zu haben, mindert  übrigens zu keiner Zeit das Lesevergnügen. Valerie und ihrem Lieblingskollegen Stolwerk offenbart sich im Rahmen der Ermittlungen hinter den Kulissen der Show eine rundum verlogene, morbide Welt. Nichts von dem, was den Zuschauern vorgegaukelt wird, entspricht der Wahrheit. Hier findet Joe Fischer, wie üblich in seinen Büchern, einen kritischen Realbezug, geschickt in vergnügliche Szenen verpackt. Der Kampf um Zuschauer, um Quote, lässt die Fernsehmacher im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehen.

 

Die Stärke des Buches ist wie auch in früheren Bänden eine spannende Handlung, die den Leser bis zum Schluss in die Irre führt, und starke Protagonisten, die in überzeichneter Darstellung dem Leser naherücken und im Buch für viele skurrile und komische Situationen sorgen. Joe Fischer erzählt in wohlig-österreichischem Wortwitz und mit spürbar eigenem Spaß eine völlig abstruse Geschichte, der man als Leser mit vielen Lachern folgt. Die Stärke der Erzählkunst von Joe Fischer ist allerdings in diesem Band 5 gleichzeitig auch die Schwäche: Joe Fischer schießt hier gelegentlich über das Ziel hinaus. Streckenweise verkommt die Geschichte zur Klamotte, der Witz verkommt zum Klamauk. Band 5 ist demnach nicht der stärkste Titel in der Veilchen-Reihe, aber dennoch habe ich auch dieses Buch sehr gern und oftmals laut lachend gelesen.

 

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Martine McDonagh

Familie und andere Trostpreise

 

 

·         Broschüre: 304 Seiten

·         Verlag: HarperCollins

·         ISBN-13: 978-3959671958

·         Originaltitel: Narcissism for Beginners

  

 

Leider kein Buch für mich

 

Mit diesem Buch habe ich mich schwergetan. Dennoch habe ich mich durch alle Seiten gequält, am Ende das Buch zugeschlagen und mich gefragt: Wozu sollte dieses Buch gelesen werden? Wem wäre es wohl zu empfehlen? Ich weiß keine Antwort.

  

Sunny erfährt mit 21, dass er Multimillionär ist (unwichtig). Sunny hat viele Marotten und Neurosen, insbesondere was Geräusche betrifft (skurril). Sunny macht sich auf die Reise, um mehr über seine aus der Erinnerung herausgefallene Familie zu erfahren (unglaubwürdig).

  

Tja, was gäbe es sonst noch über das Buch zu berichten? Sunny erzählt, was geschieht, in Briefform seiner Mutter, an die er sich nicht erinnern kann. Er erzählt locker vor sich hin, als säße die Mutter (oder der Leser) unmittelbar vor ihm. Er ist ein Film-Nerd und gewinnt seine „Lebenserfahrung“ aus Filmen, sie sind wie ein Gerüst, an dem er sich zur Einordnung seines Lebens entlanghangelt. Die Erzählweise des Buches umfasst zig Themen- und Szenenschleifen, die mal mehr, mal weniger witzig daherkommen. Als einzig ernst zu nehmende Botschaft bleibt mir im Gedächtnis, wie religiöse Verblendung als Mittel der Macht, als Möglichkeit, Menschen zu manipulieren, als gefährlich anzusehen ist. Skurril, schräg, komisch und ernst gleichermaßen ist der Erinnerungsweg von Sunny. Er wollte nichts anderes als seine Mutter finden, in der Hoffnung auf Akzeptanz. Und seine Reise endet so: „Liebe Mom, fick dich“.

  

Das Buch hat mich leider nicht erreicht, nicht überzeugt, nicht unterhalten, schon gar nicht zum Lachen gebracht. Und so bleiben meine anfangs gestellten Fragen leider unbeantwortet.

  

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Mirjam Beile

Brot backen mit Emmer, Einkorn & Co. im Brotbackautomaten

 

 

·         Taschenbuch: 124 Seiten

·         Verlag: Verlag Eugen Ulmer

·         ISBN-13: 978-3800133871

 

 

 

Habe viel gelernt

 

 

Ehrlich gesagt: Ich wusste mit dem Begriff „Urgetreide“ nicht viel anzufangen. Dieses Buch hat mich jedoch sensibel gemacht für Geschmack und Wertigkeit ganz alter Getreidesorten. Erstaunt war ich, wie gut inzwischen sogar größere Lebensmittelläden mit Mehlen aus Urgetreide sortiert sind. Hier bewahrheitet sich wieder mal der Satz „Man sieht nur was man weiß“.

 

Überhaupt gibt das Buch recht viele Hintergrundinformationen, ist gut gegliedert und mit anregenden Fotos ergänzt. Wer noch keinen Backautomaten hat, bekommt in einem ausführlichen Kapitel alles an notwendigem Wissen, um das richtige Gerät zu finden.  Neben den sachlichen informativen Kapiteln waren mir persönlich jedoch die Rezepte am Wichtigsten. Das Buch enthält eine Fülle unterschiedlichster Rezeptvorschläge, gut und übersichtlich gegliedert, mit selbst angesetztem Sauerteig oder mit Hefe oder mit Brühstücken, stets aber mit Mehlen aus verschiedenen Urgetreiden. Ich habe mehrere Rezepte im Backautomaten nachgebacken. Alles hat perfekt geklappt und gut geschmeckt. Neu war mir, dass ich sogar Kuchen im Backautomaten backen kann. Hier steht mein „Selbstversuch“ noch aus…

 

Zwei Dinge haben mir jedoch im Buch gefehlt. Es sollten die Getreidesorten unter ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten unterschieden werden. Hierzu fehlen leider die Angaben komplett.

 

Und wer keinen Backautomaten hat und auf den Backofen angewiesen ist, bräuchte bei den Rezepten unbedingt Hitze- und Zeitenangaben. Auch die fehlen leider ganz.

 

Fazit: Ein Buch, das viele Hintergrundinformationen gibt und sehr ansprechende, gut nachzubackende Rezepte enthält, sich aber irgendwie nicht entscheiden kann, ob es seinen Schwerpunkt auf Backbackautomaten oder auf alte Getreidesorten legen soll. So fehlen leider auf der einen oder anderen Seite manche durchaus wichtige Angaben. Das ist schade und könnte noch ganz leicht ergänzt werden.

 

 

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Gabriele Diechler

Lavendelträume

·         Taschenbuch: 410 Seiten

·         Verlag: Insel Verlag

·         ISBN-13: 978-3458363507  

 

Besonders empfehlenswert

Die Kraft der Herzenswärme

Normalerweise lese ich Bücher gemäß des Rezensionsauftrages mit Offenheit, mit Neugier, aber auch mit einem gewissen Maß an fachlich-nüchterner Distanz, um mir ein sachlich fundiertes Urteil erlauben zu können. Das vorliegende Buch jedoch ermöglichte mir diesen Blickwinkel erst einmal nicht. Es bahnte sich auf ungeahnten direkten Wegen mitten hinein in mein emotionales Zentrum, und ich brauchte eine Weile Abstand, um für die Rezension zurück auf die Ebene der Sachlichkeit zu finden.

Den Inhalt möchte ich nur extrem verkürzt andeuten: Julia, die sich schuldig fühlt am Unfalltod ihrer Mutter und sich generell in ihrem eigenen Leben nicht mehr zurecht findet, entdeckt im Nachlass der Mutter den Liebesbrief eines Parfümeurs aus der Provence. Um dem vermuteten Geheimnis ihrer Mutter auf die Spur zu kommen, reist sie nach Frankreich. Allerdings ist der Absender des Briefes zwischenzeitlich verstorben, Julia trifft stattdessen auf seinen Sohn Nicolas und lernt in der Folge viel, sehr viel über die wirklich wichtigen Themen des Lebens.

Was macht nun dieses Buch zu einem besonderen Buch? Es ist ohne Zweifel die faszinierend  starke emotionale Kraft, der sich der Leser nicht entziehen kann. Was bedeutet, dass das Buch gekonnt geschrieben ist. Leichte, eingängige, vielleicht sogar romantisch zu nennende, gut lesbare Geschichten zu schreiben, ohne ins Seichte oder Kitschige abzugleiten, ist große Schreibekunst. Gabriele Diechler erzählt lebendig, bildhaft und fesselnd, sie malt geradezu mit Wörtern. Mit allen Sinnen schildert sie feine und feinste Wahrnehmungen so intensiv, dass die erzählte Farbigkeit sofort im Kopfkino ihr reiches Leben entfaltet. Man schmeckt den Käse, man riecht das Parfüm, man schwelgt in der Schönheit der Landschaft, man fühlt den Wind, man wird Teil des Geschehens. Man sitzt mitten unter den Protagonisten, isst und trinkt mit ihnen, hört ihnen zu und verfällt, ohne es zu merken, geradezu rauschhaft dem Buch. Eine weitere Stärke des Buches sind die Schilderungen der Menschen. Die Autorin taucht tief in die Seelen der Protagonisten ein und legt ihre eigene Lebensklugheit den Romanfiguren in ganz unterschiedlicher Weise in den Mund. Sie zeichnet psychologisch stimmig und empathisch sympathische, individuelle Charaktere, in all ihren Stärken und Schwächen, aber stets mit wohlwollendem Blick.

Und diese positive Sicht der Autorin teilt sich unmittelbar dem Leser mit. Ihre im Buch so deutlich spürbare Herzenswärme lockt auch im Leser das Beste hervor. Ich wüsste nicht, was es Besseres über ein Buch zu sagen gäbe…

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 Lars Schütz

 Der Alphabetmörder

 

 

 ·         Taschenbuch: 384 Seiten

 ·         Verlag: Ullstein Taschenbuch

 ·         ISBN-13: 978-3548289304

  

 

 

 

Ein spannendes Geflecht aus Wahnsinn und Schuld

 

 

Was für eine Geschichte: In einem Wildparkgehege wird eine entstellte, zertrampelte Leiche gefunden, mit einem tätowierten A auf der Brust. Kurz darauf werden weitere Tote entdeckt, stets mit tätowierten Buchstaben, ein B, ein C. Da die Ermittler völlig im Dunkeln tappen, werden die beiden Fallanalytiker Jan Grall und Rabea Wyler zur Unterstützung hinzugezogen – für Jan Grall eine besondere Herausforderung, da er deshalb von Mainz in seine frühere Heimat in den Westerwald zurückkehren muss und nicht nur mit dem rätselhaften Mörder, sondern auch mit den Rätseln seiner eigenen Vergangenheit zu kämpfen hat, umso mehr, als der oder die Täter es offenbar tatsächlich auch auf ihn abgesehen haben…

  

Spannend ist dieser Thriller von Anfang bis Ende, gar keine Frage. Der Leser steckt sofort mitten in der erzählten Geschichte und erlebt aus verschiedenen Perspektiven das Geschehen. Geschickte Wendungen führen in die Irre oder auch nicht. Man bleibt als Leser stets in innerer Habacht-Stellung, damit nichts der eigenen Aufmerksamkeit entgeht. Unter diesem Spannungsaspekt also ist das Buch wirklich gut geschrieben. Dennoch hat es mich nicht restlos überzeugt. Einer meiner Kritikpunkte ist die Sprache, bei der ich mir mehr Sorgfalt gewünscht hätte. Weniger schlampig-umgangssprachliche Begriffe in beschreibenden, erzählenden Passagen zum Beispiel hätten dem Sprachstil insgesamt gut getan. Aber auch die Darstellung der einzelnen Protagonisten ist für mich nicht optimal gelungen. Das Täter-Psychogramm kommt viel zu kurz, um nachollziehbar zu sein. Auch andere Personen bleiben in ihrer Darstellung blass, wenig lebendig. Jan Grall mit seiner Hypersensibilität und seiner dadurch speziellen Wahrnehmung der Umwelt wäre eigentlich ein überaus interessanter Hauptakteur, dem man sehr viel mehr psychologische Aufmerksamkeit hätte zukommen lassen können. Ihn in Stresssituationen Cannabis rauchen zu lassen, reicht mir hierfür nicht.

 

Mein Urteil: Absolut spannend geschrieben, aber im Detail nicht ausgereift genug.

 

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Katrin Lankers

Zurück auf gestern

  

·         Gebundene Ausgabe: 368 Seiten

·         Verlag: Coppenrath

·         ISBN-13: 978-3649623779

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 15 Jahre

 

Wunderbarer Jugendroman für Leser von 12 - 99

Claire und Lulu sind befreundet, und zwar so richtig dick, unzertrennlich, wie „Elmex und Aronal“. Und sie haben das Talent für unmögliche Situationen, für Fettnäpfchen aller Art, für blamable Ereignisse, kurz gesagt, für Katastrophen. Und das vor den Augen der beiden Jungen, in die sie heimlich verliebt sind. Schlimmer geht es nicht. Da entdecken die beiden, dass das Amulett, das Omili Claire zu ihrem 15. Geburtstag hinterlassen hat, eine besondere Fähigkeit besitzt: nämlich für ein paar Stunden die Zeit zurückzudrehen, um dadurch das Missgeschick wieder ausbügeln zu können. Erst sehr spät erkennen die beiden Freundinnen, welche Gefahren ihnen durch diesen Zeitumkehrer drohen…

 

Der Autorin ist mit diesem Buch, wie ich glaube, der perfekte Roman für Jugendliche ab 12 gelungen. Positiv hervorstechend ist für mich die lockere, humorvolle Schreibweise, die mit fröhlich-frechem Wortwitz und sehr alltagsnah vom Leben und Fühlen zweier 15-Jähriger erzählt (Claire berichtet in Ich-Form), ohne sich anzubiedern. Die Autorin nimmt Claire und Lulu ernst, kann ihre Wirrungen und Verwirrungen nachvollziehen. So wie sie auch alle anderen Personen im Buch wohlwollend ernst nimmt, auch wenn sie eher deren  komische Seiten hervorhebt. Claire ist sehr zurückhaltend, beobachtend, vorsichtig, Lulu dagegen temperamentvoll, fröhlich, spontan und für jeden Streich zu haben, damit sind sie ideale Identifikationsfiguren. Auf fesselnde Weise, mit herrlichem Humor, wie nebenbei und doch ganz ernsthaft wird über wichtige Themen wie Freundschaft, Ehrlichkeit, Verantwortung, Vertrauen geschrieben, und dass man Liebe nicht für Leistung, sondern als Geschenk bekommen sollte, aber auch wie es gelingen kann, aus allem das Beste zu machen – ganz ohne Zeitumkehrer.  Rundum ein gelungener Jugendroman für Leser von 12 – 99.

 

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Thomas Montasser

Der Sommer der Pinguine

 

·         Gebundene Ausgabe: 143 Seiten

·         Verlag: Insel Verlag

·         ISBN-13: 978-3458363460

 

 

 Ganz große Schreibekunst

 

Stellen Sie sich Folgendes vor: Ein gemütliches Kaminzimmer, weiches Licht, dicker weich-flauschiger Teppich, darauf Sie im Schneidersitz, vor Ihnen in einem alten großen Ledersessel ein gut gekleideter, gepflegt wirkender älterer Herr mit weißen Haaren und Goldrandbrille. In wohlgesetzten Worten und gestenreich erzählt er Ihnen eine Geschichte, ein Märchen wie es scheint. Er macht Pausen, ändert das Erzähltempo je nach Geschehen, er blickt verwundert, wenn er Unglaubliches berichtet, schiebt sachliche Beschreibungen ein, wo er sie für erforderlich hält und an manchen besonderen Stellen blitzt der Schalk in seinen Augen auf. Immer aber sind seine Worte wohlgesetzt, die Sätze gar trefflich geraten… Genauso fühlte ich mich beim Lesen dieses wunderbaren kleinen, feinen Geschenkbandes, entrückt und verzaubert.

 

Die überaus liebenswerte Mrs. Annetta Robington vergisst beim Schmökern  in einer kleinen Buchhandlung in London Ort und Zeit – und macht eine unglaubliche Entdeckung: Der rücksichtsvolle Buchhändler ist ein Pinguin! Und nicht nur ihn, auch den Cellisten im Konzert, den Portier im Hotel, und noch so manch anderen sieht Mrs. Robington plötzlich mit anderen Augen und erkennt in ihnen ebenfalls Pinguine. In ihr reift ein raffinierter Plan, diese besondere Spezies von Lebewesen zu retten, und sie wächst über sich selbst hinaus.

 

Was für eine unglaublich schöne, bestechend „sorgfältige“, oder sollte ich sagen, „sorgsame“ Sprache. Allein schon für diesen überaus gepflegten Sprachstil liebe ich das Büchlein. Dazu kommt die feine Schilderung der sehr englischen Kulisse und der sehr englischen Denk- und Handlungsweise speziell von Mrs. Robington, die man jederzeit in einem der Filme rund um den Ermittler Barnaby wiederzufinden meint. Die liebenswert zauberhaften Zeichnungen von Isabel Pin passen perfekt zum Erzählstil. Dass uns Pinguine den Spiegel vorhalten, uns in unserer Beschränktheit entlarven und dies alles mit einem stillen Lächeln – das ist ganz große Schreibekunst.

 

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Gin Phillips

Nachtwild

 

 

·         Broschiert: 304 Seiten

·         Verlag: dtv Verlagsgesellschaft

·         ISBN-13: 978-3423261968

 

Originaltitel: Fierce Kingdom

 

 Ein leiser, ein feinsinniger Thriller

 

Nein, das ist kein Buch zum Thema Attentäter oder Amoklauf oder ein Beitrag zur Diskussion über Amerikas freiheitlichen Umgang mit Waffen. Ein Thriller ist dieses ungewöhnliche Buch jedoch ohne Zweifel, denn es erfüllt alle Kriterien, die ein Thriller per definitionem haben muss: Dauerhafte Spannung über das gesamte Buch hinweg und einen Helden, der sich gegen Gewalteinwirkung seines Gegenspielers behaupten muss. Jedoch glaube ich, dass es der Autorin um etwas ganz anderes ging…

 

Das Buch beschreibt vier Stunden im Leben von Joan und ihrem vierjährigen Sohn Lincoln. Sie verbringen einen schönen Tag im Zoo. Als sie sich gerade auf den Weg zum Ausgang machen, fallen plötzlich Schüsse. Joan sieht in der Ferne Tote auf dem Boden liegen und flüchtet sofort mit Lincoln in ein unbewohntes Tiergehege. Ihrer beider Überleben hängt nun davon ab, dass sie unsichtbar und unhörbar bleiben. Aber wie gelingt das mit einem wissbegierigen, lebhaften vierjährigen Jungen?

 

Der Autorin ist etwas Besonderes gelungen, wie ich finde. Denn der packende Thriller lebt nicht von vielen Aktionen, nicht von angehäuften Grausamkeiten, von in die Irre führenden Täterspuren, sondern ist angefüllt mit der facettenreichen Schilderung einer Mutterliebe, die über sich hinauswächst, mit der Darstellung der geradezu symbiotischen Verbindung zwischen Joan und Lincoln. Die überaus dichte, extrem detaillierte Schreibweise lässt uns tief eintauchen in das Psychogramm einer Über-Mutter, die ihrem fantasievollen Jungen alles mitgeben will, dessen sie fähig ist und die Löwenkräfte entwickelt, als es darum geht, ihren Sohn zu beschützen.

Ein leiser, ein feinsinniger Thriller ist der Autorin da gelungen. Mit Herzklopfenspannung liest man sich durch die Seiten und wagt kaum zu atmen, weil man zusammen mit Joan und Lincoln vier Stunden feststeckt in Beklemmung und Angst mit dem Wissen, dass Flüstern schon zu laut ist.

 

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Andreas Winkelmann

Das Haus der Mädchen

 

 

·         Taschenbuch: 400 Seiten

·         Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag

·         ISBN-13: 978-3499275166

 

 

 

Grundsolider fesselnder Thriller

 

Eine Warnung vorab: Beginnen Sie dieses Buch erst dann zu lesen, wenn Sie genug zu essen im Haus haben und kein Besuch droht (oder stellen Sie die Klingel ab)! Denn einmal begonnen, können Sie das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

 

Für ein Praktikum in einem kleinen Verlag kommt Leni nach Hamburg. Leni ist eine introvertierte junge Frau mit vielen Unsicherheiten und Ängsten. Glücklicherweise findet sie im teuren Hamburg ein bezahlbares Zimmer in einer alten Villa am Kanal. Der unkomplizierten Zimmernachbarin und ihren freundschaftlichen Annäherungen kann sich Leni kaum entziehen, doch am nächsten Morgen ist diese neue Freundin spurlos verschwunden. Zeitgleich beobachtet der Obdachlose Freddy Förster, einst erfolgreicher Geschäftsmann, wie jemand einen Mann am Steuer seines Autos erschießt…

 

Dieser Thriller hat mir rundum ausnehmend gut gefallen. Von den ersten Seiten an wird eine große Spannung aufgebaut, die über das gesamte Buch hinweg gleichbleibend hoch ist, und so liest man und liest man und will nicht aufhören. Dunkle, Angst auslösende Szenen oder  durch das Geschehen ausgelöste Schrecksekunden intensivieren zusätzlich das Leseerleben. Der Autor schreibt fesselnd, flüssig und lebendig und verfällt glücklicherweise nicht dem derzeit so sehr in Mode gekommenen Stilmittel der szenisch zerhackten Erzählweise. Zwar gibt es Perspektivwechsel, aber für den Leser bleibt die Handlung stets folgerichtig nachvollziehbar.  Dabei wird man bei seinen Täter-Vermutungen mehrfach hinters Licht geführt bis zum völlig überraschenden Ende. Keine aufgeblasene, künstlich konstruierte, allzu komplizierte Geschichte, keine schrägen oder seelisch beschädigten Ermittler, sondern bedrohlich realistisch geschilderte Geschehnisse, ein geschicktes Spielen mit Ängsten, die wir alle kennen.

Rundum ein durchweg fesselnder und sehr gut lesbarer Thriller – die ideale Spannungslektüre für Mußestunden.

 

 

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Uwe Wilhelm

Die 7 Kreise der Hölle

 

 

·         Taschenbuch: 448 Seiten

·         Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag

·         ISBN-13: 978-3734103452

 

 

 

Ein Thriller von schmerzhafter Härte

 

Der Inhalt lässt sich in Kürze zusammenfassen:  Vor den Augen der Staatsanwältin Helena Faber werden ihre beiden Töchter Katharina und Sophie entführt. Und es beginnt eine rasende Jagd von Saigon über Istanbul bis Berlin und jenseits aller legalen Wege, tief hinein in die zynische Welt des Kinderhandels mit mafiöser Struktur, in der fern jeglicher moralischer Bedenken Millionen verdient werden an Kindern, meistbietend verkauft an scheinbar normale Bürger, an harmlos erscheinende Nachbarn, an als Kunstliebhaber getarnte Pädophile.

Die Story musste nicht erfunden werden. Ganz aktuell zeigt sich in der gerichtlichen  Aufarbeitung des Staufener Missbrauchsfalles die Spitze eines gewaltigen Eisbergs der Widerwärtigkeiten, und Uwe Wilhelm macht eigentlich nichts anderes, als die abstoßendste Seite der Wirklichkeit komprimiert in ein Buch zu verpacken und uns mit Rasanz durch die verstörende Handlung zu jagen. Es ist spürbar, dass der Autor vom Film kommt. Er schreibt quasi in Bildsequenzen, jedoch ohne Bildbeschreibung. Sein Sprachstil wirkt atemlos, mitunter durch Einschub von Sätzen, die keine sind, ohne Verb, ohne Adjektiv. Spannend ja, abstoßend auch.  Aber trotz des rasanten Erzähltempos und der grausamen Details hat mich der Thriller nicht richtig gepackt. Vielleicht wegen seiner nüchtern-distanziert beschriebenen Protagonisten, die mich an keiner Stelle emotional erreichten. Oder weil mir die wütend-gehetzte Sprache nicht gefällt. Oder weil zu viele Gesichter zu Brei geschlagen werden. Ein Thriller von schmerzhafter Härte, nicht für jeden zu empfehlen.

 

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Veronika Hug

Puschen im Quadrat

 

 

 Taschenbuch: 48 Seiten

 Verlag: Christophorus Verlag

  ISBN-13: 978-3841063946

  

 

Eine schöne Strickidee in ein kleines Büchlein verpackt

 

Welche passionierte Strickerin ist nicht stets auf der Suche nach ungewöhnlichen Strickideen, die leicht umzusetzen sind! Das vorliegende Büchlein verspricht mit seinem Untertitel „schnell und easy gestrickt“ genau dies. Veronika Hug ist Erfolgsautorin von zahlreichen Strick- und Häkelbüchern, sodass ich mich vertrauensvoll an die Umsetzung der Quadratpuschen machte.

 

Nun, was das reine Stricken der Puschen angeht, so sind sie tatsächlich sehr schnell und sehr einfach zu stricken. Maschen anschlagen, rechte Maschen stricken, Maschen abketten – mehr muss man nicht können. (Anfänger können am Ende des Buches anhand eines kleinen Grundkurses Stricken und Häkeln die benötigten Kenntnisse ganz schnell auffrischen.) Die eigentliche Schwierigkeit des Nacharbeitens liegt beim Zusammennähen. Veronika Hug hat dies zwar anhand von unterschiedlichen Farbquadraten so deutlich wie möglich im Buch versucht zu veranschaulichen, aber dennoch verliert man, je mehr Quadrate man zusammengenäht hat, leicht die Orientierung bzw. die Übersicht. Ich habe mir geholfen, indem ich die zu nähenden Seiten vor Beginn des Nähens markierte. Nach dem ersten Puschenpaar hat man das System verstanden und tut sich leichter – also nicht zu schnell aufgeben! Was meines Erachtens fehlt, ist ein Hinweis darauf, dass man unbedingt sehr fest stricken muss oder besser noch, stets eine ganze Nadelstärke kleiner nehmen sollte als auf der Wollbanderole angegeben, ganz unabhängig davon, welche Wolle verwendet wird.  Zu locker gestrickte Quadrate ergeben formlose, instabile Puschen.

 

Das Büchlein bietet eine detaillierte Grundanleitung mit Größentabelle und ein paar wenige Variationsmöglichkeiten. Der eigenen Kreativität sind jedoch bei dieser originellen Strickidee keine Grenzen gesetzt!

 

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Federica de Cesco

Der englische Liebhaber

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 360 Seiten

·         Verlag: Europa Verlag

·         ISBN-13: 978-3958900806

  

 

Ein vielschichtiger, ein wichtiger, ein grandios geschriebener Roman

 

Aus dem Europa Verlag habe ich zuletzt den großartigen Roman „Ein Held in dunkler Zeit“ von Christian Hardinghaus gelesen, der mich sehr beschäftigte. Und nun vorliegender Roman im gleichen Verlag, von einer Autorin mit großem Namen – das weckte in mir höchste Erwartungen. Und ganz kurz gesagt: Der Roman „Der englische Liebhaber“ übertraf sogar noch meine höchsten Erwartungen, umso mehr, als man erfährt, dass es sich um die Ausgestaltung einer wahren Begebenheit handelt.

 

Der Roman bewegt sich in zwei Zeitebenen: Münster 1988 - Charlotte, 1947 geboren, Filmemacherin, findet im Nachlass ihrer verstorbenen Mutter Anna Tonbänder und Notizhefte. In diesen Aufzeichnungen wird die zweite Zeitebene lebendig, nämlich Münster 1946. Die Stadt ist zerstört, es ist Winter und Anna versucht, als Dolmetscherin bei den britischen Besatzern ihr Überleben zu sichern. Als ihr der englische Captain Jeremy begegnet, beginnt eine gefährlich-leidenschaftliche Beziehung, denn mit dem Feind lässt sich eine deutsche Frau nicht ein, sie wird zu einer „Britenschlampe“.  Anna wird schwanger, und Jeremy ist von einem Tag auf den anderen verschwunden, die Ämter verweigern jegliche Auskunft. Je mehr Charlotte in den Aufzeichnungen ihrer Mutter eintaucht in deren Leben und Lieben, desto lebendiger wird für den Leser die immense Kraft einer Liebe, die mehr aus Hoffen denn aus Leben bestand.

 

Jenseits der Erzählung des Geschehenen liegt noch eine dritte Ebene, und die verleiht dem Roman die eigentliche Tiefe. Es ist die Ebene der Reflektion, des Erkennens, der Information, auch der Ernüchterung. „Man hatte uns nicht zur Kritik erzogen.“ Wir erfahren viel über ein Kapitel deutscher Nachkriegszeit, einer Zeit, in der die Menschen noch nicht wirklich frei waren von den Nachwirkungen der nationalsozialistischen Gedankenwäsche und in der die kollektive Schuld verdrängt werden musste, damit man weiterleben konnte.

 

Federica de Cesco schreibt hinreißend, mitreißend, lebendig, intensiv. Die von ihr beschriebenen Menschen verkörpern jeweils eine individuelle Ausprägung ihrer Zeit: Manfred steht für die Verleugnung des Ich zugunsten einer Ideologie. Jeremy bleibt trotz seiner glaubhaften Liebe zu Anna ambivalent, schillernd, eine Projektionsfläche für Anna’s Gedanken und Sehnsüchte. Anna wiederum ist hart mit sich und anderen, verschlossen, unerreichbar auch für ihre Tochter. Und Charlotte bleibt provokant, ohne echtes Einfühlungsvermögen, eine zutiefst beschädigte Seele, voller Bitterkeit.

 

„Im Alter geht man vom Leben weg“, schreibt Anna. Und dem Leser bricht das Herz.

 

Fazit: Ein vielschichtiger, ein wichtiger, ein grandios geschriebener Roman!

 

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Michelle Cordier

Die Toten von Paris

·         Taschenbuch: 336 Seiten

·         Verlag: Bastei Lübbe

·         ISBN-13: 978-3404176847

 

 

Schade um die Lesezeit

 

Anmerkung vorneweg: Eigentlich mag ich es nicht, wenn in der Rezension der Klappentext zitiert wird. Aber in diesem Fall wähle ich gerne diesen einfacheren Weg zur Inhaltsübersicht, da mir das Buch  wenig gefallen hat und ich es mir damit gerne etwas leichter machen möchte:
„Paris 1944. Jean Ricolet ― ein junger Inspektor aus dem Süden Frankreichs ― wird nach der Befreiung nach Paris versetzt. Er soll der Form halber den Mord an einem Nazi untersuchen, der für die Verteilung der Raubkunst zuständig gewesen ist. Im Zuge seiner Ermittlungen sucht Ricolet die Kunststudentin Pauline Drucat auf, die für die Nazis als Expertin arbeiten musste, doch gleichzeitig eine Spionin der Résistance war. Gemeinsam beginnen sie und Ricolet der Spur des Mörders zu folgen. Und schnell erhärtet sich ihr Verdacht, dass von der Verteilung der Raubkunst nicht nur die deutschen Besatzer profitierten ...“

Eigentlich klingt der Plot interessant. Der geschichtliche Hintergrund – 1944, Paris ist befreit – verlockt. Am Ende des Buches frage ich mich allerdings vergeblich, was ich an Historischem erfahren habe, was ich gelernt haben könnte. Nichts. Und was habe ich über Paris, über die Franzosen gelernt? Nichts. Ein paar eingestreute französische Brocken, ein paar klischeehafte Beschreibungen. Nein, das genügt einfach nicht. Nächster Kritikpunkt sind die Protagonisten. Inspektor Ricolet, vom Lande, wird als eine Mischung aus trampelig-naiv und draufgängerisch-charmant dargestellt, dann wiederum kommandiert er seine Kollegen herum, die Kollegen erst ganz klischeehaft mit Vorbehalten ihm gegenüber, dann machen sie plötzlich alles, was er möchte, Pauline als verlogen-betrügerisch, sich selbst verkaufend (ach ja, Zeitbezug, da konnte man nicht anders, wenn man etwas erreichen wollte…), mitunter geradezu pubertär wirkend, aber auch wieder irgendwie anziehend, niemals aber wie eine mutige Frau in der Résistance. Also rundum sind die Protagonisten in ihren sehr gemischten Persönlichkeiten jenseits aller minimal-psychologischen Kenntnisse gezeichnet, dazu noch so blass-lebensleer beschrieben, dass man als Leser diesen Menschen sehr fern bleibt. Man liest als leidlich interessierter Zuschauer, ohne Emotionen, ohne Hoffen und Bangen, man liest einfach nur, damit man das Buch gelesen hat. Eine gewisse Spannung flackert hin und wieder auf, aber dieses Spannungsfeuer erstickt sich selbst immer wieder an seinen Unwahrscheinlichkeiten. Dass der Sprachstil sperrig ist, spröde, umständlich, rundet den Negativeindruck ab. Das Buch mischt wild alle Genres von Krimi bis Schmonzette, verbindet dieses Durcheinander in unpassendem Sprachstil und verpasst dem Ganzen sozusagen als Garnierung ein paar hübsche französische Wörter und ein Kriegsjahr, das sich in diesem Buch so harmlos wie Hustenbonbon darstellt. Schade um die Lesezeit!

 

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Felicity Everett

Das Paar aus Haus Nr. 9

 

 

·         Taschenbuch: 368 Seiten

·         Verlag: HarperCollins

·         ISBN-13: 978-3959672122

·         Originaltitel: The People at Number 9

 

 

 

Langer Tanz um‘s Feuer

 

Viel geschieht eigentlich nicht in diesem Buch: Sara und Keith mit ihren beiden Kindern leben ein geordnetes, strukturiertes und durchaus glückliches Familien- und Berufsleben. Als die neuen Nachbarn, Gavin und Louise, im Nebenhaus einziehen, beobachtet sie Sara erst verstohlen, dann immer offenkundiger. Nach ersten vorsichtigen Kontaktaufnahmen werden Sara und Keith mehr und mehr in die unkonventionelle Welt der neuen Nachbarn hineingezogen. Da gibt es altersfleckige Bettwäsche, vor Schmutz klebende Fußböden, halb abgebeizte Türen, völlig vernachlässigte und unerzogene Kinder. Alles nimmt Sara, die perfekte Hausfrau, wahr, durchaus erst mit Schaudern, dann aber zunehmend mit einer unerklärlichen Faszination. Je mehr Zeit Sara und Keith mit ihren neuen Nachbarn verbringen, umso mehr löst sich ihr eigenes wohlgeordnetes Leben auf.

 

Ich habe das Buch gelesen, als sei ich selbst eine neugierige Nachbarin, stünde hinter einer imaginären Gardine und könnte es einfach nicht lassen, die beiden Ehepaare zu beobachten. Und ich war, wie Sara, gleichermaßen angezogen und abgestoßen von diesen so verschiedenen Lebensformen. Ich schaute fasziniert zu, wie Sara und Keith zunehmend sich selbst verloren, indem sie, wie sie selbst glaubten, mehr Weltoffenheit gewannen. Voyeuristisch schaute ich als Leserin diesen Menschen beim Leben zu und wartete gespannt auf das entscheidende Drama. Eine seltsame Spannung liegt über dem gesamten Buch, sehr eindringlich ist es geschrieben, mit großartiger Beobachtungsgabe in Szene gesetzt, mit schönen Wortbildern („… wie eine psychedelische Trappfamilie…“) farbig gemalt. Auch psychologisch stimmig werden die Menschen dargestellt, von sehnsüchtiger Unsicherheit bis zur exaltierten Selbstüberschätzung wird eine große Bandbreite menschliche Eigenschaften anhand von kleinen Szenenschnippseln bildlich nachvollziehbar  gemacht.  Für mich erscheint dieses gelungene Buch wie ein langer, sehr langer Tanz um das Feuer und der voyeuristische Leser wartet von Seite zu Seite darauf, wann sich wer wie schwer verbrennen wird.

 

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Catherine Shepherd

Der Flüstermann

 

 

·         Taschenbuch: 334 Seiten

·         Verlag: Kafel Verlag

·         ISBN-13: 978-3944676203

 

 

Höchste Erwartungen in Perfektion erfüllt

 

Meine Erwartungen an jedes neue Buch von Catherine Shepherd sind hoch, höher, am höchsten. Und jedes Mal erfüllt Catherine Shepherd diese meine höchsten Erwartungen aufs Neue in Perfektion.  Allein schon für diese Verlässlichkeit in puncto Thrillerspannung pur schätze ich die Autorin sehr. Auch bei dem vorliegenden Buch geht es mir so: Ich beginne zu lesen und habe das Gefühl, vor Spannung den Atem anzuhalten, bis ich am Ende angelangt bin, nach Luft schnappend…

Um nicht zuviel vom Inhalt zu verraten, nutze ich dieses Mal den Klappentext zur Einstimmung: Ein grauenvolles Video taucht im Internet auf. Eine junge Frau wird vor den Augen aller Welt ermordet. Der Täter flüstert ihr vorher etwas ins Ohr, das Laura Kern zutiefst schockiert. Die Spezialermittlerin arbeitet auf Hochtouren, doch bereits nach kurzer Zeit wird ein neues Video veröffentlicht. Der Killer scheint seine Opfer wahllos von der Straße zu holen. Bevor er tötet, testet er sie. Laura jagt ein Monster, das ihr immer einen Schritt voraus ist. Erst viel zu spät entdeckt sie ein dunkles Geheimnis, das sie auf die Spur des Serienmörders bringt. Aber der hat das nächste Opfer längst in seiner Gewalt, und niemand vermag zu sagen, ob Laura ihn rechtzeitig stoppen kann.“

 

Die Meisterschaft von Catherine Shepherd liegt darin, durch schnelle Perspektiv- und Zeitenwechsel den Leser durchs Buch zu jagen. Perfekt gesetzte Cliffhanger hangeln ihre Fangarme nach dem Leser und halten ihn fest, sodass ihm nichts anderes übrig bleibt, als weiter von Kapitel zu Kapitel zu eilen, in alle von der Autorin als verlockend angezeigten Fallen zu tappen, sich wieder aufzurappeln und weiter und weiter zu lesen bis zum Herzschlagfinale. Die Protagonisten sind wie immer absolut stimmig dargestellt, die erzählte Geschichte eines die Jahre überdauernden Racheverlangens ist nachvollziehbar. Alle Zutaten werden in gekonnter Weise zu einem atemberaubend spannenden Thriller gemixt. Aber seien Sie gewarnt: Beginnen Sie das Buch nur, wenn nichts und niemand auf Sie wartet, denn Sie werden, solange Sie lesen, Ihr Umfeld restlos vergessen!

 

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Antje Wagner

Hyde

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 408 Seiten

·         Verlag: Beltz & Gelberg

·         ISBN-13: 978-3407754356

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 15 - 17 Jahre

 

 

Grandios erzählt

 

Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an, nein, schon beim genaueren Betrachten des Covers, in seinen Bann gezogen und bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen! Da ich den Inhalt nicht erzählen kann, ohne Wesentliches der Geschichte zu verraten, bemühe ich dieses Mal ausnahmsweise den Klappentext: „Seit sie denken kann, ist Hyde Katrinas Zuhause gewesen. Hier ist sie aufgewachsen, mit ihrer Schwester Zoe und ihrem Vater. Jetzt ist Hyde verschwunden – und Katrina auf sich allein gestellt. Von dem, was geschehen ist, weiß sie nur noch Bruchstücke. Als sie beginnt, ein verfallenes Haus zu renovieren, mit dem sie sich auf seltsame Weise verbunden fühlt, führt sie dies auf die Spur eines ungeheuren Geheimnisses. Ist sie überhaupt diejenige, die sie glaubt zu sein?“

 

Das Buch ist meiner Meinung nach grandios geschrieben. Zwei Erzählstränge, Gegenwart und erinnerte Vergangenheit, werden aus Sicht von Katrina erzählt. Katrina ist eine seltsame Achtzehnjährige, Tischlerin auf der Walz, mit einer undeutlichen Aussprache und einem Tuch vor dem Gesicht. Die beiden Erzählstränge bewegen sich erst einmal in langsamen Schritten aufeinander zu, aber je mehr die Handlung voranschreitet, desto schneller finden die Sprünge von Jetzt zu Früher und zurück statt, wobei von Abschnitt zu Abschnitt immer neue Wendungen, neue Fragen, Rätsel und Ungewissheiten auftreten. Allein schon dieses Stilmittel schafft eine Steigerung der Spannung, die atemlos macht. Die Person Katrina, überhaupt alle Personen im Buch, werden außerordentlich lebendig beschrieben, man kommt Katrina im Laufe des Buches als Leser sehr nahe, was ebenfalls einen Teil der Spannung ausmacht. Und dann ist da für mich persönlich das wichtigste Element, der großartige Sprachstil, der teilweise fast expressionistisch mit Wörtern malt wie z. B. die Abendstimmung wie „Johannisbeersirup – ausgelaufen am Himmel“, und so die Geschehnisse, die durchaus auch etwas Mystisches haben, ganz und gar stimmig erzählt. Das Buch löst einen gewaltigen Sog aus, so dass man sich als Leser restlos im Geschehen verliert und die vielen angeschnittenen Themen und damit verbundenen Gefühle hautnah erlebt.

 

Fazit: Ein grandios erzähltes Buch, fesselnd, erschreckend, intensiv – und keinesfalls „nur“ ein Jugendbuch!

 

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Julie Peters

Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg

 

 

·         Broschiert: 320 Seiten

·         Verlag: Aufbau Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3746634135

 

 

 

 

Unaufgeregt-sympathische Sommerlektüre

 

 

Noch ein letzter Auftrag für die Redaktion, dann Abflug in ein neues Leben in Boston, zusammen mit Freund Harald, zur Gründung einer eigenen Agentur! Frieke ist Journalistin, liebt ihr Smartphone und liebt es zu twittern. Und nun soll sie noch schnell vor Abreise auf die Insel Spiekeroog, um einen verschrobenen Ornithologen, Bengt Gerjets, zu interviewen. Dieser Vogelkundler lebt zurückgezogen und fern aller Bequemlichkeiten der modernen Zeit in einem Bauwagen und beobachtet Brandseeschwalbenkolonien. Oder hat ihr Chef, der auch ein guter Freund von Frieke ist, noch andere Gedanken, Frieke auf die Insel zu schicken? Denn ihr leibliche Vater, den Frieke nie gesehen hat, lebt auch auf Spiekeroog, schwer an Krebs erkrankt. Und dann gibt es noch die Inselbuchhandlung, deren Betreiber sich sehnlichst einen würdigen Nachfolger wünschen, damit sie selbst in einem Cottage in Irland ihren Lebensabend verbringen können.

 

Ja, richtig, das klingt nach Schmonzette. Und es klingt nach einer vorhersehbaren Geschichte. Und doch hat das Buch Qualitäten, die es von der befürchteten verkitschten Groschenheftchenromantik weit entfernt. Zum Beispiel hat es Humor. Da gibt es so manch eine schräge Situation, so manchen „wortreichen“ Ausspruch, der es auf den Punkt bringt. „Du bist Frieke“. „Und du bist Ole.“ Mehr nicht. So begegnen sich Frieke und ihr Vater erstmalig und gehen wieder ihrer Wege. Ostfriesisch knapp halt. Und dann ist da auch die unbedingte Liebe zur Literatur, zu Büchern. Ebba, die Betreiberin der Inselbuchhandlung, hat die Gabe, für jeden Menschen in seiner speziellen Situation genau das richtige Buch zu finden. Man ist als Leser überrascht, mit wieviel Literaturkenntnis solche Szenen geschrieben sind. Und dann ist da die Fähigkeit der Autorin, sehr bildhaft nachspürbar die besondere Ausstrahlung der Insel Spiekeroog in Worten zu malen, die Kraft der Natur geradezu fühlbar zu machen. In einem lebendig-frischen Erzählstil bringt uns die Autorin ihre Protagonisten näher, die alle besondere, eigenständige, psychologisch nachvollziehbare, aber vor allen Dingen sympathische Persönlichkeiten sind. Insgesamt gesehen eine anrührend-unterhaltsam und wohltuend unaufgeregt erzählte Geschichte, eine wohltuend sommerleichte Sommerlektüre.

 

Lediglich einige Rechtschreibfehler, insbesondere in der Großschreibung, stören den guten Gesamteindruck. Und jemand sollte der Autorin noch die alte, aber immer noch gültige Regel beibringen: „Wer brauchen ohne „zu“ gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.“

 

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Ebba D. Drolshagen

Zwei rechts zwei links

 

·        Gebundene Ausgabe: 251 Seiten

·         Verlag: Suhrkamp Verlag

·         ISBN-13: 978-3518468142

 

 https://www.suhrkamp.de/buecher/zwei_rechts_zwei_links-ebba_d_drolshagen_46814.html

 

 

Durch mehr Wissen zu mehr Wertschätzung

 

 Der Untertitel „Geschichten vom Stricken“ führt ein wenig in die Irre. Nein, es sind keine Geschichten, es ist vielmehr EINE Geschichte, DIE Geschichte des Strickens, diese allerdings  wunderbar leicht und locker und kurzweilig erzählt.  Entsprechend gut lesbar ist dieses Buch, unterhaltsam und humorvoll.

 

Mit einem sehr klugen Vorwort von Martina Behm wird man eingestimmt in die Welt des Strickens, der Stricker und Strickerinnen, in das Reich der Wolle vom 12. Jh.  bis heute. „Stricken schafft ungewöhnliche Verbindungen, setzt kreative Kräfte frei und macht auf diese Weise die Welt ein kleines bisschen besser.“ Wie wahr. Und schon wird man zu den Anfängen des Strickens geleitet, und weiter durch die Jahrhunderte hinweg, bis man in der Gegenwart und natürlich beim Internet landet. Wussten Sie, dass 1565 in England ein Gesetz erlassen wurde, nach dem jeder, der älter als 6 Jahre war, an Sonn- und Feiertagen eine Wollmütze zu tragen hatte, gefertigt von englischen Mützenmachern? Dass über viele Jahrzehnte hinweg das Stricken dem Broterwerb diente und selbst 3-und 4-Jährige schon mitstricken mussten? Oder dass Virginia Woolf eine leidenschaftliche Strickerin war? Erst nach dem 2. Weltkrieg mutierte das Stricken zum Hobby, die Modelle entwickelten sich weg vom Nützlichen, Wärmenden hin zum Besonderen mit Chic und Pfiff, zu einem Modemittel, mit dem die Strickerin sich selbst  ausdrücken möchte.

 

Dieses Buch ist ein lebendiges Geschichtsbuch, aber auch eine durchaus kritische Sozial- und Klassengeschichte. Und es hat noch sehr viel mehr in sich. Während man von Kapitel zu Kapitel liest, über Färben und Farben, über die schwindelerregende Mustervielfalt, landestypisch, historisch-traditionell, oder über Passform und Wertschätzung, Gesundheit und Designerinnen, spürt man über allem hinweg die große Liebe der Autorin zum Stricken und ihr Wissen darum, dass Stricken nicht nur Mützen und Schals produziert, sondern auch eine reiche Welt der Gefühle.

Fazit: Ein Buch, das bei jeder passionierten Strickerin ein besonderes Plätzchen finden sollte, weil es sowohl Wissen als auch Wertschätzung vermittelt.

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Dumont Reise-Handbuch

FINNLAND

 

·         Taschenbuch: 368 Seiten

·         Verlag: DUMONT REISEVERLAG

·         ISBN-13: 978-3770177325

  

Oi maammee, Suomi, synnyinmaa

 

Als ich die Bekanntschaft einer sehr klugen Dame machte, die gebürtige Finnin ist, erwachte meine Neugier für dieses Land. Nach Lektüre des Dumont Reise-Handbuchs Finnland verstehe ich diese Bekannte und all ihre Erzählungen und Kindheitserinnerungen sehr viel besser.

 

Das Dumont Reise-Handbuch hat mir sehr, sehr viel Wissenswertes über das „Land der tausend Seen“ in übersichtlich-komprimierter Form vermittelt. In dem umfangreichen Führer gibt es alles zu finden: Die Geschichte des Landes: 6 Jahrhunderte war Finnland unter schwedischer Herrschaft, dann gehörte es zum Großfürstentum des zaristischen Russlands und wurde erst 1917 eigenständig. Oder dass der Ausdruck „Land der tausend Seen“ arg untertrieben ist, denn allein rund ums Festland gibt es 98.000 Inselchen, dazu 81.530 Inseln in der zu Finnland gehörenden Ostsee. Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft, Essen und Trinken – nichts bleibt unbeachtet. Erst nach diesem umfangreichen allgemeinen Teil durchwandert der Reiseführer Region für Region durch Finnland bis hoch nach Lappland, berichtet von Sehenswertem, von Besonderem und gibt die jeweils hilfreichen Touristen-Tipps dazu. Eine beigefügte Finnland-Karte im Maßstab 1:850.000 unterstützt die geistige Reise durch dieses wunderbare Land.

 

Ich hatte leider nur die Ausgabe von 2012 in Händen. Inzwischen gibt es eine neue aktualisierte Ausgabe. Ein sehr empfehlenswerter Reiseführer

 

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Claus Steinrötter, Antje Vogel

Auf der Suche nach der verlorenen Socke

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 24 Seiten

·         Verlag: Coppenrath

·         ISBN-13: 978-3649618584

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 36 Monate - 6 Jahre

 

 

Ringelfröhlich und herzallerliebst

 

 

Was für ein unglaublich zauberhaft-liebevolles Buch! Ich finde kaum die richtigen Worte, um meiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen.

Vorweg: Ich liebe Wolle, ich liebe Stricken und ich liebe handgestrickte Socken. Und so hüpft das Buch, das mit einer leibhaftigen Socke am Band bestückt ist, schon gleich mitten in mein wollstricksüchtiges Herz hinein. Und ich liebe bunte Bücher mit bunten Bildern und bunten Geschichten. Und so ist das Buch sofort auch in mein buchverrücktes Herz geschlüpft.

 

In wortgeschickten Reimen schickt uns die Socke, die immer wieder verschwindet oder stibitzt wird, zu verschiedenen fantasievollen Örtlichkeiten wie auf den Vogelkäferwurmwimmelbaum oder ins Unterwasserteichgetümmel, bis nach den vielen Socken-Abenteuern eine Sockenzwangknallparty alle fröhlich zusammen feiern lässt. Die Reime sind im Inhalt so herzlich-sanft, humorvoll und im Rhythmus so musikalisch-einprägend, dass man sie gerne laut lesen mag  und Kinder wie Erwachsene sie sofort lieben und immer wieder hören wollen. Wer kennt nicht aus seinem eigenen Leben das Rätsel der verschwundenen Socke. Dieses Buch für Kleine und Große offenbart das geheime Leben der Socken!

Der Text ist sozusagen das eine gelungene Standbein bzw. die eine perfekt gestrickte Standsocke des Buches. Das zweite sind die unfassbar schönen, phantasiereichen, bis ins kleinste Detail gezeichneten wunderbaren Illustrationen von Antje Vogel. Frösche segeln auf Störchen, Marienkäfer hängen frisch gewaschen auf der Leine, das Kamel ist gut bekleidet, und alle, alle, alle tragen Socken, uni oder ringelbunt, getupft oder ringelfröhlich. So oft man das Buch auch in die Hand nimmt: Immer wieder entdeckt man Neues, ein weiteres witziges Detail. Und wen wundert es da, dass die Lehrtafel in der Häschensockenstrickschule die, wie die Strickerin weiß, genau die korrekten Maschen und Maße angibt.

Fazit: Für mich das warmherzigste und phantasievollste Geschenkbuch für jedes Alter, das ich seit langem in Händen hielt.

 

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René Wadas

Hausbesuch vom Pflanzenarzt

 

 

·         Taschenbuch: 256 Seiten

·         Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag

·         ISBN-13: 978-3499633546

 

 

  

 

Pflanzen kommunizieren untereinander und mit uns

Der Untertitel „Tipps und Tricks für Garten und Balkon“ suggeriert einen gärtnerischen Ratgeber, ein Nachschlagewerk vielleicht sogar, versehen mit Register und einer übersichtlichen Gliederung. Wer das erwartet, wird bitter enttäuscht. Schade, dass der Verlag auf diese Weise völlig falsche Erwartungen weckt.

 

Das Buch ist eher eine Art Plauderei über den Gartenzaun hinweg. Leicht und locker und amüsant erzählt der Autor von seinen diversen pflanzenärztlichen „Notfalleinsätzen“, und während er beim Erzählen vom Hundertsten ins Tausendste kommt, liest man so ganz nebenbei den einen oder anderen Ratschlag, wobei es weniger um das Bekämpfen als um das Stärken der Pflanzen geht. Oder noch eher um das Verstehen der Pflanzen, die uns deutlich zeigen, was ihnen gefällt und was nicht. Wadas gibt uns die Ermutigung, unseren eigenen Beobachtungen und Erfahrungen zu trauen, sein Buch macht Lust auf Grün, ganz ohne Stress. Und er schult unsere gärtnerische Wahrnehmungsfähigkeit auf sehr intensive Weise, einfach nur durch sein Erzählen. Da sehe ich gerne darüber hinweg, dass der Autor nicht frei von Eitelkeiten ist und bei Schilderung der Kundenkontakte auch so manches Klischee bemüht oder dass seine Plaudereien nicht immer wissenschaftlich korrektes Denken wiedergeben. Seine uneingeschränkte Liebe gilt der Natur, und das lässt er uns in seinem Buch auf unterhaltsame Weise spüren.

 

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James Grippando

Zwischen Wahrheit und Lüge

 

 

·         Broschüre: 432 Seiten

·         Verlag: HarperCollins

·         ISBN-13: 978-3959672139

 

  

Ein nicht endendes Vexierspiel

 

Was für ein Albtraum! Isabelle Bornelli und Ehemann Keith, reicher Bankenmanager, fliegen von ihrem Wohnort Hongkong nach Miami zusammen mit ihrer fünfjährigen tauben Tochter Melany, der in Miami  von durch eine Operation im Ohr geholfen werden soll. Jack Swyteck, Strafverteidiger und alter Freund von Keith, erwartet die Familie am Flughafen. Er muss miterleben, wie Isabelle unmittelbar nach Ankunft noch im Flughafengebäude verhaftet und in Handschellen abgeführt wird. Anklage Mord! Jack übernimmt den Fall und wird damit hineingezogen in ein nicht endendes Vexierspiel zwischen Wahrheit und Lüge.

 

Der Einstieg in das Buch ist sehr spannend und emotional eindringlich geschrieben. Das gesamte Buch ist flott zu lesen. Insbesondere die reichlich angewandte Methode der  wörtlichen Rede macht die dargestellten Charaktere lebendig und lässt den Leser unmittelbar am Geschehen teilhaben. Der eigentliche Spannungsbogen des Buches entsteht aus der Tatsache heraus, dass man bis zum Ende, das in relativ unspektakulärer Weise  Aufklärung bringt, nicht wirklich weiß, ob Isabelle schuldig ist oder nicht. Jedes Gespräch, jeder neue Zeuge, jede neue Verteidigungsstrategie bringt zwar ein weiteres Mosaiksteinchen des damaligen Geschehens an den Tag, aber der Leser bleibt dennoch weiter im Ungewissen. Und genau diese Tatsache, zwar brillant beschrieben, brachte für mich jedoch mit sich, dass ich das nicht enden wollende Justiz- und Gerichtsgeplänkel streckenweise satt hatte. Mir fehlte außerdem, abgesehen vom Buchanfang, der emotionale Draht zu den Akteuren, sodass ich oft nur wie ein unbeteiligter Zuschauer weiterlas. Der Autor, selbst ehemals Strafverteidiger, jongliert sich mit dem amerikanischen Justizsystem, mit der Frage Opfer oder Täter, gekonnt durch die Buchseiten, mir jedoch mitunter allzu nüchtern und streckenweise ermüdend.

 

Leider sehr störend sind die vielen Fehler im Buch. Häufig wird die Großschreibung von Sie, Ihr oder Ihnen nicht beachtet. Oder „erschrocken“ und „erschreckt“ wird verwechselt. Und was ist das für ein Wort: „hemdsfrei“?

 

Fazit: Ein gekonnt und routiniert geschriebener Justizthriller, sehr amerikanisch, flott zu lesen, mit einem mäßig-gleichbleibenden Spannungsbogen, der die Frage offen lässt, wie genau Schuld zu definieren wäre.

 

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Anja Toonen

Tierhocker Häkeln Teil 1 + 2

 

·         Gebundene Ausgabe 

·         ISBN-13: 978-9492602077 + ISBN-13:978-9492602060

 

 

Tierisch gut

  

Von Anja Toonen gibt es mehrere ganz zauberhafte Anleitungsbücher, leider sind nicht alle aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzt. Doch glücklicherweise wurde die geniale Idee, Tierhocker zu häkeln, in 2 Teilen ins Deutsche übertragen.

 

Nehmen Sie einen preisgünstigen hölzernen Kinderhocker, zücken Sie Ihre Häkelnadel, und mit ein wenig Zeitaufwand erwecken Sie allerlei tierische Sitzgenossen zum Leben wie z. B. Kuh, Marienkäfer, Rentier, Löwe, Elefant, Zebra und viele andere.

 

Nach einer allgemeinen Aufzählung der benötigten Materialien, einer Beschreibung, wie Sie dem Hocker eine weiche Sitzfläche verpassen, folgen die Grundanleitungen für das Behäkeln der Sitzfläche, dem Häkeln von Beinen, Kopf, Hals etc. Erst dann geht es über zur exakten Anleitung für das jeweilige Tier, auch hier sehr detailliert und präzise beschrieben. Viele Detailfotos veranschaulichen den jeweiligen Häkelschritt und tragen wesentlich zum Verständnis der Anleitungen bei.

 

Fazit: Wer eine gewisse Häkelroutine mitbringt, dem gelingen die Hockertiere anhand der sorgfältig erarbeiteten Anleitungen ganz ohne Probleme. Ich selbst habe zuerst den Elch gehäkelt, der Elefant ist derzeit in Arbeit. Ich kann also aus eigener Erfahrung allen Häkelfans das Buch Teil 1 und 2 uneingeschränkt empfehlen.

 

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Amy Meyerson

Ein Himmel voller Bücher

 

 

·         Broschiert: 448 Seiten

·         Verlag: HarperCollins

·         ISBN-13: 978-3959671620

·         Originaltitel: The Bookshop of Yesterdays

 

 

 

Ein guter Plot, leider totgeschwätzt

 

Große Erwartungen hatte ich an das Buch. Nicht nur, weil es so lange auf sich warten ließ, sondern weil sowohl der Buchtitel als auch der Klappentext eine spannende Handlung rund um einen Buchladen versprachen: „Eine bunte Postkarte aus Malibu, eine alte Ausgabe von Shakespeares Der Sturm und der kleine, kurz vor dem Bankrott stehende Buchladen Prospero Books in Los Angeles. Die junge Lehrerin Miranda Brooks staunt nicht schlecht über das einzigartige Vermächtnis ihres Onkels Billy. Schon immer hat er ihr Rätsel aufgegeben. Warum hat er ihrer Familie den Rücken gekehrt? Warum spricht ihre Mutter nie über ihn? Miranda folgt der Spur der Botschaften, die er für sie versteckt hat – und die sie nicht nur in die Welt der Bücher führt, sondern ihr Leben von Grund auf ändert.“  Ein Plot also mit großem Potenzial, aber…

 

Für Miranda, die Ich-Erzählerin, wird die Erbschaft eine Reise in die Vergangenheit, vielleicht auch ein Stück weit zu sich selbst. Sie wird posthum von ihrem Onkel Billy auf sehr verschlungenen Rätselwegen durch ein familiäres Lügengespinst geleitet, wobei der Leser relativ früh im Buch erahnt, wohin die Reise gehen wird und genau deswegen sich spätestens ab der Hälfte des Buches entsetzlich langweilt! Der Einstieg ins Buch ist spannend, geradezu fesselnd geschrieben, aber je weiter man liest, umso mehr wird man von zunehmender Lesemüdigkeit erfasst. Denn alles Wesentliche ist bereits nach 100 Seiten ausgereizt. Was mich persönlich besonders ärgerte, war die schier endlos währende Tatenlosigkeit angesichts des prekären Zustands der Buchhandlung. Es wird ungezählte Male bejammert, dass die Buchhandlung nur noch ein paar Wochen überleben kann, aber dennoch steht der „Geschäftsführer“ Malcolm hinter dem Tresen und liest. Oder es fließt Alkohol in großen Mengen. Aber von Analysieren, Anpacken oder gar Arbeiten hält keiner etwas. Was den Schreibstil an sich betrifft, gibt es durchaus viele Stellen, die in sehr schöner Sprache Schilderungen beinhalten, die alle Sinne des Lesers ansprechen. Aber diese eindrücklichen Stellen werden dann wieder sehr schnell totgeschwätzt mit vielen unnützen Details. Mitunter drängt sich der Gedanke auf, die Autorin benötigte lediglich eine Plattform, auf der sie ihr Literaturwissen ausbreiten konnte. Wie schade!

 

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Tessa van Riet-Ernst

Woolytoons Kuscheldecken

 

 

·         Taschenbuch

·         Verlag: Scheepjes

·         Sprache: Deutsch

·         ISBN-13: 978-9491840265

 

 Zauberhafte Schnuffeltücher zum Häkeln

 

Wann immer die niederländische Wollfirma Scheepjes ein Anleitungsbuch in deutscher Übersetzung herausbringt, bin ich eine der ersten, die es haben muss! Immer sind es besondere und sehr liebenswerte Häkelvorschläge, die nachzuarbeiten viel Freude machen.

 

Im vorliegenden Buch hat Tessa von Riet-Ernst die ja schon hinlänglich bekannte Idee des Schnuffeltuchs noch weiter ausgearbeitet und eine Kombination von Kuscheltier und Kuscheldecke geschaffen. So hat das Kuscheltier lange Schlenkerarme zum Umarmen oder zum Hinterherziehen und gleichzeitig gibt die Schmusedecke Behaglichkeit und Schutz. Nicht nur Kinder werden diese Tier-Schuffeltücher lieben. Auch Demenzkranke mögen solche weichen Tier-Tücher sehr!

 

Das Buch enthält 11 verschiedene Anleitungen, das ist mehr als ausreichend. Einhorn, Affe, Ente, Drache, Schaf, Maus, Bär, Kaninchen, Elefant, Schweinchen, Pinguin – da ist mit Sicherheit ein Lieblingstier dabei. Mir gefällt ausnehmend gut, dass die Tiere alle eine freundliche, liebe Ausstrahlung haben. Die Anleitungen sind außerordentlich detailliert und genau Schritt für Schritt beschrieben, vorneweg mit einem Häkelgrundkurs beginnend, folgend ein paar grundsätzliche hilfreiche Tipps und daran anschließend die präzise Anleitung der jeweiligen Decke incl. Materialbedarf, Häkelschrift und beschreibender Arbeitsanweisung und ergänzt durch Detailfotos zur Veranschaulichung.

 

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass alle Schnuffeltücher problemlos nachzuarbeiten sind – dank der perfekten und genauen Anleitungen auch von nicht so routinierten Häkelfreunden leicht zu bewältigen. Rundum empfehlenswert!

 

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Evelyn Kühne

Dünenzauber

 

·         Taschenbuch: 320 Seiten

·         Verlag: Forever

·         ISBN-13: 978-3958189706

 

 

 

 

 

Sommerleichte Lektüre

Eingestellt war ich auf eine vorhersehbare  und seichte Geschichte. Aber dann hat mich die Autorin doch überrascht, denn ich habe das Buch sehr gerne gelesen und kann es als angenehme Urlaubs- oder Sommerlektüre empfehlen, auch wenn die Handlung hauptsächlich usseliges Novemberwetter aufweist.

 

Die Verlagsankündigung verrät nur einen Teil der Geschichte: Klara fällt aus allen Wolken, als ihre Freundin Jessi ihr eröffnet, dass sie heiraten möchte und zwar schon in drei Wochen. Doch beste Freundinnen sind füreinander da, also packt Klara kurzerhand ihre Sachen und fährt zusammen mit Jessi nach Prerow an die Ostsee, wo die Hochzeit stattfinden soll. Die Hochzeitsplanung gestaltet sich jedoch mehr als schwierig, vor allem als Jessi Klara ein Geheimnis anvertraut, was deren Welt ins Wanken bringt. Und dann ist da auch noch ein mysteriöser Fremder, der Klara immer wieder über den Weg läuft und ihr Herz höherschlagen lässt. Wird die Hochzeit trotz aller Widrigkeiten stattfinden? Und wer ist der Mann, zu dem sich Klara auf unerklärliche Weise hingezogen fühlt?

 Das Anliegen der  Autorin ist, den Leser zu berühren und ihn aus dem Alltag zu entführen. Dies ist ihr mit dem vorliegenden Buch perfekt gelungen.  Evelyn Kühne erzählt sehr lebendig und anschaulich, wie die zwei Freundinnen, die unterschiedlicher gar nicht sein könnten, mit den reichlich auftretenden Problemen umgehen. Die Charaktere sind glaubhaft und nachvollziehbar ausgearbeitet, und an Spannung fehlt es auch nicht. Eine Prise Humor und die eindrücklichen Landschaftsschilderungen geben der Handlung das rechte Maß an „Würze“. Das Buch ist eine wunderbare Hommage an die Freundschaft und vor allen Dingen an den Ort Prerow an der Ostsee, letzteres so sehr, dass man gerne selbst die Gegend kennen lernen möchte – vielleicht nur nicht ausgerechnet im November…

 

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Caroine Bernard

Die Muse von Wien

 

 

·         Broschiert: 496 Seiten

·         Verlag: Aufbau Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3746633923

 

 

Prächtiges Zeitgemälde ohne Tiefgang

Beginn 20. Jahrhundert. Alma Schindler, privilegiert aufwachsend in einer wohlhabenden Wiener Künstlerfamilie, erhält eine sehr umfasssende kulturelle Bildung, ist vielseitig interessiert und offen-neugierig für all die vielfältigen künstlerischen Entwicklungen in Wien. Sie liebt es, am Klavier zu improvisieren und zu komponieren. Jeder, der ihr begegnet, ist fasziniert von ihrer Schönheit und Intelligenz. Aus den Begegnungen mit Klimt, der sie malen möchte,  entsteht eine jugendlich-schwärmerische Liebe, die erst ein Ende findet, als Alma Gustav Mahler kennenlernt und seinem alles überragenden Genius verfällt. Als seine Ehefrau muss sie alle eigenen Wünsche hintanstellen, was sie viele Jahre auch gerne tut, denn Gustav liebt sie sehr und Alma weiß, dass sie mit einem der größten Musiker dieser Zeit verheiratet ist. Erst einige Jahre und Schicksalsschläge später findet Alma zurück zu sich selbst…

 

Es empfiehlt sich, das Buch ohne viele Unterbrechungen zu lesen. So taucht man völlig ein in die Welt des Jugendstil, der Wiener Bohème, der Wiener Secession. Das Buch beschreibt sehr farbenprächtig und eindringlich das schillernde künstlerische Leben in Wien, das einerseits mit Judenfeindlichkeit und an Konventionen gebunden kleinbürgerlich wirkt, andererseits aber auch neuen Kunstrichtungen ein Podium gewährt und bereit ist, seinen Künstlern frenetischen Beifall zu zollen. Die Schilderungen des Wien dieser Zeit, in der Kunst einen so großen Raum einnahm wie sonst nie, sind großartig gelungen. Man spürt in so manchen geschilderten Details die mühevoll-sorgsame Recherchearbeit, die dem Roman zugrunde liegt. Aber auch die der Fantasie der Autorin entsprungenen Details sind so gut eingearbeitet, dass sie durchaus als möglich angesehen werden können. Viele Künstlerbegegnungen werden sehr lebendig geschildert, Richard Strauß mit seiner dümmlichen, tratschsüchtigen Frau zum Beispiel. Überhaupt begegnet man vielen großen Namen, Caruso, Schaljapin, Sigmund Freud, Walter Gropius und viele andere finden im Buch mehr oder weniger ausführlich ihren Platz.

 

Mit der Darstellung Alma’s, ganz Kind ihrer Zeit, konnte ich mich allerdings nicht in allen Passagen anfreunden. Sie wird beschrieben einerseits als eine kluge, hochgebildete, vielseits verehrte und begehrte Frau, andererseits wirkt sie aus der Sicht der Autorin, was Beziehungen, Mutter-Sein oder Selbstwahrnehmung betrifft, oftmals fast kindlich-naiv und unreflektiert, für den Leser deutlich spürbar in etwas langatmigen Erzählteilen. Mein persönlich größter Kritikpunkt ist allerdings, dass an keiner Stelle im Buch die Musik von Gustav Mahler dem Leser wirklich nahe gebracht wird. Es wird von der Musik erzählt, das ja, von Sinfonien, von Kindertotenliedern, aber ich fand keine einzige Stelle im Buch, an der es der Autorin gelungen wäre, den Leser in die unglaublich intensive und tiefe Musik von Gustav Mahler eintauchen zu lassen. Denn nur so, wirklich nur so, wäre die Hingabe Alma’s an den Genius Gustav Mahler nachvollziehbar gewesen. Insofern bleibt das Buch für mich ein gut und farbenprächtig erzähltes geschichtliches Zeitgemälde ohne echten Tiefgang.

 

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Claire Douglas

Missing

 

·         Broschiert: 448 Seiten

·         Verlag: Penguin Verlag

·         ISBN-13: 978-3328101697

·         Originaltitel: Local Girl Missing / The Pier

 

 

 

Wahre Freundschaft?

 

 

 

Eine innige Freundschaft verbindet Francesca und Sophie von klein auf. Sie sind unzertrennlich, haben keine Geheimnisse voreinander und verbringen all ihre Zeit zusammen, oft gemeinsam mit ihrer Clique am baufälligen Pier sitzend. Da verschwindet eines Nachts Sophie spurlos. Und bleibt verschwunden. Niemand weiß, ob sie noch lebt oder tot ist. 18 Jahre später kehrt Francesca, eine inzwischen beruflich sehr erfolgreiche Geschäftsfrau, an den Ort ihrer Kindheit und Jugend zurück, und zwar auf  Bitten von Daniel, dem Bruder der verschwundenen Sophie. Es seien Leichenteile angespült worden, und Daniel brauche die Unterstützung von Francesca…

 

Die Autorin benutzt einen geschickten schriftstellerischen Dreh, um Damals und Heute zu verbinden. Sie lässt zum einen Francesca, genannt Frankie, erzählen, was in der Jetzt-Zeit geschieht, aber auch, welche Erinnerungen auftauchen, insbesondere über ihre Freundschaft zu Sophie, beunruhigende Wahrnehmungen, verstörende Feindseligkeiten alter Bekannter bis hin zu seltsamen Drohungen. Zum anderen berichtet Sophie tagebuchartig, 19 Jahre früher, über ihre Freunde und über Frankie, über ihre Freundschaft zu ihr. Durch die Darstellung aus zwei Perspektiven lernt der Leser Sophie und Frankie, deren gemeinsames und individuelles Erleben, ihr jeweiliges Umfeld, ihr Denken und Fühlen, sehr intensiv kennen. Auch wenn ich streckenweise die häufigen Perspektivenwechsel als etwas anstrengend zu lesen empfand, da ja beide Protagonistinnen in gleicher Weise Einfühlung fordern und man sozusagen mit seiner Einfühlung stets hin- und herspringen muss, so gewinnen doch genau durch diesen Sichtwechsel die geschilderten Personen sehr viel schärfere Konturen als bei einer einseitigen Erzählweise. Ich hatte beim Lesen ein ständig zunehmendes Gefühl der Spannung, da jedes Kapitel wie bei Hänsel und Gretel einen Brotkrumen mehr auf den jeweiligen Weg von Frankie und Sophie streut, bis Vergangenheit und Gegenwart an einem entsetzlichen Punkt zusammentreffen. Ein gut und spannend zu lesender Thriller, sehr zu empfehlen.

 

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Gard Sveen

 

Der einsame Bote

 

·         Broschiert: 304 Seiten

·         Verlag: List Hardcover

·         ISBN-13: 978-3471351505

·         Originaltitel: Blod i dans

 

 

 

 

 

Enttäuschend

 

Von Gard Sveen hatte ich bislang noch nichts gelesen. Insofern begann ich vorurteilsfrei mit diesem  Band 3 rund um den Ermittler Tommy Bergmann. Jetzt, am Ende des Buches, weiß ich ganz sicher, dass ich nichts mehr über Tommy Bergmann lesen möchte.

 

So wird das Buch von Verlagsseite beworben: Kommissar Tommy Bergmann hat sich an einem hoffnungslosen, längst zu den Akten gelegten Fall festgebissen. Seine Kollegen wenden sich von ihm ab und wenn er seine Ermittlungen nicht einstellt, droht ihm die Suspendierung. „Der einsame Bote“ beginnt bedrückend. Bis Tommy Bergmann Hinweise auf eine alte Sekte findet, die junge Mädchen opfert, um das Seelenheil von Mördern zu retten. Ist das die Spur, die er seit Monaten sucht? Kann er die totgesagte 13-jährige Amanda befreien und den Mörder fassen – und weitere Morde verhindern?

 

Das Buch hat mich von Anfang bis Ende völlig kalt und unberührt gelassen. An keiner einzigen Stelle hat es mich eingefangen, ich las es wie eine Pflichtlektüre, distanziert, ohne innere Beteiligung. Ich fühlte mich nie hineingezogen in die Geschichte. Ich sah sozusagen von außen zu, wie Tommy Bergmann wie ein Hund die Witterung aufnimmt und sich von nichts und niemandem mehr aufhalten lässt. Oder wie sich Susanne, Kollegin von Tommy, aus Sorge um ihr eigenes Kind schließlich auch auf Spurensuche begibt. Was ist an diesem Buch, dass man es mehr oder weniger interessiert wie einen mäßig interessanten Zeitungsartikel durchliest, den man nach Lektüre gleich wieder vergisst? Da ist zum einen meiner Meinung nach der fehlende Spannungsbogen. Zuviel wird in dunklen Ecken, hier und dort und dann auch noch in Litauen, herumgestochert. In verwirrender Schreibweise werden dem Leser nicht zusammenpassende Mosaiksteinchen vorgehalten. Aber Verwirrung zu schaffen, ohne den erkennbar roten Faden durchscheinen zu lassen, bringt keine Spannung, sondern Leserdistanz. Und wenn dann noch der Hauptakteur im Buch jemand ist, dem man sich weder mit Sympathie noch mit Mitleid, schon gar nicht mit Verständnis, lesend nähern möchte, ist die Leserdistanzierung perfekt. Nichts für mich, schade.

 

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Terr Gerritsen

Sag niemals stirb

 

 

·         Broschüre: 304 Seiten

·         Verlag: HarperCollins

·         ISBN-13: 978-3959671842

·         Originaltitel: Never say die

 

 

Dschungel-Thriller

 

1970: Der Pilot Wild Bill Maitland stürzt nach einer Explosion an Bord seines Transportflugzeugs über dem Dschungel von Vietnam ab. Seine Leiche wird nie gefunden. 20 Jahre später: Seine Tochter, Willy Jane Maitland, will einen letzten Wunsch ihrer krebskranken Mutter erfüllen und macht sich auf die Suche nach dem verschollenen Vater. Sie reist nach Vietnam und trifft dort auf Guy Barnard, einen ortskundigen Paläontologen, der ihr seine Hilfe anbietet. Doch die Suche entwickelt sich schnell zu einer lebensgefährlichen Mission…

 

Dass Tess Gerritsen schreiben kann, dass sie Meisterin darin ist, Spannung aufzubauen, weiß man zur Genüge. Insofern waren meine Erwartungen an dieses Buch hoch. Und in der Tat schafft es die Autorin, mich in die mir fremde Welt Vietnams tief eintauchen zu lassen, die besondere Atmosphäre so intensiv und lebendig zu beschreiben, dass ich mitunter das Gefühl hatte, Hitze, Regen, Moskitos auf meiner eigenen Haut zu spüren. Und sie lässt mich in packender Weise teilnehmen an einer immer gefährlicher und bedrohlicher werdenden Suche. Jeder neue Kontakt, jedes neue Gespräch wirft neue Fragen auf, und der Leser wird immer mehr in ein geschicktes Verwirrspiel hineingezogen. Wer Freund oder Feind ist, wer Wahrheit spricht oder lügt, ändert sich nahezu bei jedem Schritt, den Willy tiefer hinein in das Gespinst der Vergangenheit macht. Willy, die sich mutig, aber auch recht naiv auf die Suche gemacht hatte, wird zunehmend selbst zur Gejagten, und so steigert sich der Spannungsbogen kontinuierlich bis zum rasanten Ende.

Auch wenn mich streckenweise das allzu breit ausgewalzte Hin und Her, dieses wenig nachvollziehbare „Beziehungsgedöns“ zwischen Guy und Willy nervte, hat mich der Thriller, der im Original bereits 1992 erschien, insgesamt bestens unterhalten. Es mag nicht das beste Buch von Tess Gerritsen sein, aber lesenswert ist es dank des ungewöhnlichen Plots auf jeden Fall.

 

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Anja Bogner

Bülent Rambichler und die fliegende Sau

 

 

·         Taschenbuch: 288 Seiten

·         Verlag: btb Verlag

·         ISBN-13: 978-3442716760

 

 

 

Ein türkisch-fränkischer Humor-Döner

 

Bülent Rambichler pflegt sich gerne und ausgiebig in seinem Wohnungs-Hamam, ist Hauptkommissar im Nürnberger Morddezernat und sträubt sich seit Jahren erfolgreich gegen jeglichen Außendienst. Als jedoch in seinem Heimatstädtchen Strunzheim die „Gelbwurst-Pflunzn“, die Fleischereifachverkäuferin Kerstin, gewaltsam zu Tode kommt, muss er doch seinen geliebten Schreibtisch verlassen und zusammen mit seiner yogabiegsamen veganen Assistentin Astrid Weber tief eintauchen in den fränkische Provinzmief.

Zwei Anmerkungen vorneweg: Im Buch ist „Allmächd“ mit t am Ende geschrieben, also Allmächt. Das könnte ein Franke gar nicht aussprechen, geschweige denn schreiben! Und da sich die Franken nicht als Bayern sehen, ist ein Wolpertinger als Titelbild nicht ganz so glücklich…

 

Anja Bogner hat meiner Meinung nach den perfekten Provinzkrimi geschrieben. Perfekt, weil die Geschichte als solche gute Krimiqualität hat und die Aufklärung durchaus überrascht. Perfekt, weil die fränkische Grobheit in der Sprache und im Humor, die fränkische Sturschädeligkeit wunderbar in Szene gesetzt wird.  Und perfekt, weil die Protagonisten in ihrer überzeichneten Darstellung, wie in einer Karikatur, Prototypen von Menschen sind, die man nicht nur in Franken findet: türkisch-stolze Eltern, träge Beamte, extrem neugierige Kleinstadtbewohner usw.

Schon viele Jahre lebe ich weit weg von meiner Heimatstadt Nürnberg, aber Anja Bogner hat es geschafft, mich mit ihrem Krimi nach nur wenigen Seiten mitten hinein in mein fränkisches Herz zu treffen. Da finde ich fränkische Mundartwörter, die fest zu meiner Kindheit gehörten und die ich schon vergessen hatte, wie z. B. der Hetscher (Schluckauf). Wenn Begriffe auftauchen, die zu tief in die fränkische Fremdsprache reichen, als dass ein Nicht-Franke sie verstehen könnte, gibt es entsprechende Übersetzungen als Anmerkungen, zusätzlich noch im Anhang ein Glossar „Fränkisch für den Hausgebrauch“. Anja Bogner trifft perfekt den derben Humor, hinter dem der Franke gerne sein großes Herz versteckt. Außerdem spielt die Autorin gekonnt mit Situationskomik, Krimispannung und Lokalkolorit, und der Leser merkt, dass sie selbst großen Spaß hat an diesem Spiel. Selten habe ich bei Lektüre eines Buches so oft so schallend gelacht wie bei diesem hier. 

Das Buch ist wie ein türkisch-fränkischer Döner, saugut!

 

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Gianumberto Accinelli

Der Dominoeffekt oder die unsichtbaren Fäden der Natur

 

 

·         Verlag: FISCHER Sauerländer

·         ISBN-13: 978-3737354714

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 9 Jahren

 

 

 

 

Zum Staunen gut

 

 

Alles ist mit allem verbunden, und wenn in diese Verbundenheit von Menschenhand eingegriffen wird, kann das unabsehbare Folgen für das Ökosystem haben.

 

Accinelli erzählt auf locker-unterhaltsame Weise in 18 erstaunlichen, unglaublichen, aber wahren Geschichten von solchen Eingriffen in die Natur und deren Folgen. Da gibt es Ereignisse, die gut ausgingen, wenn z. B. Schmetterlinge Rettung bringen vor einer Kaktusplage. Oder Geschichten ohne Ende, wie z. B. der Kampf Mensch gegen Kaninchen. Andere Geschichten wiederum sind so seltsam, dass man sie kaum glauben mag, wie z. B. die Geschichte über das Froschhotel in Panama. Jede Geschichte für sich ist so interessant, so spannend, so ungewöhnlich, dass sie Lust macht, weiter zu recherchieren, noch mehr zu erfahren und so tiefer einzudringen in das große Strickmuster der Natur. So ganz nebenbei, im Plauderton berichtet, erfahren wir so viel Wissenswertes, Wunderbares, Erstaunliches aus der Welt der Pflanzen und Tiere, dass dieses Buch nicht nur Kindern vorbehalten bleiben sollte, sondern dass auch Erwachsene es mit ganz großem Gewinn lesen sollten. Denn es kann uns etwas zurückgeben, was wir oftmals verloren haben: die große Ehrfurcht vor der Weisheit der Natur.

 

Die wunderbaren Zeichnungen von Serena Viola, die von fotogenau bis abstrakt mäandern, verbinden die Geschichten mit dem Faden, der wie in der Natur alles mit allem verbindet. Ein großartiges Buch!

 

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Renate Bergmann

Das kann man doch noch essen

 

 

Hörbuch, gekürzte Ausgabe

·         Spieldauer: 2 Stunden und 12 Minuten

·         Verlag: Der Audio Verlag

 

 

 

 

Kittelschürzen-Humor

 

Dank der großartigen Carmen-Maja Antoni, die liest, als säße sie selbst in der Kittelschürze am Küchentisch, habe ich das Hörbuch mit Vergnügen gehört.

Die Verlagsinformation sagt alles: „Die Hausfrau heutzutage ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Da werden nur noch Tiefkühlpizzen aufgewärmt und wie man Fenster richtig putzt, das weiß keine. … "Ein Stich Butter muss immer ran ans Gemüse, sonst kann der Körper die Fittamine gar nicht verarbeiten." Renate Bergmann weiß zu vielem etwas zu sagen und vor allem: alles besser. Ihre Weisheiten, Ideen, Ratschläge und Rezepte sind auf diesem amüsanten Hörbuch versammelt.“

 

Ich kam mir vor, als säße ich bei Oma in der Wohnküche und bekäme erzählt, was jemanden bewegt, der „getrennt von seinen Zähnen schläft“, aber dennoch hausfraulich und mitmenschlich gesehen echten Biss hat. Mit tiefster Entrüstung vorgetragen erfahre ich von schlampigen Nachbarn, die nicht einmal mehr die Teppichfransen kämmen. Und ich bekomme leckere Kuchenrezepte verraten, die ich sofort mitschreiben möchte. Es könnte gut sein, dass ich demnächst mal die Gardinen mit Backpulver einweiche, wer weiß…

 

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Gina Mayer

Hotel der verzauberten Träume

 

·         Gebundene Ausgabe: 144 Seiten

·        Verlag: Ars Edition

·         ISBN-13: 978-3845825762

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 9 - 11 Jahre

 

  

 

Zaubermittel gegen Lesemuffel

 

Ups - ein kleiner Tippfehler bei der Navi-Eingabe – und schon landet die Familie in einem uralten, winzigen Hotel an der Ostsee, 400 km entfernt vom eigentlich gebuchten Luxushotel an der Nordsee. Statt 3D-Kino und Feuerspucken, statt Tauchkurs, Riesenwasserrutsche und anderen angebotenen Freizeitunternehmungen nur die Bekanntschaft mit Dackel Dornröschen und Gans Agathe, und kein WLAN! Was für eine Enttäuschung für Joelle und ihren Bruder. Doch sehr schnell wandelt sich die Enttäuschung in ein spannendes Abenteuer. Denn die Hotelbesitzerin Fräulein Apfel ist irgendwie seltsam, als hüte sie ein Geheimnis. Das uralte Telefon an der Rezeption klingelt, obwohl es gar nicht angeschlossen ist. Und der ausgestopfte Seeadler, der normalerweise im  Hoteleingang sitzt, fliegt um Mitternacht über den Strand. Die Kinder entdecken schließlich noch auf dem Dachboden einen Raum, in dem Hunderte von Traumfängern hängen…

 

Ein richtig schönes Kinderbuch ist der Autorin Gina Mayer hier gelungen. Eine zauberhafte Geschichte wird lebendig und humorvoll erzählt, mit sehr liebenswerten Protagonisten. Die märchenhaften Elemente vermischen sich im ausgewogenen Maß mit einer richtig spannenden, geheimnisvollen Abenteuergeschichte. Das Buch findet genau die richtige kindgerechte Mischung zwischen Realität und Fantasie und bringt durch die spannende Handlung auch ausgesprochene Lesemuffel ans Lesen.  Unbedingt hervorheben möchte ich die liebevoll ausgearbeiteten Illustrationen von Gloria Jasionowski, die die erzählte Geschichte in perfekter Weise ergänzen. Und dass noch eine Bastelanleitung für Traumfänger im Buch zu finden ist, halte ich für eine prima Idee zur Vertiefung der Geschichte.  Rundum also: absolut empfehlenswert!

 

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Elisabeth Sandmann

Kluge Gedanken für Frauen, die Katzen lieben

 

 

·         Taschenbuch: 142 Seiten

·         Verlag: Insel Verlag

·         ISBN-13: 978-3458363286

 

 

 

Schnurrende Diva

 

Geschenkbücher für Katzenliebhaber gibt es reichlich auf dem Markt. Hier eine Lücke zu finden, eine Nische für das Besondere, ist schwierig, aber dem Insel Verlag ist dies, wie ich meine, mit dem vorliegenden Büchlein hervorragend gelungen.

 

Allein schon die Gestaltung des Taschenbuchs ist besonders. Jede Seite, wirklich jede Seite, ist farblich oder im Layout unterschiedlich gestaltet. So gibt es fliederfarbene oder graue oder ockerfarbene Seiten, mit nostalgisch wirkendem feinem Muster versehen, wie englisches  Geschenkpapier wirkend. Auf diesen Seiten entdeckt man Sätze wie  „Die Idee der Ruhe findet sich in einer sitzenden Katze“. Zwischengesetzt finden wir Schwarz-Weiß-Fotos von ungewöhnlicher Art, denn sie sind allesamt einer früheren Zeit entnommen, unverkitscht, und doch oder gerade deshalb anrührend. So manches Foto scheint der Filmwelt entsprungen, als es noch wahre Diven gab. Die Diva Katze und die Diva Frau, in perfekter Filmpose auf dem Foto eingefangen. Passend dazu von Robert Anson Heinlein: „Frauen und Katzen tun, was ihnen gefällt. Männer und Hunde … sollten sich daran gewöhnen.“ Bei jedem Durchblättern entdeckt man neue Details, ein unbekanntes Zitat. Selbst altbekannte Aussprüche wie „Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse“ bekommen durch die Buchgestaltung ihr besonderes Comeback.

 

Rundum also ein liebevoll, etwas nostalgisch gestaltetes Büchlein, eine gelungene Hommage an das  kapriziöse Wesen Katze.  Und das ideale Geschenk für alle, die genau das zu schätzen wissen: klugen Eigensinn.

 

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Sara Paborn

 

Beim Morden bitte langsam vorgehen

·         Gebundene Ausgabe: 272 Seiten

·         Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt

·         ISBN-13: 978-3421048028

·         Originaltitel: Blybröllop 

 

 

Bös, böser, Sara Paborn

 

Was für ein unglaublich intelligenter, lebenskluger und bitterböser Roman! Selten habe ich mich so gut unterhalten und gleichzeitig entlarvt gefühlt, habe die Fülle der eingestreuten  Bonmots der Autorin genossen und mir sehnlichst gewünscht, dass alle Heile-Welt-Täuscher anhand der Doppelbödigkeit dieses Romans zur Ehrlichkeit finden mögen. 

Ein Ausschnitt aus dem Klappentext erzählt den vordergründigen Inhalt: Nach 39 Ehejahren voller Sticheleien hat Irene endgültig genug von ihrem Mann. Als sie eines Tages in einer alten Schachtel Vorhang-Bleibänder findet, kommt ihr die beste Idee ihres Lebens: Aus der immer so netten Bibliothekarin wird eine gerissene Hobbychemikerin, die ihre bisher von Braten- und Kuchenduft erfüllte Küche in ein Labor verwandelt. Dort bereitet sie Bleizucker zu. Geduldig rührt sie ihrem Mann täglich ein Löffelchen in den Kaffee…

 

Wer die Bücher von Ingrid Noll mag, wird das vorliegende Buch lieben! Sara Paborn schreibt allerdings noch böser, noch pointierter, noch humorvoller, noch brillanter. Und nein, das Buch ist kein Krimi. Es gibt keine Tätersuche. Allenfalls gibt es die Suche nach dem Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Und nein, das Buch ist kein Psychogramm verwirrter Seelen, die man mit Diagnosen versehen in Schubladen unterbringen kann. Allenfalls gibt es Erinnerungen an früher selbstverständliche Erziehung, als die Frau dem Mann noch untertan sein sollte. Das Buch ist eine geniale Parabel für die Unmöglichkeit gleichgewichtigen menschlichen Miteinanders. Nur vordergründig gesehen ist Horst das Ekel, das es zur Gewinnung der eigenen Freiheit zu vernichten gilt. Und nur vordergründig gesehen ist die langsam mordende und sich selbst damit befreiende Irene die Person, die unsere Sympathie erhält. Die maßlose Überzeichnung beider Personen fordert den Leser heraus, Stellung zu beziehen – böser Horst und gute Irene – und gar nicht zu merken, wie wir damit der Autorin auf den Leim gehen. Denn wir alle haben in langjährigen Beziehungen ein bisschen Horst und ein bisschen Irene in uns, wir alle erleiden Mikrotraumata  und setzen selbst welche. Dieser Wahrheit ins Gesicht zu sehen, würde uns gut tun. Bevor wir Bleizucker anrühren…

 

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Kallentoft und Luttemann

 

In den Fängen des Löwen

 

·         Taschenbuch: 384 Seiten

·         Verlag: Tropen

·         ISBN-13: 978-3608503722

·         Originaltitel: Leon

 

  

 

Eisigkalte Abgründe

 

Schon lange nicht mehr habe ich ein Buch so schnell gelesen! Ich bin durch die Seiten gejagt, nein, ich wurde durch die Seiten gejagt, das Autoren-Team hat mich durch die Seiten gejagt, dass mir Hören und Sehen verging.

 

Der Thriller ist düster, die depressive immerwährende Winterdunkelheit Stockholms packt den Leser, er fühlt sich der Kälte, dem Schneetreiben gnadenlos ausgeliefert, selbst im Kommissariat gibt es kein Aufwärmen. Und bei den Protagonisten schon gar nicht. Alle sind kaputte Typen, beschädigte Menschen, geradezu hoffnungslos von ihren persönlichen Vorgeschichten und ihrer Arbeit zerstört. Drogen, Drogenhandel, Kinderhandel, Kindsmissbrauch, zerstörte Seelen überall. Schwer auszuhalten all das, insbesondere der ewig zugedröhnte Zack ist zuviel des Guten. Nicht nur dadurch wird der Leser gequält, ebenso durch die quälend lange, quälend hoffnungslose Suche, die immer wieder in falsche Richtungen führt, sich in Nebenstraßen verliert, bis sie in unerträglicher Spannung zum rasanten actiongeladenen Countdown führt. Geschrieben ist der Thriller im Präsens, was die Geschichte atemlos macht und zusätzlich durch die ganz kurzen Kapitel die Spannung vermehrt. In eindringlicher, an manchen Stellen fast schon expressionistisch anmutender, ungeheuer intensiver Sprache wird erzählt. Und weil der Thriller so gekonnt geschrieben ist, rast man durch die Seiten, ist angewidert, entsetzt  – und kann doch nicht aufhören zu lesen. Absolut kein Buch für zarte Gemüter!

Der Klappentext fasst die Handlung so zusammen: „Der letzte Fall hat bei Zack Spuren hinterlassen. Wochenlang saß er am Krankenbett seines besten Freundes Abdula, bis dieser schließlich aus dem Koma erwachte. Doch zum Grübeln bleibt keine Zeit, denn sein Job verlangt erneut seine ganze Konzentration. Auf einem alten Fabrikgelände in Stockholm wurde die Leiche eines elfjährigen Jungen entdeckt. Festgebunden auf einem Schornstein in grausigen Höhen. Niemand kann sich erklären, wie das Kind dorthin gekommen ist, doch dann spüren Zack und seine Partnerin Deniz einen wichtigen Zeugen auf. Ein alter Mann hat beobachtet, wie Ismail aus dem Asylbewerberheim geflohen ist, in dem er untergebracht war. Die Spur führt zu einem Mann namens Lejonet, der Löwe, der unter falscher Identität in Schweden lebt. Deniz und Zack sind sich sicher, dass er an der Entführung mehrerer Kinder beteiligt ist, doch als sie bei seiner Wohnung ankommen, eröffnet jemand das Feuer auf die Polizisten. Die Jagd hat begonnen.“

 

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Ralf Nestmeyer

Nürnberg, Fürth, Erlangen

 ·         Taschenbuch: 252 Seiten

·      Verlag: Müller, Michael; Auflage: 11

·         ISBN-13: 978-3956541278

 

 

Allmächd, is der goud!

 

Da liegt sie vor mir, die aktualisierte 11. Neuauflage des Städteführers Nürnberg, Fürth, Erlangen. Die farblich bunte Gestaltung des Covers und besonders die Regenbogenfarben des Buchrückens fallen im Buchhandlungsregal auf. Das Titelbild ist ziemlich abgedroschen, hat aber genau deswegen den Effekt, dass man den Reiseführer, noch ohne den Titel gelesen zu haben, bereits mit Nürnberg assoziiert.

Vorweg: Der Reiseführer ist nicht geeignet für Städte-Schnellkonsumenten, für Fast-Sightseeing, für oberflächliches Sehenswürdigkeiten-Sammeln. Zwar gibt es auch eine Übersicht der Sightseeing-Klassiker im Buch, aber wem das genügt, der ist mit einem leichtgewichtigen Faltblatt,  das man gratis bei der Touristen-Info bekommt, ausreichend gut bedient. Der vorliegende Reiseführer fordert Zeit! So wie die Stadt, will man sie wirklich entdecken, Zeit fordert. Nürnberg ist so unendlich viel mehr als Burg und Schöner Brunnen. Die Einteilung des Reiseführers, der uns auf  10 verschiedenen Touren durch die Stadt begleitet, begeistert mich. Denn bei diesen Touren, jeweils versehen mit einer Übersichtkarte, werden die Augen auf vielfältige Details gelenkt, auf Historisches ebenso wie auf Modernes, auf Typisches für diesen Stadtteil, auf Wissenswertes, Kulturelles, auf Öffnungszeiten und Eintrittspreise, dazu jeweils ergänzt durch eine Fülle von Hinweisen, wo man in diesem Stadtteil Hunger und Durst stillen kann.

Auch Fürth und Erlangen werden ausführlich beschrieben. Und es finden sich all die nützlichen Hinweise, die einem Touristen das Zurechtfinden in einer fremden Stadt erleichtern, ergänzt durch ein umfangreiches Register, das Straßennamen, Bauwerke, aber auch Stichworte wie Lebkuchen und Schäufele enthält.

Tagelang habe ich in diesem Reiseführer vor- und zurückgeblättert, habe mich festgelesen und bin, indem ich durch das Buch wanderte, ebenso durch meine ersten 40 Lebensjahre in Nürnberg gewandert, wiedererkennend, erinnernd und verblüfft von all dem Neuen, das zwischenzeitlich in Nürnberg entstanden ist.

Ralf Nestmeyer ist, wie ich meine, der perfekte Reiseführer gelungen: Sachlich-klar geschrieben, strukturiert, Geschichte und Gegenwart gleichermaßen würdigend, mitunter auch einmal eine leise Kritik unterbringend, immer aber spürbar seine Zuneigung zu dieser wunderbaren Stadt ausdrückend. Was sich auch in Einschüben wie zum Beispiel diesem hier zeigt, mitten unter „Kultur- und Nachtleben“ zu finden:

 „Allmächd!“: „Das Staunen der Welt, die irdischen Schrecken der Existenz und das Bedauern der Vergänglichkeit in ein Wort gepackt, dessen einzigartige Konnation durch eine weit durch die Zahlreihen hervorgestreckte Zunge und einen nach unten geschobenen Unterkiefer hervorgerufen wird“.

 

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Emily Elgar

 

Schweige nun still

 

 

·         Taschenbuch: 448 Seiten

·         Verlag: Goldmann Verlag

·         ISBN-13: 978-3442486861

 

·         Originaltitel: If you knew her

  

Sehr gemächlich erzählt

 

Der Klappentext zog mich magisch an und ließ mich ein hohes Spannungspotential erwarten: Eine junge Frau wird in die Station für Koma-Patienten des St. Catherine Hospital eingeliefert, nachdem man sie bewusstlos in einem Straßengraben gefunden hat. Ein tragischer Unfall mit Fahrerflucht? Im Bett neben Cassie liegt Frank, der am Locked-in-Syndrom leidet: Er nimmt alles wahr, kann sich aber nicht mitteilen. Die Menschen um ihn herum verhalten sich so, als wäre Frank gar nicht da. Und so ist er es, der als einziger die Puzzleteile von Cassies Vergangenheit zusammensetzt und erkennt, dass sie noch immer in tödlicher Gefahr schwebt. Denn jemand aus ihrer nächsten Nähe würde alles tun, damit das Schweigen gewahrt bleibt, niemals ans Licht kommt, was wirklich geschehen ist …

 

Leider wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Obwohl der Plot alles hat, was zu einem Psychothriller gehört, kann sich durch die extrem gemächliche, ausschweifende, fast betuliche  Erzählweise keine Spannung aufbauen. Der eigentlich geschickte Schachzug, die Geschichte aus drei verschiedenen Sichtweisen zu erzählen, verliert im Verlauf der Seiten immer mehr an Reiz, umso mehr, als die dargestellten Personen nicht wirklich psychologisch nachvollziehbar denken und handeln. Streckenweise kamen mir die geschilderten Szenarien vor wie eine Mischung aus „Chicago Hope“ und „Barnaby“, was zwar durchaus seinen Reiz hat, aber doch weit weg ist von einem Psychothriller. Viele, viele Seiten lang geschieht im Grunde nichts, man liest und liest, fühlt sich mäßig unterhalten, macht sich so seine Gedanken und Vorstellungen, hat Vermutungen, aber bleibt weitgehend unberührt. Erst auf den letzten 50 Seiten passiert alles auf einmal. Das Geschehen explodiert quasi. Und schon ist das Buch zu Ende und man fühlt sich als Leser wie nach einem überraschenden Gewitter: erschreckt und froh, es hinter sich zu haben.

 

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Volker Klüpfl, Michael Kobr

 

Kluftinger

·         Gebundene Ausgabe: 480 Seiten

·         Verlag: Ullstein Hardcover

·         ISBN-13: 978-3550081798

 

 

Wie er wurde was er ist

 

 

 

Ein sehr geschickter Coup ist den Autoren da gelungen!

 

 In seinem Jubiläumsfall wird Kluftinger subtil bedroht und er ahnt, dass diese Bedrohung etwas mit seiner Vergangenheit zu tun hat. Bruchstückweise kommt in Rückblenden die Erinnerung an ein Ereignis zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn zurück. Gleichzeitig wächst in der Gegenwart die Bedrohung, wird zur realen Gefahr, denn es wird immer deutlicher, dass es jemand auf Klufti persönlich abgesehen hat. Aber Kluftinger wäre nicht Kluftinger, wenn er nicht gleichermaßen mit dem Alltag zu kämpfen hätte. Denn wie transportiert man eine große Trommel in einem rosa Smart? Oder wie wird man fertig mit der Tatsache, dass der eigene Kosename Butzele plötzlich dem Enkelkind gehört?

 

Kluftinger in seiner gewohnt knorzigen Art und seine nicht minder eigenwilligen Kollegen erfreuen wie eh und je mit ihrem deftigen Umgangston. Die lockere Erzählweise, das perfekt getroffene Lokalkolorit und die Wichtigkeit von regelmäßiger Nahrungsaufnahme ist man bei dem Autorenteam schon gewohnt. Man schmunzelt sich sozusagen durch die Seiten und löst mit Kluftinger zusammen ganz locker nebenbei den aktuellen Fall. Aber dieses Mal gibt es noch eine weitere Dimension im Buch. Wir lernen Kluftinger näher kennen, wir erfahren, wie er zu dem wurde, was er ist. Die zahlreichen Rückblenden, verständnisfreudig in einer anderen Schrift gedruckt, erzählen uns viel Intimes über Kluftinger. Es wird berichtet über seine Jugend, über seine Berufskarriere, wie er seine spätere Frau Erika kennenlernt und erzählt auch von einem dunklen Geheimnis, das nun bis in die Gegenwart hinein seinen Schatten wirft. Durch diesen genialen schriftstellerischen Clou ist Kluftinger nicht länger nur eine durchaus gelungen gestaltete Kunstfigur, Mittelpunkt vieler komischer Szenen, sondern er wird vollständiger, echter, mehr Mensch, möchte man fast sagen. Und vor allen Dingen noch  liebenswerter.

 

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Antonia Michaelis

Wind und der geheime Sommer

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 300 Seiten

·         Verlag: Oetinger

·         ISBN-13: 978-3789108693

 

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre

  

Zauber der Fantasie

 

Das großartigste Kinderbuch, das ich seit langem gelesen habe! Zum Immer-wieder-Lesen, für Erwachsene und Kinder gleichermaßen.

  

John-Marlon ist 11 und viel allein. Seine Eltern sind geschieden, der Vater hat selten Zeit und die Mutter schuftet für den Lebensunterhalt. John-Marlon ist unsicher, ängstlich, trägt eine Brille und hat keinen Spaß am Fußball-Spielen. Nicht die besten Voraussetzungen also, um Freunde zu finden, um von anderen gemocht zu werden. An einem besonders traurigen Nachmittag entdeckt John-Marlon eine lose Latte in einem Bauzaun, schlüpft hindurch und entdeckt ein völlig verwahrlostes Grundstück. Er trifft auf ein seltsames Mädchen, das sich Wind nennt, und wenn Wind Geschichten erzählt, werden diese wahr. Es wandeln sich wild wachsende Sträucher zum Dschungel, Pfützen zum Meer, es gibt gefährliche Tiere, und einen Sommer lang erlebt John-Marlon die wunderbarsten Abenteuer. Doch eines Tages ist Wind verschwunden…

  

Die Autorin widmet ihr Buch den Kindern, die Müll im Rinnstein sammeln und Kunst daraus machen. Als ich diese Widmung las, war ich sofort wieder zurückversetzt in die Zeit, als meine Kinder klein waren und völlig selbstvergessen abtauchen konnten in ihre eigenen Fantasie-Geschichten, nur mit Dingen umgeben, die sie in der Natur vorfanden. Dank Waldorf-Pädagogik lernten sie in diesen Spielen ganz beiläufig das gelingende soziale Miteinander und ich erlebte über die Jahre, wie ihnen daraus eine innere Stärke erwuchs, die ihnen niemand mehr nehmen konnte. Genau so ergeht es John-Marlon im Buch. Der einsame, traurige Junge ohne Selbstvertrauen wächst hinter dem Bretterzaun in den von Wind ausgedachten Abenteuern über sich hinaus, er wird von Wind und den anderen Kindern, die sich ebenfalls in der Welt hinter dem Bauzaun einfinden, so akzeptiert, wie er ist und er erfährt, welche Fähigkeiten er tatsächlich besitzt.

 

Aber nicht nur der Inhalt, dieses gelungene Ineinanderverschränken von Fantasie und Wirklichkeit, macht dieses Buch so besonders. Es ist die Sprache, die mich verzaubert hat, diese wunderbar poetische Sprache in Verbindung mit feiner Beobachtung. So machen zum Beispiel im „pfotendurchhuschten Urwald“  Insekten vor dem Wegfliegen einen Knicks. Das Buch selbst ist wie eine lose Latte am Bretterzaun – zum Durchschlüpfen in die unbegrenzte Welt der Fantasie.

  

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Sandra Aslund

Tödliche Provence

 

 

·         Taschenbuch: 296 Seiten

·         Verlag: Midnight

·         ISBN-13: 978-3958199217

 

  

 

 

Atmosphärisch schöner, gemütlicher Krimi

 

 Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den zweiten Band rund um die Ermittlerin Hannah Richter. Da es nur wenige „Rückblicke“ gibt, lässt sich der Folgeband gut lesen, auch wenn man den ersten Band nicht kennen sollte.

 

Hannah Richter gönnt sich 4 Wochen Urlaub und fährt in die Provence, um im Häuschen ihrer Freundin Penelope entspannte Ferienwochen zu verbringen. Doch daraus wird nichts. Penelopes Nachbar, ein feiner älterer Herr, wird tot aufgefunden, sein Arbeitszimmer ist durchwühlt worden. Emma, eine ehemalige Kollegin von Hannah, bittet diese um Mithilfe. Und so wird offenkundig, dass der Tote vor seinem Tod noch Andeutungen gemacht hatte über ein dunkles Geheimnis aus seiner Vergangenheit… 

 

Ich habe dieses Buch gern gelesen. Nicht weil es spannend wäre. Die Handlung plätschert relativ gemütlich dahin, die Erzählweise ist gemächlich. Allenfalls im letzten Drittel zieht das Tempo ein wenig an, aber eben auch nur ein wenig. Ich habe das Buch gern gelesen aus zwei Gründen: Zum einen ist mir die Kommissarin Hannah sehr sympathisch. Ihre gewisse Zögerlichkeit, insbesondere was Beziehungen betrifft, kann ich gut nachempfinden, und ich finde es sehr angenehm, dass sie seelisch relativ stabil ist, nicht mit alten Traumata zu kämpfen hat, wie es derzeit in den Krimis Mode zu sein scheint. Der zweite Grund war für mich, dass die Autorin ganz wunderbar die Landschaft der Provence und die Mentalität der dort lebenden Menschen zu schildern versteht, und dass nicht zuletzt das leckere regionale Essen und Trinken in schwelgerischer Weise viel Platz im Buch einnimmt.  Ein umfangreiches Glossar der vielen französischen Begriffe und Redewendungen, ein angefügter Stammbaum der verzweigten Familie des Toten, eine Übersicht der im Buch erwähnten Musikstücke und ein Rezept für Badekugeln runden das Buch in perfekter Weise ab. 

Fazit: Ein sanfter, atmosphärisch schöner, unaufgeregter Krimi mit Urlaubsfeeling.

 

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Hörbuch

Deutschland-Reise

 

·         Audio CD: 8 CD's

·         Verlag: Audiobuch Verlag

·         ISBN-13: 978-3958620438

 Mit den Ohren reisen

 

Für diese Deutschland-Reise sollte man sich viel Zeit nehmen. 586 Minuten reine Hörzeit sind es insgesamt, aber ein reines Abhören der CDs der Reihe nach, ein reines Konsumieren  war mir nicht möglich.  Ich hörte sie, wie bei echten Wanderungen, in Etappen, manchmal mit Begeisterung ausschreitend, mal müden Schritts, immer aber neugierig.

 

Diese besondere Sammlung an literarischen Reiseberichten wandert durch 400 Jahre Schriftstellertum ebenso wie durch zahllose Gegenden Deutschlands – wunderbar dargeboten durch perfekt ausgewählte Sprecher. Und in sehr ansprechender Verpackung samt informativem Booklet angeboten.

 

Es gab viel zu schmunzeln, als ich mit Mark Twain eine nur wenig anstrengende Neckarwanderung unternahm. Mit Bierbaum genoss ich das Unterwegs-Sein im Automobil und lernte seine Begeisterung für technische Details zu teilen. Mit Michel de Montaigne konnte ich hervorragend speisen! Mit Heinrich Heine konnte ich mit seinen strammen Fußmärschen und seinem beißenden Spott kaum mithalten. Mit Goethe war ich nicht so gerne unterwegs, er war mir recht langweilig als Reisebegleitung ebenso wie der briefschreibenden Georg Forster, und mit der dozierenden Germaine de Stael zu reisen, empfand ich als regelrecht ärgerlich. In der Gesamtheit jedoch ergab sich für mich ein vielfältiger Blick auf Deutschland, auf die Deutschen, auf ihre Besonderheiten (bis hin zur Kehrwoche) und auf die Schönheit deutscher Landschaften, die die Jahrhunderte überdauern – in dichterischer Sprache und von großartigen Sprechern wiedergegeben.

 

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Herrad Schenk

 

Die Frau von gegenüber

 

·         Taschenbuch: 235 Seiten

·         Verlag: Insel Verlag

·         ISBN-13: 978-3458363118

   

Ein kleines, feines Kabinettstückchen Literatur

  

Von Herrad Schenk las ich „Das Haus, das Glück und der Tod“, als ich zeitgleich engagiert war im Renovieren eines ehemaligen Dreiseithofes in Niederbayern. Das Buch hatte mich emotional gepackt aus mehreren Gründen: Da waren ähnliche Erfahrungen im Umgang mit alter Bausubstanz, mit eigenwilligen Handwerkern und wohlmeinenden, interessierten Nachbarn, und da war das ins Nichts Stürzen, als alles geplante Glück ein plötzliches Ende findet. Umso mehr, als ich entdeckte, dass Herrad Schenk dies alles erlebte in dem Landstrich Deutschlands, in dem ich mein Alter verbringen wollte. Viele Jahre später lebe ich nun wenige Kilometer von Herrad Schenk entfernt und entdecke dieses Buch. Kein Zufall.

  

Viel geschieht nicht im Buch. Ein einsam lebender, verwitweter Wissenschaftler, der sich festhält an dem Projekt, ein fundamentales Standardwerk abzuschließen, schaut in die Fenster des Hauses gegenüber. Dort sieht er anderen beim Leben zu, insbesondere einer ebenfalls verwitweten, zur Trägheit neigenden Frau, die ihre Unabhängigkeit zu genießen scheint. Als eines Tages eine junge alleinerziehende, unangepasste Frau mit zwei Kindern in das Haus gegenüber einzieht, wird der Sommer von Tag zu Tag schwüler…

  

Herrad Schenk schreibt klar, ohne Schnörkel, leicht lesbar, aber an keiner Stelle oberflächlich. Sie erzählt in genialer Schlichtheit so intensiv, dass man als Leser das Gefühl hat, selbst in diese kleine, enge Welt hineingezogen zu werden. Die Einsamkeit fällt den Leser an wie ein Tier. Die Sonnentage legen eine innere Düsternis bloß, die erschreckt. Die Hitze verwirrt einerseits, lässt bisher sicher geglaubte Grenzen verschwimmen und offenbart andererseits in Klarheit so manche Lebenslüge. Die Autorin entwickelt auf kleinstem Raum große Themen. Fast beiläufig, wie ungewollt, kommt sie dem Leser nahe und stellt essentielle Fragen, denen man als älterer Mensch nicht länger ausweichen kann.

 

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Alexandra Litwina

In einem alten Haus in Moskau

·         Gebundene Ausgabe: 60 Seiten

·         Verlag: Gerstenberg Verlag

·         ISBN-13: 978-3836959933

·         Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 15 Jahre

 

Ein Wimmelbuch über 100 Jahre russische Geschichte

Ich weiß gar nicht, wie und womit ich anfangen soll, dieses unglaubliche, zauberhafte, detailgenaue, liebevollst gezeichnete Buch zu beschreiben.

Ist es ein Kinderbuch? Vielleicht ja. Es zeigt sich in der äußeren großformatigen Gestaltung  eines Bilderbuches, einer Art Wimmelbuch. Wir schauen 1902 mitten hinein in eine Wohnung, in die Familie Muromzew gerade einzieht. Wir schauen und schauen und entdecken unzählige Kleinigkeiten. Am Rand gibt es Erklärungen, aber auch Fragen, Suchaufgaben. Und wir begleiten die Familie Muromzew weiter durch die Jahre, schauen weiter in ihre Wohnung, die sich wandelt, erleben neue Generationen – stets so erzählt, dass es größere Kinder gerne mit Entdeckerfreude lesen.

Ist es ein Erwachsenenbuch? Vielleicht ja. Der Wechsel der Zeiten, der Wechsel der Moden, der Wechsel der politischen Ereignisse wird in den Zeichnungen quasi im Zeitraffer in gezeichneter Form lebendig gemacht, augenfällig gemacht im wahrsten Sinne des Wortes. Dazu gibt es kurze sachbuchgerechte Texte, die den politischen Wandel und seine  Wendungen jeweils erklären.

Es wird erzählt die Geschichte der Familie Muromzew, und zwar von 1902 bis 2002, also über mehrere Generationen hinweg. Dank des gezeichneten Familienstammbaums und einer ebenso gezeichneten Übersicht der Nachbarn, Freunde und Zeitgenossen (einschließlich der im Haushalt lebenden Hunde und Katzen) behält man stets die Übersicht. Und da man bis in die Toilette hinein die gesamte Familie beobachten darf, einerseits sehr intim-voyeuristisch,  andererseits politisch-distanziert, gewinnt man durch Schauen, Entdecken, Suchen und Spielen ein Maß an Ein-Sicht, wie es so manchem dicken Sachbuch nicht gelingen mag. Urteilsfrei ins Bild gesetzt spricht der Wandel der russischen Lebenswelt voller Charme und ohne Umwege zu uns, egal wie alt wir sind.

Völlig zurecht ist dieses ungewöhnliche, großartige Buch nominiert für den Deutschen Jugendbuchpreis. 

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Rafik Schami

 

Ich wollte nur Geschichten erzählen

 

·         Gebundene Ausgabe: 176 Seiten

·         Verlag: Hirnkost

·         ISBN-13: 978-3945398654

 

Ein Kleinod

 

Dieses Büchlein ist ein Kleinod. Es enthält nicht das, womit man Rafik Schami normalerweise verbindet, nämlich überbordende Erzählfreude, sondern es ist ein sehr persönliches Buch, mit leisen Tönen, mit viel Traurigkeit, mitunter auch mit Bitterkeit, dann wieder entlarvend-fröhlich, immer aber bewegend. 

Rafik Schami erzählt in kurzen Sequenzen, in komprimierter, oft pointierter Form von seiner Heimat Syrien, von Kultur, Politik und von deren Zusammenhängen. Er ist erschreckt über die Unwissenheit der Deutschen über Syrien und  Assad und sieht es als seine Aufgabe, durch seine Geschichten „Fenster zu anderen Kulturen“ zu öffnen. Er berichtet über sein Leben im Exil, über sein detailliertes  Studium der deutschen Sprache und  Phonetik und wie Zivilisation das Lachen verlernen lässt. Ein ganz wunderbarer Abschnitt im Buch sind die Beiträge zum Thema Schreiben und Lesen, insbesondere  die 25 Ratschläge für junge Autoren.  Man möchte diese Ratschläge auch so manchem älteren Autor gerne in die Hand drücken! Am besten ist Rafik Schami, wenn er in Humor verpackt die Dummheit der Menschen entlarvt. Dass ihm, gerade was den deutschen Literaturbetrieb betrifft, dieser Humor zeitweilig abhanden kommt und leises Entsetzen einen Teil seiner Beiträge diktiert, ist mehr als verständlich.

Ja, das Büchlein ist ein Kleinod. Zum öfter Lesen. Zum Nachdenken. Zum Lernen. Und zum Wertschätzen all der unzähligen Mosaiksteine, aus denen sich das Gemälde des Lebens zusammensetzt. 

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Michael Nast

Egoland

 

·         Broschiert: 432 Seiten

·         Verlag: Edel Books - Ein Verlag der Edel Germany GmbH

·         ISBN-13: 978-3841905963

 

 

 

… keine Zwiebelschale wert

 

Im Grunde sagt der Titel alles: Egoland – Egoismus – Egomanie. Der Autor kreist um sich selbst, um seine oberflächliche Welt, und verkauft das Ganze als Gesellschaftskritik. Kann man mit 30 vielleicht so machen und sich dabei genial gut fühlen. Aber ich als Leser muss das nicht haben.

Ich brauche keine Schilderung blutleerer Protagonisten, die ihre Lebenszeit – und über sie  lesend damit meine Lebenszeit - verplempern. Mich interessiert dieses oberflächliche Hin und Her, dieses narzisstische Selbstbespiegeln in seelenloser Leb- und Lieblosigkeit nicht. Mich stößt das abfällige Betrachten anderer ab. Ich kann mit den Filmzitaten nichts anfangen, denn ohne die Filme zu kennen, verfehlen die Zitate völlig ihre Wirkung. Die häufigen Perspektivewechsel sind behindernd im Lesefluss, sinnlos verwirrend. All die Verallgemeinerungen, Plattitüden, all diese unbedeutenden, detailverliebten Nichtigkeiten, all dieses endlose Herumschwadronieren um nichts, all diese austauschbaren Beziehungen, wobei deren höchste Form der Kontaktfähigkeit in dem gemeinsamen Vernichten von reichlich Alkohol besteht – die Summe all dessen hat bei mir nach anfänglichem guten Willen nur noch zu müdem Gähnen geführt.

 

Geradezu folgerichtig und passend zum belanglosen Inhalt erscheint mir die Gleichgültigkeit, ja geradezu Schlampigkeit von Autor, Verlag und Lektor gegenüber der Fülle an Grammatik- und Setzfehlern. 

Wie sagt Rafik Schami so schön: „Dein … gesellschaftliches Engagement ist nicht einmal eine Zwiebelschale wert, wenn du langweilst.“

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Adelaide de Clermont-Tonnerre

 

Der Letzte von uns

 ·         Gebundene Ausgabe: 464 Seiten

·        Verlag: Rütten & Loening

·         ISBN-13: 978-3352009082

·         Originaltitel: Le Dernier des Notres

  

Zwei Themen, die nicht zueinander passen

 

Das Positive vornweg: Das Buch ist schnell zu lesen, es ist leicht zu lesen, die große Schrift macht es dem Leser leicht, die 450 Seiten zügig zu konsumieren.

Zwei Zeitstränge öffnen sich dem Leser: 1945, die Bombennacht von Dresden. Luisa bringt ihren Sohn Werner zur Welt und stirbt wenige Stunden danach. Die Schwester von Luisa und eine fremde Frau als Amme nehmen sich des Neugeborenen an. 1969 in Manhattan: Wern, jung, erfolgreich, bei den Frauen beliebt, trifft auf Rebecca, eine exaltierte Künstlerin. Er umwirbt sie nach allen Regeln der Kunst, sie bricht jedoch nach einem Zusammentreffen der Mutter von Rebecca mit Wern den Kontakt ab. In der Folge wird – immer wieder wechselnd zwischen den Handlungssträngen – sowohl über die weitere Geschichte von Werner während der Kriegszeit als auch über Wern und Rebecca  in den siebziger Jahren in Manhattan erzählt, bis sich zum guten Schluss die beiden Handlungsbögen dramatisch schließen.

 

Warum kann ich diesem Buch so wenig abgewinnen? Weil hier zwei Themen zusammengewürfelt werden, die sich gegenseitig stören, weil sie in der Kombination dem Ernsten die Tiefe nehmen und dem Leichten das Frohe zerstören. Weil Menschen geschildert werden, mit denen ich nichts anfangen kann, sie werden oberflächlich, wenig greifbar und wenig nachvollziehbar in ihrem Handeln geschildert. Weil mich das ewige Hin und Her zwischen Rebecca und Wern nach einer Weile nur noch nervt. Und weil ich wenige Tage zuvor einen Roman über den Zweiten Weltkrieg gelesen habe, der von so überragender Qualität war (Ein Held in dunkler Zeit), dass mir die Schwächen von „Der Letzte von uns“ leider ganz besonders deutlich wurden. 

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Sabrina Grementieri

 

 

Eine Liebe in Apulien

·         Taschenbuch: 352 Seiten

·         Verlag: MIRA Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3956497971

 

Schön, einfach nur schön

 

In letzter Zeit hatten sich mehrere Bücher aus dem Mira-Verlag auf den Weg zu mir gemacht, und alle waren, wie auch das vorliegende Buch, so leicht lesbar, dass man wunderbar in die Geschichten eintauchen konnte. Romane wie dieser hier passen zu warmen  Sommerabenden, an denen man sich nicht mit belastenden, schwierigen Texten herumschlagen möchte, sondern sich zurücklehnen und einfach nur unterhalten lassen möchte. 

Viola, arbeitslose Innenarchitektin, frisch getrennt von ihrem untreuen Freund, muss nun auch noch den Tod ihrer geliebten Großmutter verkraften. Da erfährt sie, dass ihre weitsichtige Großmutter ihr das wunderschöne, aber sehr heruntergekommene Anwesen in Apulien vererbt hat,  verbunden allerdings mit einigen Auflagen. Viola hat Ideen, packt die Aufgabe tatkräftig an, bekommt Hilfe von Aris, einem gut aussehenden, aber sehr verschlossenen Handwerker  - aber dann geschehen unerklärliche Anschläge und Unglücksfälle, und Viola bekommt zu spüren, dass sie nicht bei allen in der Gegend willkommen ist. 

Natürlich ist die Geschichte vorhersehbar, natürlich werden reichlich Klischees bedient, aber dennoch hat das Buch im Gesamten eine so positive Ausstrahlung, dass man es nicht zur Seite legen möchte. Man spürt die Wärme des Südens, man riecht die Meerluft, man wird geradezu überschwemmt von den Farben der reich blühenden Pflanzenwelt.. Es gelingt der Autorin durch ihre intensiven Landschaftsschilderungen, im Leser ein Gefühl des Urlaubs, leicht und frei, zu wecken. Aber auch die Charaktere werden so dargestellt, dass man sich ihnen nahe fühlt, dass man gespannt teilhat an dem, was sie denken, fühlen und tun, was ihnen geschieht. Insgesamt ist das Buch ein wohltuendes Leseerlebnis, wunderbar geschrieben und die Leserseele wärmend. 

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Patricia Holland Moritz

Mordzeitlose

 

 

·         Taschenbuch: 346 Seiten

·         Verlag: Gmeiner-Verlag

·         ISBN-13: 978-3839222362

 

 

Zuviel Lesezeit für zu wenig Inhalt

 

Was ist dieses Buch? Ein Kriminalroman steht auf dem Cover. Ist das Buch wirklich ein Krimi? Oder ist es ein Psychogramm einer verwirrten Seele? Oder eine Hommage an die Pflanzenwelt? Ein mit Zeitbezügen und Systemkritik überfrachteter Roman? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Autorin, die sich gut zu vermarkten weiß, viel wollte. Zuviel wollte vielleicht.

 

Margrit wächst als völlig isoliertes Kind hartherziger Eltern auf. Diese haben eine Gärtnerei, und schon früh zieht sich Margrit in die Welt der Pflanzen zurück, in ihr „Gewächshaus der Kindheit“, sie spricht mit den Pflanzen. Besondere Faszination übt die Herbstzeitlose mit ihrer todbringenden Giftigkeit auf sie aus. Das Buch begleitet Margrit  weiter durch ihr isoliertes Leben, über Studium, Promotion und Veröffentlichung zahlloser Fachartikel. Die Mutter stirbt früh unter ungeklärten Umständen. Der erste Freund Margrits verschwindet. Und ein Ermittler bleibt auch 40 Jahre später noch auf der Suche nach Zusammenhängen. 

Das Buch fordert geduldiges Lesen. Es passiert wenig, streckenweise gar nichts. Was die Krimi-Handlung betrifft, weiß man im Grunde von Anfang an, dass wir es mit einer Psychopathin in Strickjacke zu tun haben. Also ein Krimi ohne Spannung, ohne Wendungen und Drehungen – dem klassischen Krimileser demnach nicht zu empfehlen. Die Autorin überrascht im Sprachstil streckenweise mit Passagen großer fast lyrischer Schönheit, die aber sehr schnell wieder wechseln in langweilige Langsamkeit des Nicht-Geschehens. Dass aus dem isolierten, unterdrückten Kind Margrit eine Koryphäe wird, die durch die Welt reist und Vorträge in freier Form führt, ist psychopathologisch undenkbar und unglaubwürdig. Da hilft auch die oftmals fein ziselierte Erzählweise nicht. Schon gar nicht, wenn das Mischen von Zeitsträngen ohne erkennbaren Sinn das Lesen erschwert, vor, zurück, hin und her, was normalerweise bei Krimis und Thrillern als probates Mittel dient, die Spannung zu erhöhen, hier jedoch nur ärgerlich macht. Als unangenehm empfand ich auch, wie die Autorin  mit dem Einschub relativ unbekannter Musikstücke kokettiert und dabei völlig verkennt, dass eine möglicherweise beabsichtigte Wirkung, nämlich eine bestimmte Stimmung anhand der Musik zu vermitteln, ausbleibt, ausbleiben muss. 

Um es auf den Punkt zu bringen: Ein streckenweise interessantes Buch mit gelegentlich gut geschriebenen Passagen, wobei jedoch insgesamt Langeweile und Unglaubwürdigkeit des Plots überwiegen. 

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Christian Hardinghaus

Ein Held dunkler Zeit

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 368 Seiten

·         Verlag: Europa Verlag

·         ISBN-13: 978-3958901193

 

 

Lesen Sie dieses Buch!

 

Als ich las, dass der Autor des vorliegenden Buches Historiker ist, machte sich in mir die Befürchtung breit, dass das Buch mühsam zu lesen sein würde, vielleicht trocken oder belehrend geschrieben. Dass ich jedoch tatsächlich einen mitreißenden, emotional aufwühlenden, spannend-lebendig geschriebenen Roman lesen durfte, war eine wunderbare Überraschung!

 

Es wird eine tatsächlich geschehene Geschichte in die Romanwelt versetzt, mit allen Zutaten versehen, die einen guten Roman ausmachen, und zusätzlich mit vorsichtiger Fantasie und gnadenloser, präzise recherchierter Zeitgeschichte unterlegt. Dass diese Kombination so genial gelungen ist, lässt für mich das Buch zu einem der herausragenden Leseerlebnisse werden.

Der Augenarzt Wilhelm Möckel erzählt selbst, wie er die Halbjüdin Annemarie kennen und lieben lernt und sich schließlich freiwillig zum Dienst in der Wehrmacht meldet, da er hofft, durch Erringen besonderer Verdienste zu ermöglichen, dass Annemarie als deutschblütig anerkannt wird und ihr und den Kindern Max und Martin somit alle bislang verweigerten Rechte zugestanden werden. In den geschilderten Kriegsjahren an der Front erweist sich Wilhelm als ein geradezu wagemutiger Mensch, der sich mit großem Können und unermüdlichem Einsatz um die Verletzten kümmert. Erzählt werden diese Jahre an der Front von Friedrich Tönnies, dem jungen Sanitätsgehilfen, der sich freiwillig als Bursche Wilhelm unterstellen lässt und zu seinem treuen Freund wird.

 

Das Buch hält für den Leser eine Achterbahn der Gefühle bereit. Wir sind angerührt von der Liebesgeschichte zwischen Annemarie und Wilhelm. Wir erschauern, wie zunehmende Judenfeindlichkeit langjährige Freundschaften zerreißt und Spitzeltum um sich greift. Wir sind gelähmt vor Entsetzen über das Menschenschlachten an der Front. Wir sind dankbar, wenn sich mitten im Kugelhagel etwas Menschlichkeit findet. Und weinen über den ertrinkenden Hund Norka. Christian Hardinghaus schreibt klar, schnörkellos, ohne jegliches Pathos, und genau damit packt er den Leser, zieht ihn ins Buch, ins Geschehen, in ein Stück Zeitgeschichte und lässt ihn bis zum Schluss und darüber hinaus nicht mehr los.

 

Viel gäbe es noch über das Buch zu erzählen. Aber ich kürze ab mit dem Satz, den ich nur ganz selten schreibe: Auch wenn Sie dieses Jahr nur ein einziges Buch lesen wollen - lesen Sie dieses Buch! 

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Christina Herr

Erzähl ich von früher…

 

 

  ·         Gebundene Ausgabe: 206 Seiten

  ·         Verlag: Neukirchener Verlag

  ·         ISBN-13: 978-3761564875

 

 

 

Leider hinter den Erwartungen zurückgeblieben

 

Das Anliegen der Autorin ist, wie sie selbst im Vorwort schreibt, die eigenen Erinnerungen „aufzuwecken“. Das Buch soll ermutigen, von diesen Erinnerungen zu erzählen, wem auch immer, und damit ein Stück Zeitgeschichte lebendig werden zu lassen.

 

Die einzelnen Kapitel sind zeitlich und thematisch eingeteilt, wie z. B. Kindheit und Jugend, Leben in der Familie, Kriegsjahre usw. Innerhalb dieser Kapitel finden sich einige sehr schön und passend ausgewählte Geschichten, erzählt von Astrid Lindgren zum Beispiel oder Erich Kästner. Der Rest des Buches ist angefüllt mit privaten Erinnerungsfetzen und persönlichen kurzen Geschichtchen.

 Was gut ist an diesem Buch und was ganz im Sinne der Autorin funktioniert: Es werden beim Lesen eigene Erinnerungen wach, einzelne Bilder tauchen auf und man beginnt tatsächlich davon zu erzählen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man mit diesem Buch überall dort, wo ältere Menschen zusammenkommen, interessante und lebendige Gesprächsrunden anstoßen kann, das Buch also quasi einzusetzen als Arbeitsmaterial für Menschen, die sich mit Senioren beschäftigen.

 

Lesend hat mich das Buch allerdings sehr enttäuscht. Es kommen nur wenige Erinnernde zu Wort, die Beiträge sind sprachlich dürftig, wirken meist farblos nüchtern bis hölzern. Die Geschichten bleiben aufgrund der knappen und trockenen Schilderungen für den Leser nicht wirklich greifbar. Man atmet geradezu auf, wenn man auf einen Beitrag stößt, der gekonnt geschrieben ist – um dann festzustellen, dass hier Astrid Lindgren erzählt… Es hätte dem Buch gut getan, wenn die Autorin mehr Mühe darauf verwendet hätte, zum einen viel mehr und unterschiedliche Menschen zu befragen, mehr Erinnerungen zu sammeln, denn erst die Vielfalt bringt das Leben in seiner gesamten Bandbreite näher, und diese Erinnerungen dann vor allem sprachlich so zu überarbeiten, dass sie den Leser emotional erreichen. 

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Catherine Shepherd

Knochenschrei

 

 

Taschenbuch: 348 Seiten

Verlag: Kafel Verlag

Sprache: Deutsch

ISBN-13: 978-3944676104

  

Wieder ein gekonnt-rasant geschriebener Thriller

 

 

 

Dies war mein drittes gelesenes Buch von Catherine Shepherd. Und was soll ich sagen – meine Bewunderung wächst und wächst. Die Autorin schafft es, bei jedem Buch ein extrem hohes  Spannungsniveau zu halten oder gar noch zu steigern. Sie schreibt so bildhaft intensiv, dass der Leser das Gefühl hat, die Handlung hautnah mitzuerleben, sich dem Grauen persönlich ausgesetzt zu fühlen…

 

Zwei Handlungsstränge in zwei Zeitzonen: Da ist Zons in der Jetzt-Zeit. Beim Abriss einer Kellerwand wird ein Skelett entdeckt, wie es scheint eine Nonne aus dem Mittelalter. Schlimm genug. Doch Kommissar Oliver Bergmann entdeckt hinter einer weiteren Kellerwand eine weitere Frauenleiche, die vor noch nicht allzu kurzer Zeit lebendig eingemauert worden war.

 

Und da ist Zons im Jahr 1497. Mitten in der Nacht verschwindet die junge Nonne Brunhilde spurlos. Es wird vermutet, sie sei davongelaufen. Bald darauf wird eine Ordensschwester getötet. Das Kloster ist in heller Aufregung. Bastian Mühlenberg setzt alles daran, Brunhilde noch lebend zu finden und einen Serienmörder zu Fall zu bringen. Seine Suche führt ihn tief in ein Labyrinth von Kellergewölben unterhalb des Klosters.

 

In diesem Thriller spielt die Autorin gekonnt mit den verschiedenen Zeitsträngen, erhöht von Seite zu Seite das Tempo, überlässt den Leser erst seinen Vermutungen, um dann neue Verwirrung zu stiften und damit neue Vermutungen zu provozieren. Der geschickte Aufbau des gesamten Buches, in dem oftmals Cliffhanger zu Ende eines Kapitels die Spannung auf raffinierte Weise konstant hoch halten, lässt den Leser atemlos durch die Seiten jagen. Dazu kommt die besondere Fähigkeit von Catherine Shepherd, so quälend intensiv zu erzählen, dass man als Leser glaubt, den Geruch von frischem Mörtel zu riechen, die kriechende Kellerkälte auf der Haut zu spüren und schmerzhaft zu spüren, wie die eigenen Schleimhäute austrocknen zu Schmirgelpapier. Besser geht es nicht! 

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Michelle Marly

Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe

 

Taschenbuch: 496 Seiten

       Verlag: Aufbau Taschenbuch

       ISBN-13: 978-3746633497

 

Sa ljubow! (Auf die Liebe!)

Als ich das Buch zu Ende gelesen hatte, blieben mir zwei Wünsche: Noch mehr über Coco Chanel zu erfahren und einen Flakon Chanel N° 5 zu besitzen.

Der eindrückliche Prolog lässt uns zurückschauen auf das Jahr 1897. Gabrielle, zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt, lebt in einem von Zisterzienserinnen streng geführten Waisenhaus in Frankreich. Der Vater hatte sie nach dem Tod der Mutter dort einfach abgegeben. Gabrielle ist neugierig, wissbegierig und voller Sehnsucht, Sehnsucht nach schönen Dingen, vor allen Dingen aber voller Sehnsucht nach Liebe.

Dann springen wir unmittelbar in das Jahr 1919. Coco Chanel besitzt bereits ein erfolgreiches Modeunternehmen. Durch ihr untrügliches Gespür für Eleganz und Stil und durch ihre unkonventionellen Ideen erlangt sie Berühmtheit. Als jedoch die Liebe ihres Lebens Boy Capel bei einem entsetzlichen Autounfall stirbt mit nur 38 Jahren, erlahmt jegliche Schaffenskraft. Coco verschließt sich vor der Welt und versinkt in Lethargie. Erst nach einer quälend langen Zeit der Trauer erinnert sie sich an den ursprünglich mit Boy zusammen entwickelten Plan, ein besonderes Parfüm zu entwickeln. Und genau diesen Plan beginnt sie akribisch zu verfolgen: Sie möchte einen ganz besonderen Duft, den Duft der Liebe, in Erinnerung an ihren Geliebten kreieren.

Das Buch beschreibt den nur kurzen Zeitraum von 1919 bis 1922. Und doch hat man das Gefühl, als sei das gesamte Lebensgefühl der Belle Epoque in das Buch eingefangen worden. Ein Lebensgefühl und eine Welt, Coco’s Welt, geprägt von zahlreichen Liebesaffären, von Begegnungen mit Ausnahmekünstlern wie Jean Cocteau, Igor Strawinsky, Pablo Picasso, und vor allen Dingen von intensiven Freundschaften  zu zahlreichen aus Russland emigrierten Angehörigen der Zarenfamilie wie zum Beispiel zum russischen Großfürsten Dimitri Pawlowitsch Romanow und seiner Schwester Marija Pawlowna Romanowa. Streckenweise brachte mich das Buch dem damaligen russischen Lebensgefühl sehr viel näher als dem französischen. Überhaupt besticht das Buch durch die mit viel Feingefühl und Sensibilität beschriebenen Schilderungen der menschlichen Begegnungen über Stand und Herkunft hinweg. Die aufwändige Recherche der Autorin führte zu der Gewissheit, dass es nur sehr wenige verlässliche Angaben zu Coco Chanel gibt. Umso höher ist die schriftstellerische Leistung von Michelle Marly zu bewerten, die einen solch dichten und intensiven Roman schuf, so nahe der historischen Wirklichkeit wie möglich, aber atmosphärisch gekonnt ausgeschmückt und damit mit Begeisterung zu lesen. Dass der Mensch Coco Chanel nach Lektüre des Romans immer noch in gewisser Weise ein Mysterium bleibt, ist nur vordergründig bedauerlich, denn indem das Buch mit der Entwicklung des Parfüms Chanel N° 5 der alles überdauernden Liebe ein geniales Denkmal setzt, verrät es ganz ohne Worte alles über das innerste Wesen von Coco Chanel.

 

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Tanja Wekwerth

Das Leben ist ein Seidenkleid

 

 

·        Broschiert: 304 Seiten

·         Verlag: HarperCollins

·         ISBN-13: 978-3959671637

 

 

Zum Träumen schön

 

Maja, alleinlebend, verträumt und sensibel, ist Änderungsschneiderin und Verkäuferin in der Damenbekleidungs-Abteilung eines Kaufhauses. Ihre hartherzige, gefühllose Vorgesetzte macht ihr das Leben schwer. Maja sitzt nächtelang über ihren Modeskizzen und schneidert besondere Kleider, erweckt Stoffe sozusagen zum Leben und hat ein unträgliches Gefühl für das „richtige“ Kleidungsstück für den „richtigen“ Menschen. Der Kaufhausalltag mit all der hässlichen Massenware macht Maja immer unglücklicher, trotzdem fehlt ihr der Mut und auch das Geld, um sich selbständig zu machen. Um ihre Kasse aufzubessern, fährt Maja am Wochenende Mittagessen für Senioren aus, wobei sie auch diese Arbeit mit viel Herz ausführt. Bei einer dieser Fahrten lernt sie Leonhard kennen, einen sehr traurigen und klugen alten Herrn. Die beiden freunden sich an, Maja fühlt sich von Leo verstanden und gewinnt mehr und mehr Selbstvertrauen, bis das Schicksal brutal zuschlägt… 

Die Autorin schreibt gefühlvoll, oftmals geradezu poetisch, niemals larmoyant. Die Protagonisten sind so individuell besonders und liebenswert dargestellt, dass man sich als Leser in ihrer Gesellschaft wohlfühlt und voll Verständnis und Einfühlungsvermögen der Geschichte folgen mag. Der Roman ist wunderbar zu lesen, man taucht ein in die Welt der glücklichmachenden Kreativität, man meint fast die Sprache der Stoffe hören. Man erlebt aber auch in nachvollziehbarer Weise das Zaudern, die Unsicherheit, die Angst, die Maja so lange schon davon abhält, zu ihrer eigentlichen Bestimmung zu finden. Und man erlebt, wie erst im gelingenden sozialen Miteinander Träume Wirklichkeit werden können. Ein schönes, zu Herzen gehendes Buch, leicht, aber nicht seicht, und lange nachwirkend. 

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Anna Achmatowa

Liebesgedichte

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 96 Seiten

·         Verlag: Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag

·         Sprache: Deutsch

·         ISBN-13: 978-3150108451

 

 

Klein und fein

 

Der Name Anna Achmatowa mutet in seiner Sprachmelodie allein schon fast wie ein Gedicht an. Der Name zog mich an, und ich entdeckte ein ganz kleines Büchlein, eine Sammlung ihrer schönsten Liebesgedichte.

 

Anna Andrejewna Achmatowa lebte von 1889 bis 1966 und gilt als eine der bedeutendsten russischen Dichterinnen. Im Nachwort von Elisabeth Chéauret erfährt man in der sehr kurzen Darstellung etwas über das grausam harte Leben der Dichterin und ihre überragende Bedeutung „national und weltumfassend“, wie es Lew Kopelew in seiner Grabrede ausdrückte. Ich könnte mir vorstellen, dass eine romanhafte Biographie über Anna Achmatowa zu schreiben eine große, eine sehr große, aber lohnenswerte Aufgabe für einen Autor wäre, da das Leben sowohl literarisch als auch politisch gesehen werden müsste.

Die vorliegende kleine, feine Sammlung an Liebesgedichten berührte mich sehr. Ich kann nicht beurteilen, ob die Übersetzung von Kay Borowsky den russischen Originaltexten vollumfänglich gerecht wird. Aber mich spricht die knappe, reduzierte, klare Sprache sehr an, die in kürzester Form eine Welt von Gefühlen übermittelt. Sehr viel Traurigkeit liegt darin, selten ungetrübte Freude oder Hoffnung.

 

Kann man das Fehlen von Liebe kürzer und deutlicher sagen?

 

Schlimm war sein ruhiges Lächeln:

 

„Es zieht da, wo du stehst.“

  

Ein Büchlein, das man immer und immer wieder lesen kann…

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Manuela Inusa

Der zauberhafte Trödelladen

 

 

 Taschenbuch: 336 Seiten

 Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag

  ISBN-13: 978-3734106255

 

Ein Buch wie ein Sahnebonbon

 

Seufzend beende ich die Lektüre – was für ein schönes zu Herzen gehendes Buch!

 

Die 24-jährige Ruby hat von ihrer verstorbenen Mutter einen kleinen Antiquitätenladen in der Valerie Lane Street übernommen. Trotz aller Liebe, die sie in diesen Laden hineinsteckt und trotz des intensiven Gefühls, der bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Vorgeschichte der Räume verpflichtet zu sein, bleibt Ruby finanziell erfolglos. Die anderen Ladenbesitzerinnen in der Valerie Lane unterstützen sie, wo es nur geht, aber es scheint doch der Zeitpunkt zu kommen, an dem Ruby sich ernsthaft überlegen muss, wie ihre Zukunft aussehen soll…

Es war für mich das erste Buch der Autorin, und es war für mich eine Entdeckung in einem Genre, das ich bisher eher selten gelesen habe. Nach wenigen Seiten bereits fühlte ich mich den Ladenbesitzerinnen in der Valerie Lane Street zugehörig und nahm Anteil an ihrem Klatsch und Tratsch oder arbeitete mit ihnen an ihren Ideen. Vor allen Dingen aber fühlte ich mich zwischen ihnen und ihrer Gabe zur bedingungslosen Freundschaft sehr wohl und aufgehoben. Ruby wuchs mir ebenso ans Herz wie ihr durch großen Schmerz seltsam gewordener Vater oder wie Gary, der Obdachlose mit den traurigen Augen.  Die Autorin schreibt so herzerwärmend, dass sich im Leser ein wohliges Gefühl ausbreitet. Natürlich gibt es die beschriebene heile Welt nicht. Aber manchmal tut es einfach nur gut, dieser mit leichter und gekonnter Hand erzählten romantischen, gefühlsbetonten Geschichte zu folgen und sich mit diesem Buch ein paar Stunden Leichtigkeit und Wärme zu gönnen, so wie man sich auch einmal der Süße eines Sahnebonbons hingibt. 

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Agnes Prus

Halb zehn – das Frühstücksbuch

 

 

·         Gebundene Ausgabe: 240 Seiten

·         Verlag: Stiftung Warentest

·         ISBN-13: 978-3868514766

 

 

Das Frühstück zelebrieren…?

 

Das vorliegende Buch ist teuer. Es ist schwer. Es ist aufwändig gestaltet. Es enthält schöne, appetitanregende Fotos. Die rosa Farbe des Einbandes mutet mich seltsam an. Auch der Titel: halb zehn. Wer von uns frühstückt um halb zehn, außer vielleicht sonntags? Dennoch war ich voll froher Erwartung auf neue Frühstücksideen, auf neue Impulse für das eigene tägliche Gewohnheitsfrühstück.

Das Vorwort bereitet uns vor: Das Frühstück sollte zelebriert, geradezu gefeiert werden. So schön dieser fromme Wunsch auch ist. Seien wir doch ehrlich, wer von uns hat die Möglichkeit, aus seinem alltäglichen Frühstück eine Zeit des Wohlfühlens und Genießens zu machen? Und in der Tat will uns die Autorin dazu animieren, das tägliche Frühstück sehr bewusst  vorzubereiten, bei Brot und Brötchen mitunter schon Tage vorher. Und nein, ich habe keine Lust, in einem Frühstücksbuch zu lernen, wie man Sauerteig macht, ich möchte auch nicht Marmeladen einkochen. Bei Interesse würde ich mir ein Brotbackbuch und ein Marmeladen-Einkochbuch kaufen. Ich möchte in einem Frühstücks-Buch Frühstücksideen finden, alltagstauglich, leicht und schnell umsetzbar. Die Autorin schafft es jedoch, selbst aus einem „belegten Brot mit Ei“, einem wie sie es nennt „Retro-Sandwich bestechend durch Schlichtheit“, ein zeitaufwändigeres Rezept zu zaubern, zu dem es mehrere Zutaten braucht.

 

Wirklich schlimm empfinde ich persönlich jedoch, dass die meisten Rezepte nicht nur viel Arbeit machen, sondern auch Zutaten benötigen, die ich teils noch nie gehört habe, teils auch nirgends bekomme, da ich in einer Kleinstadt lebe. Was ist Pul Biber? Was ist Sriracha-Soße? Es wird uns nirgends erklärt. Eine Handvoll Babyspinat habe ich natürlich auch stets im Kühlschrank, ebenso wie schwarzen Sesamsamen oder Kokosblütenzucker. Dies nur eine kleine Auswahl, die Aufzählung ließe sich beliebig lange fortsetzen.

Für mich ist das Buch sehr, sehr enttäuschend. Warum nennt es sich Frühstücksbuch statt Brunch-Buch? Warum wird nicht bereits im Titel darauf hingewiesen, dass es sich eher um internationale Gerichte handelt, die Zeit und Know-How erfordern? Warum gibt es keine Auflistung der teils fremd anmutenden Zutaten, vielleicht sogar mit Hinweis, was alternativ verwendet werden könnte? Ach ja, das besagte „Belegte Brot mit Ei“ schaffe ich übrigens sehr viel schneller ganz ohne dieses sehr merkwürdige rosa Kochbuch.

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Tania Schlie

Der Duft von Rosmarin und Schokolade

 

 

·         Taschenbuch: 304 Seiten

·         Verlag: MIRA Taschenbuch

·         ISBN-13: 978-3956497810

 

 

Kein Buch für die Fastenzeit

 

Sind Sie gerade dabei abzunehmen? Oder haben Sie den festen Vorsatz, während der Fastenzeit auf so manchen Genuss verzichten zu wollen? Dann kaufen Sie dieses Buch,  verstecken es ganz hinten im Bücherregal und holen Sie es erst wieder hervor, wenn Sie offen sind für Genuss, für das Schwelgen in Spezialitäten, in Gewürzmischungen  und deren exotischen Gerüchen, in allerlei Schleckereien …

Maylis Klinger arbeitet zuverlässig und fleißig in dem alteingesessenen Feinkostgeschäft Radke. Eigentlich ist Maylis eine großartige Köchin mit viel Gespür für das wirklich Gute, aber nachdem ihr Mann sie von einem Tag auf den anderen verlassen hatte, lebt sie von Fastfood und kümmert sich nicht mehr um sich selbst. Da sie jedoch ihre recht unterschiedlichen Kunden großartig beraten kann und von diesen sehr geschätzt wird, möchte ihr Chef ihr das Geschäft eines Tages überschreiben. Doch Maylis ist sich unschlüssig, wohin ihr Weg sie führen soll…

 

Tania Schlie schreibt so intensiv bildhaft und mit allen Sinnen, dass man die teils skurrilen Kunden plastisch vor Augen hat. Man hat das Gefühl, selbst mitten im Laden zu stehen und an den lebendigen Gesprächen teilzunehmen, man glaubt, schnuppernd durch den Laden zu laufen, die unterschiedlichen Käsesorten zu kosten, von Marmeladenkreationen zu naschen und sich von Maylis‘ Rezeptvorschlägen inspirieren zu lassen. Die Autorin hat einen sinnlichen und rundum positiven Genuss- und Wohlfühl-Roman geschrieben, den zu lesen einfach nur guttut. Der Roman ist warmherzig, lichtbringend, vergnüglich und unterhaltsam. Mir kommt das Buch vor wie eine Aquarellzeichnung: zart, hingetuscht, ineinanderfließende Schattierungen, ohne jegliche Härte. Wunderbare leichte Unterhaltung.

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Antje Herden

Wir Buddenbergs

 

 

·        Gebundene Ausgabe: 208 Seiten

 Verlag: FISCHER KJB

 ISBN-13: 978-3737341097

 Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 8 Jahren

 

  

Vom Schildweinbraten zur modrigen Else

 

Mia ist ein ganz besonderes Mädchen. Sie lebt in einer kunterbunten, etwas chaotischen, übersprudelnd lebendigen Familie, die aus Opipi, Mama und drei Geschwistern besteht. Mia ist besonders, denn erstens hat sie einen ganz eigenen Papa, den sie gelegentlich auf dem Friedhof besucht, und zweitens hat sie eine großartige Methode gefunden, den Trubel um sie herum zu „ordnen“, indem sie sehr ordentliche Landkarten in ein Skizzenbuch zeichnet, das sie ihren Lebensatlas nennt. (Meine persönliche Vorliebe gilt übrigens der Karte „Herkunft unserer Teller“…) Als eines Tages ein uralter Brief aus London ankommt, der ungefähr 140 Jahre unterwegs gewesen war, beginnt eine spannende Suche nach einem Geheimversteck in der alten Villa.

 

Mia und ihre Familie sind so liebenswert, so verrückt, so trubelig, dass man beim Lesen aus dem Schmunzeln nicht mehr herauskommt. Schon lange habe ich kein Kinderbuch mehr gelesen, das mir beim Lesen so viel Spaß bereitete. Der Ideenreichtum der Autorin scheint unbegrenzt. Sie mischt überaus geschickt Spannung und Spaß, auch ein klein wenig Ernst zu einer Geschichte, die uns viel erzählt über Individualität, Toleranz und liebevolle Familienzusammengehörigkeit. Die detaillierten Zeichnungen von Florentine Prechtel unterstreichen die Geschichte auf perfekte Weise. 

Fazit: Ein Kinderbuch wie es sein soll: Spannung, Spaß und Ernst fröhlich-liebevoll erzählt.

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Michael Gerwien

Gründerjahr

 

 

Taschenbuch: 343 Seiten

Verlag: Gmeiner-Verlag

ISBN-13: 978-3839222140

 

 

Perverse Mahlzeiten, leider etwas fade angerichtet

 

100 Jahre Bayern, 100 Jahre München, 100 Jahre entsetzliche, geradezu bestialische Mordfälle, 3 Generationen Ermittler. Einen großen Bogen schlägt der Autor in diesem Kriminalroman.

 

Im Jahr 1918 werden kurz hintereinander drei blauäugige, junge blonde Frauen ermordet aufgefunden, alle drei regelrecht „ausgeweidet“. Die Ermittlungen des Kriminaloberinspektor Karl Weinberger und seiner Kollegen verlaufen letztlich erfolglos, dem Täter gelingt die Flucht.

 

Im Jahr 1948 werden wieder blonde blauäugige Frauen ermordet, auf die gleiche Weise wie 1918 ihrer Innereien beraubt. Jetzt ermittelt der Enkel von Karl Weinberger, Oberinspektor Hans Weinberger, zusammen mit der amerikanischen Polizei in München.

 

Im Jahr 2017 macht sich Julia Weinberger, Enkelin von Hans Weinberger, daran, die Fälle von 1918 und 1948 für einen Zeitungsartikel aufzubereiten und gerät damit in höchste Lebensgefahr.

In zwischengeschobenen Episoden sehen wir mit den Augen des Täters die Welt, lernen seine verwirrten Gedanken kennen und seine ekelerregenden Handlungsweisen. Diese Episoden empfand ich als sehr intensiv abstoßend beschrieben.

 

Ansonsten wird die Geschichte folgerichtig erzählt, mit über die Seiten hinweg mäßiger Spannung. Zwar habe ich das Buch gerne gelesen, aber insgesamt habe ich das Gefühl und die Lebendigkeit im Schreibstil vermisst. Es wird berichtet, nüchtern, sachlich, und so bleiben die dargestellten Personen blutleer. Mir haben farbige, weniger nüchterne Schilderungen der Menschen, mit allen Sinnen wahrgenommene Beschreibungen von Örtlichkeiten und Ambiente  gefehlt. Der interessante Plot hätte meiner Meinung nach viel mehr ausgearbeitet werden müssen, auch die zeitgeschichtlichen Unterschiede hätten größere Aufmerksamkeit verdient. Kurzum: Ein gut zu lesendes Buch, dem jedoch das Herzblut des Autors fehlt. 

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Olivia Kiernan

Zu nah

Seitenzahl der Print-Ausgabe: 368 Seiten

Verlag: HarperCollins

ISBN: 978-3-95967-183-5

  

 

Erschauernd spannend

 

Dass sich hinter dem wenig aussagekräftigen Cover ein rundum gelungenes Autorendebut verbirgt, war für mich eine positive Überraschung.

Eleonor Costello, eine Wissenschaftlerin, wird erhängt in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Detective Frankie Sheehan von der Dubliner Polizei, selbst noch schwer unter den Folgen ihres letzten Falles körperlich und seelisch leidend, spürt intuitiv, dass sehr viel mehr hinter diesem vermeintlichen Selbstmord steckt. Kurz darauf wird eine zweite tote Frau gefunden, grausam zu Tode gefoltert. Und spätestens jetzt beginnt eine Tätersuche, die tief hinabführt in eine Welt des Quälens, in eine Spirale der Gewalt als Lustgewinn.

 

Olivia Kiernan schreibt im Präsens. Zudem hat sie Frankie Sheehan als Ich-Erzählerin gewählt. Allein schon diese Stilform macht das Geschehen hautnah erlebbar. Wir tauchen tief ein in das erlittene Trauma von Frankie, in die Panikattacken und in ihren Kampf, sich selbst immer wieder neu zu überwinden. Feinste Beobachtungen, detaillierte Nuancen des inneren Erlebens machen die Handlung zu einem atmosphärisch und psychologisch dichten Thriller. Dazu kommen noch Dialoge mit teils beißendem Humor und insgesamt der in der Bildwahl mitunter fast expressionistisch anmutende Schreibstil. Und ein Plot, in dem vergangenes und neues Grauen sich wie zwei Schlangen lautlos und unaufhaltsam aufeinander zubewegen. All dies ergibt einen großartigen Thriller, erschauernd spannend. 

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Eva Völler

Tulpengold

Gebundene Ausgabe: 480 Seiten

Verlag: Bastei Lübbe

ISBN-13: 978-3431040845

 

 

 

Reiche Welt der Bilder

 

 

 

Amsterdam, 1636. Im Hause des Malers Rembrandt von Rijn zieht als neuer Maler-Lehrling Pieter ein. Pieter ist ein ungewöhnlicher Mensch, heutzutage würde man ihm wohl das Asperger-Syndrom bescheinigen. Er nimmt alles wortgenau, bedenkt seine Antworten sehr lange, hat wenig Zugang zu Gefühlen und besitzt nicht nur großer Mal-Talent, sondern auch eine tiefe Begeisterung für alles, was sich mit mathematischen Formeln berechnen lässt.

 

Es ist die Zeit der Tulpen-Mania. Die Preise für Tulpenzwiebeln steigen und steigen, auch Rembrandt lässt sich davon anstecken. Bereits am ersten Tag seiner Lehrzeit sieht Pieter, wie ein Tulpenhändler auf dem Markt zusammenbricht und stirbt. Bleiwasser-Vergiftung! Im Laufe der Geschichte sterben weitere Tulpenhändler, allesamt Kunden von Rembrandt. Insofern gerät Rembrandt sehr schnell unter Verdacht. Pieter jedoch stellt ganz andere Berechnungen an… 

 

Historische Romane sind normalerweise nicht das von mir bevorzugte Genre. Oftmals sind sie überfrachtet mit Wissensvermittlung, mit Darstellungen von recherchiertem Wissen, und die Lesefreude tritt dadurch in den Hintergrund.

 

Ganz anders bei Eva Völler! Sie schreibt unglaublich bildhaft und fesselnd. Man spürt ihre gründlichen und intensiven Nachforschungen und Vorbereitungen, aber nicht anhand von theoretischem Beiwerk, sondern all ihr Wissen fließt ein in eine Bilderwelt, die sie gekonnt vor uns Lesern ausbreitet. Ich sah fasziniert Rembrandt über die Schulter, wie er besessen malte. Ich stand mit Pieter in der Kneipe und sah den biertrinkenden und diskutierenden Tulpenhändlern zu. Ich sah mit dem klaren und wohlwollenden Blick der Autorin einen Ausschnitt der Welt im 17. Jahrhundert, die Welt der Kunst, aber auch der Gefahren, der Habgier, der Eifersucht und immer wieder die Welt der Farben, des künstlerischen Arbeitens, oftmals nur um überleben zu können. Ich lernte Menschen aus dieser Zeit kennen, sympathische und unsympathische, wunderbar fein beschrieben in ihrem individuellen So-Sein. Der Leser wird dank der Autorin schnell vertraut mit ihnen, leidet mit ihnen, bewundert sie, hofft mit ihnen. Und so verführt uns Eva Völler, ohne dass wir es merken, in diesen besonderen Zeitabschnitt in Amsterdam, sodass wir uns beinahe als zugehörig empfinden und völlig das oftmals so als dröge belastete Wort „historisch“ vergessen. Dass auch gleichzeitig die Aufklärung mehrerer Morde zusätzlich Spannung in das Buch bringt, ist für mich ein dankbar angenommenes  Beiwerk.

  

Fazit: Ein spannend zu lesender, farbig-lebendig geschriebener Roman, der mir einen intensiven und plastischen Einblick in einen mir bislang fernen Zeitabschnitt und in die damalige Welt der Kunstschaffenden gewährte. 

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Petra Hartlieb

Wenn es Frühling wird in Wien

Gebundene Ausgabe: 176 Seiten

Verlag: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG

ISBN-13: 978-3832198480

 

 

Klein und sehr fein

 

 

Wien, 1912. Im Haushalt von Arthur Schnitzler lebt Marie als Kindermädchen. Marie stammt aus einfachsten Verhältnissen, hat wenig Bildung, aber sie ist neugierig und hat vor allen Dingen, so jung sie auch ist, Herzensbildung. Die ihr anvertrauten beiden Kinder von Arthur und Olga Schnitzler betreut sie sehr liebevoll. Durch Zufall begegnet sie Oskar, einem mittellosen Buchhändler, und durch ihn lernt sie die Welt der Bücher, des Lesens, der Buchhandlungen kennen. Das zarte Pflänzchen der Zuneigung wächst…

 

Wir dürfen in diesem zauberhaften Buch durch das Schlüsselloch schauen in die Zeit der Belle Èpoque in Wien, in den durchaus herrschaftlich geführten Haushalt von Arthur Schnitzler und seiner Familie. Und wir schauen auch auf das klaglose Leben der Dienstboten. Ich war hingerissen von der Fähigkeit des Staunens bei Marie, von dem arbeitsamen, aber gerechten Miteinander im Hause Schnitzler. Ich erlebte mit ihnen intensiv  all ihre kleinen und großen Erlebnisse, ihre Wünsche und Hoffnungen, ihre Unsicherheiten und Glücksgefühle. Und ebenso hingerissen war ich von den Schilderungen der Welt der Wiener Buchhandlungen in jener Zeit und der Liebe zu Büchern, von der Verführung zum Lesen.

 

Petra Hartlieb schreibt unaufgeregt und fein beobachtend. Und noch viel wichtiger: sie schreibt mit dem Herzen. Der Leser entwickelt ganz konkrete innere Bilder beim Lesen, und das liegt nicht nur an der bildhaften Erzählweise, sondern auch an der sorgfältigen Recherche-Arbeit der Autorin, die ganz unauffällig in den Text hineinfließt, ihn aber so authentisch macht.

Fazit: Ein liebevoll gezeichnetes kleines und sehr feines Zeitbild, das hoffentlich eine Fortsetzung erfährt.

 

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Shannon Crowley

Blackwood Castle

Taschenbuch: 300 Seiten

Verlag: edition oberkassel

ISBN-13: 978-3958131309

  

 

Ein rundum spannendes Lesevergnügen

 

Andrew Collins ist ein ehemals gefragter Anwalt, inzwischen jedoch hoch verschuldet aufgrund der Heirat mit Heather, einer oberflächlichen unsympathischen Person, die nichts als Ansprüche mit in die Ehe gebracht hat. Andrew braucht dringend Geld. Da entdeckt er zufällig  in einem Kellerverlies unterhalb einer einsam gelegenen Burgruine eine junge Frau, die dort gefangen gehalten wird. Er wittert die Chance auf Lösegeldforderung und damit auf Lösung all seiner Probleme. Doch da wird er hinterrücks angegriffen und im Kampf erschießt er unfreiwillig den Angreifer. Ab diesem Zeitpunkt hat Andrew keine ruhige Minute mehr…

 

Auch wenn das Schriftbild des Buches nicht gerade augenfreundlich ist, habe ich es doch sehr zügig und sehr gerne gelesen. Die kurzen Kapitel, teils mit Cliffhangern versehen, verleiten zum steten Weiterlesen. Der Thriller ist gekonnt geschrieben, die Spannung wird von Anfang bis Ende gleichbleibend hoch gehalten und die Protagonisten werden lebendig und authentisch dargestellt. Ungewöhnlich, aber sehr fesselnd, empfand ich, dass der Leser tatsächlich besondere Sympathie, aber auch Mitleid, entwickelt für die Hauptperson. Andrew fährt sein Leben von Seite zu Seite mehr an die Wand. Er ist schwach, verschiebt das Nachdenken über sein Handeln stets auf später, macht andere für das eigene Versagen verantwortlich, übertritt ohne besondere Gewissenskonflikte rechtliche Grenzen und manövriert sich so systematisch in den Abgrund – und doch mochte ich ihn und hoffte bis zum Schluss auf eine glückliche Wendung. Raffiniert geschrieben!

 

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Alexander Oetker

Chateau Mort

Broschiert: 336 Seiten

Verlag: HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH

ISBN-13: 978-3455000764

 

 

Sinnenfreuden

 

 

Heiß ist es in der Aquitaine. Und der berühmte jährliche Marathonlauf, bei dem sich die Läufer in fantasievolle Kostüme werfen, findet trotz der Hitze statt. Kommissar Luc Verlaine begleitet die Läufer auf dem Motorrad, um auf die Sicherheit der Teilnehmer und der Zuschauer zu achten. Da brechen mehrere Läufer während des Laufs zeitgleich zusammen und einer von ihnen stirbt auf völlig unerklärliche Weise. Bald rückt Richard, ein alter Freund von Luc Verlaine und Winzer mit erheblichen Geldproblemen, in den Focus der Ermittler. Doch Luc Verlaine glaubt nicht an dessen Schuld und macht sich eigenständig auf Mördersuche.

  

Der Plot ist raffiniert gestrickt und schickt den Leser immer wieder in die Irre, ins Ungewisse. Die Geschichte bleibt bis zum Schluss, bis zur endgültigen Aufklärung immer spannend, immer fesselnd. Es gibt keine Längen, keine hölzernen Konstruktionen, keine Unglaubwürdigkeiten. Die handelnden Personen sind sehr lebendig und lebensnah geschildert, wie überhaupt der gesamte Erzählstil lebendig und lebensnah ist. Dass viel Hintergrundwissen und Recherche-Arbeit im Text steckt, merkt man nur ganz indirekt, weil man nach Lektüre des Buches zum Beispiel mit einem völlig veränderten Bewusstsein eine Flasche französischen Rotwein in die Hand nimmt.

 

Was das Buch für mich jedoch zu einer Besonderheit in der riesigen Krimi-Landschaft macht: Es ist mit allen Sinnen geschrieben. Der Leser sieht, schmeckt, riecht und fühlt. Da wird nicht nur erzählt. Da wird geschwelgt, in der Schönheit der Landschaft zum Beispiel. Da gibt es zahllose Genussvarianten, ob beim Essen, ob beim Trinken. Der Leser wird, ob er will oder nicht, in die atmosphärisch dicht beschriebenen Freuden des Genießens hineingezogen. Man sitzt mitten unter den sich unterhaltenden Personen auf Sonnenterrassen, genießt exzellente Fischgerichte und leichten, kühlen Weißwein dazu oder man wandert durch die Weinberge und spürt den Geschmacksexplosionen von prall reifen Trauben nach. Und so geht es in diesem großartig geschriebenen Krimi um Geld, um Suche nach Anerkennung, aber auch um die Kunst des Genießens. Darauf ein Glas „Chateau La Tour de By 2011“! 

 

 

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Alexander Bálly

Tod im Hopfengarten

Taschenbuch: 256 Seiten

Verlag: Emons Verlag

ISBN-13: 978-3740800345

 

Nackerd oder bemalt

 

 

 

Normalerweise liest man einen Krimi, indem man die Protagonisten kennenlernt, es einen oder mehrere Leichen gibt, und dann das Ermittlerteam, mehr oder weniger sympathisch, seine Arbeit beginnt. Der Leser denkt mit, denkt sich sein Teil und behält am Ende recht oder auch nicht. Das alles war bei „Tod im Hopfengarten“ ebenso, und doch ganz anders.

 

Zwei Geschehnisse beschäftigen die Münchener Polizei: eine Serie von Kunstdiebstählen und eine zufällig aufgefundene bereits skelettierte Leiche. In Wolnzach, einem Marktflecken im idyllischen Landstrich der Holledau gelegen, gibt es zwar viele Mutmaßungen, aber man spricht nicht mit Fremden, schon gar nicht mit evangelischen Fremden. Da ist es gut, dass der Ludwig Wimmer, Metzgermeister im Ruhestand und Hobbydetektiv, auf seine ganz eigene Weise den Leuten beim „Brauchtümeln“ zuschaut…

 

Die wild ausgekippten Puzzle-Teile des Krimi-Geschehens waren jedes für sich gesehen bereits so urkomisch, so bayerisch sturschädelig oder schwäbisch sparsam, so hinterkünftig, dass es mir streckenweise gar nicht mehr wichtig war, ein stimmiges Gesamtbild zu erstellen. Ich verlor mich in der Technik eines zerlegten uralten Fleischwolfs oder im Sortieren von Heiligen, nackerd oder bemalt. Ich folgte den Irrwegen eines plattgefahrenen Heilands und ging auch sonst dem Autor immer wieder auf den Leim. Ich grantelte auf bayerisch und forschte auf schwäbisch, dabei kicherte ich mich durch die Seiten. Und am Ende war das zusammengepuzzelte Bild doch ein sehr stimmiges Ganzes geworden, ohne dass ich etwas anstrengen musste außer meine Lachmuskeln.

 

Ich ziehe meinen Hut vor diesem Autor, der es versteht, fundiertes Wissen, kritisches Denken, scharf-liebevolle Beobachtungsgabe und blühende Fantasie zu einem Buch zusammenzu“binden“, das zu lesen vordergründig einen Heidenspaß bereitet und hintergründig der Bigotterie, der weit verbreiteten Welt der Vorurteile und rechtsgerichtetem Denken den Spiegel vorhält.

 

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Elfriede Hammerl

Alte Geschichten

Gebundene Ausgabe: 192 Seiten

Verlag: Kremayr & Scheriau

ISBN-13: 978-3218011068

 

 

Grandios

 

 

 

 

Das Buch klappe ich nach der letzten gelesenen Geschichte zu. Ratlos. Deprimiert. Wütend. Weil das Buch großartig geschrieben ist. Und so entsetzlich.

 

Die Erzählungen berichten von Frauen und Männern, die „gegen“ sind. Gegen die anderen, gegen den anderen, gegen die Vergangenheit, gegen sich selbst. Und entweder sie haben resigniert oder sie hassen oder sie sind erkaltet bis ins Herz. Apropos Herz: Das kommt nicht vor. Niemand ist herzlich. Herzerwärmende Gesten gibt es nicht. Es sind beschädigte, herzbeschädigte Menschen, von denen berichtet wird, herzlos berichtet wird.

  

Dass die Autorin gewohnt ist, Kolumnen zu schreiben, d. h. Themen pointiert zu Papier zu bringen, spürt man in dieser vorliegenden Sammlung von Erzählungen. Da ist kein Satz zuviel, ja da ist kein Wort zuviel. Und das Grauen blinzelt auf jeder Seite zwischen den Sätzen hindurch, das Grauen, das sich Menschen selbst oder dem Partner verordnen, sozusagen als Medikament gegen Einsicht, gegen Reflexion, gegen Hoffnung, gegen alles am besten. Die Autorin schaut mit dem Mikroskop hin und zählt die tiefen Seelenfalten, die unverheilten Seelenwunden. Und sie lässt kein gutes Haar an den Menschen, von denen sie berichtet. Es gibt in diesem Buch an keiner Stelle einen Schimmer von echter Erlösung oder zumindest tragfähiger Hoffnung. Das messerscharfe Seziermesser der Autorin setzt nahezu in jeder Geschichte einen endgültigen Schnitt. Es gibt kein Davonkommen. Grandios.

 

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Wladimir Kaminer

Liebesgrüße aus Deutschland

Taschenbuch: 288 Seiten

Verlag: Goldmann Verlag

ISBN-13: 978-3442473656

 

 

Russisch Brot mit Herz

  

 

Gerne schauen wir Deutschen mit Neugier, Bewunderung, oftmals auch mit Kopfschütteln nach Russland, nach dem historischen wie auch dem modernen Russland. Nicht erst seit Dr. Schiwago üben russische Geschichten eine merkwürdige Faszination aus. Wir kuscheln uns lesend in teuere Pelze und trotzen gerne der sibirischen Kälte und allzu oft auch der russischen Realität. 

Wie ist es nun, wenn ein in Moskau geborener Autor, der seit 1990 in Deutschland lebt, auf uns Deutsche schaut?

 

 „Wenn ein Russe von den Deutschen spricht, dann sagt er, ihnen fehle das Herz. … alles tun sie ohne Herz, aus bloßem Interesse.“

 

Herz ist es, Herz zeichnet ihn aus, wenn Kaminer uns zuschaut, wie wir Deutschen jährlich Millionen für Klarsichthüllen ausgeben, um unseren Staat ordentlich in Aktenordnern zu verwalten. Er hält uns auf sehr witzige Weise den Spiegel vor. Er, dessen Kater Fjodor Dostojewski heißt, erzählt uns von der deutschen Erfindung von Russisch Brot und stellt den gewagten Vergleich an zur großen Bedeutung von Brot in Russland, ohne das es keine Oktoberrevolution gegeben hätte.

 

Man liest und lacht und liest und schmunzelt, und ganz nebenbei lernt man mehr über die russische Seele, als es jedes schlaue Sachbuch vermitteln könnte. Dass beispielsweise das Unterrichtsfach Sport in Russland „physische Kultur“ heißt – das sagt doch alles, nicht wahr? 

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Wolfgang Büscher

Berlin – Moskau, Eine Reise zu Fuß

Taschenbuch: 240 Seiten

Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag

ISBN-13: 978-3499236778

 

 

Nu dawai!

 

 

 

Der Journalist Wolfgang Büscher machte sich zu Fuß auf eine ganz und gar unglaubliche Reise, beginnend an einem heißen Sommerabend in Berlin. Er geht gen Osten, über Polen weiter nach Weissrussland und schließlich bis Moskau. Das wichtigste Utensil: eine winzige Schere zum Schneiden von Pflasterstreifen…

  

Das Buch ist kein Reiseführer. Und es ist doch einer, aber einer fast ohne nachschlagbare Fakten, sondern einer, der prall gefüllt ist mit skurrilen Erlebnissen, mit merkwürdigen Begegnungen, mit unglaublichen Geschichten, und immer wieder dazwischen manchmal fast beiläufig eingestreute geschichtliche oder politische Rückblicke, Meinungen, Verwunderungen. Mit einer fein nuancierten Beobachtungsgabe und schier endloser Neugier ausgestattet, erlebt der Autor sehr viel Verwunderliches, Überraschendes. Wir schauen mit ihm zusammen die Mini-Ausschnitte seines persönlichen Erlebens an und bekommen so, ganz ohne Lexikon-Wissen bemühen zu müssen, ein Gefühl für russisches Leben in jeglicher Ausprägung. Und Büscher erzählt uns davon in einer ausgesprochen schönen, stellenweise fast lyrisch anmutenden bildhaften Sprache. Ein wunderbar zu lesendes Buch, lebendig, intensiv. Erleben Sie es selbst: Nu dawai!

 

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Thomas Baum

Tödliche Fälschung

Taschenbuch: 312 Seiten

Verlag: Haymon Verlag

ISBN-13: 978-3709978887

 

 

Krimi auf österreichisch

 

Zwei Erzählstränge, zwei rätselhafte Fälle und ein Ermittlerteam der besonderen Art: Daraus ist dieses Buch gestrickt, und zwar in einem speziellen österreichischen Strickmuster, das mich zu Beginn etwas befremdete, mir aber schlussendlich sehr gefiel.

Kommissar Worschädl besucht mit seiner holden Gattin Karoline ein Cellokonzert, das nicht stattfindet, weil der Bratschist hinter der Bühne tot aufgefunden wird. Und es wird bei einer Joggingrunde mit ihrem Blindenhund ein blindes junges Mädchen entführt. Dazu kommt auch noch jede Menge Falschgeld. Worschädl und seine Kollegin Schinagl, die mit einer schwer pubertierenden Tochter geschlagen ist, ermitteln von Linz bis nach Italien, mitunter bis hin zur persönlichen Schmerzgrenze, bei der auch Bachblüten nicht mehr helfen können…

 

Wenn man sich erst einmal in den intelligenten, aber etwas sperrigen Sprachstil eingelesen hat, macht das Buch richtig Spaß. Denn abgesehen von den durchaus spannend aufbereiteten Geschehnissen besticht der Krimi durch seinen teils bissigen, teils liebevollen, immer und überall ganz leise durchblitzenden Humor. Auf eine Fortsetzung darf man hoffen. 

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Monika Detering

Der Sommer des Raben

Seitenzahl der Print-Ausgabe: 200 Seiten

Verlag: edition oberkassel

ISBN: 978-395813-1170

 

 

 

Ein Buch wie Bitterschokolade

 

 

 

Es fällt mir schwer, diesem kleinen großen Roman gerecht zu werden.

 

Da gibt es eine klare Handlung: Felix stirbt durch einen unglücklichen Unfall und Siri, seine Lebensgefährtin, erlebt die dunkelste Zeit ihres Lebens. Sie flieht in ohnmächtiges Verharren, lässt andere bestimmen, gewährt dem inneren Stillstand und aufblitzenden Erinnerungsbildern sehr viel Raum. Schließlich nimmt sie, von Beruf Agentin für Puppenexponate, die von Felix begonnene Suche nach der Raben-Marionette Havran aus der weltberühmten tschechischen Werkstatt Spejbl & Hurvinek wieder auf, und mit dieser geradezu besessenen Suche beginnt sich auch ihr inneres Leben wieder in Bewegung zu setzen.

 

Mir war beim Lesen dieses Buches meistens kalt. Die beschriebene Trauer fiel mich an wie eine plötzliche Erkältung. Und Siri’s ergebenes Stillhalten ließ auch mich erlahmen. Die sehr detailgenau erzählte Welt der Marionetten war einerseits faszinierend, andererseits blieben die Puppen und Marionetten und Raben im gesamten Buch leblos. Ursprung und Besitz, ja – aber an keiner Stelle des Buches wurden sie zum Leben erweckt, nahm sich ein Puppenspieler ihrer an und hauchte ihnen Persönlichkeit ein. Und so fühlte ich mich auch beim Lesen: An den Fäden der Autorin hängend, ihrer erzählten Geschichte folgend, aber ohne eigenes Leben. Hingerissen von ihrem intensiven, feinsinnigen Schreibstil, in dem sich eine nüchterne, fast abgehackte Schreibweise mit Stellen von lyrischer Schönheit abwechselt. Übrig bleibt mir vom Buch der Geschmack von Bitterschokolade – süß und bitter gleichermaßen.

 

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 Ralf H. Dorweiler

 Das Geheimnis des Glasbläsers

Taschenbuch: 576 Seiten

Verlag: Bastei Lübbe

ISBN-13: 978-3404176274

 

Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 16 Jahren

 

 

 

Besser geht nicht

Anno Domini 1452 bekommt Kaiser Friedrich III. im Heiligen Römischen Reich als Geschenk anlässlich seiner Hochzeit Glas geschenkt, durchsichtig wie Wasser. So etwas Reines hatte er noch nie gesehen, denn bislang gab es nur grünliches Waldglas. Er entsendet Simon den Glasbläser nach Venedig, damit er ihm von dort die geheime Rezeptur des Kristallglases bringt.  Begleitet wird der etwas unbedachte Simon von Ulf, einem sanften Riesen mit schlichtem Gemüt, und der Eselin Lilly. Nach einer gefahrvollen Reise über die Alpen und nach Ankunft in Venedig warten eine Fülle weiterer gefährlicher Abenteuer auf Simon und Ulf. Ein Serienmörder treibt sein Unwesen, eine Bordellbesitzerin erweist sich als ungewöhnlich hilfreich und ein wunderschönes Mädchen lässt Simon fast seine eigentliche Mission vergessen. Die Schlacht um Konstantinopel bringt die entscheidende Wende…

 

Historische Romane gibt es unzählige. Dick sind sie meistens. Mal mehr mal weniger gut recherchiert sind sie. Mal mehr mal weniger gut lesbar sind sie. Sie werden geliebt, weil man als Leser abtauchen kann in eine Zeit, die es wirklich gab, die aber für den Leser so fern ist wie eine fremde Galaxie. Noch nie jedoch habe ich bisher je einen historischen Roman gelesen, der mich so atemlos machte, der mich fiebernd Seite um Seite verschlingen ließ, der mich aufs Intensivste um die Protagonisten zittern ließ, der mich ins Schlachtgetümmel schickte, dass mir Hören und Sehen verging und mich schließlich völlig erschöpft das Buch schließen ließ in der Gewissheit, dass der Kampf um Geld und Macht ein sinnloser ist.

Ich bin hingerissen von der Faszination dieses Buches, vom kraftvollen Schreibstil des Autors, der mich mit allen Sinnen das Geschehen miterleben ließ, als sei ich dabei. Ich bin begeistert von der farbenprächtigen fulminanten Geschichte:  Märchen, Abenteuer, Historie perfekt miteinander verwoben. Großartig, wie es dem Autor gelungen ist, sorgfältigste Recherche-Arbeit so direkt in die Handlung einfließen zu lassen, dass das Buch nicht eine einzige Zeile der besserwisserischen Langeweile enthält. Für mich ist dieser historische Roman der spannendste und lebendigste, den ich je gelesen habe. 

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Silvia Stolzenburg

Das dunkle Netz

Taschenbuch: 277 Seiten

Verlag: Gmeiner-Verlag

ISBN-13: 978-3839222805

  

 

Leichte, spannende Kost

 

 

Als bekennender Gmeiner-Verlag-Fan gehe ich auf jedes Buch aus diesem Verlag mit gespannter positiver Erwartung zu. So auch in diesem Fall.

 

Die Handlung ist gemäß Klappentext schnell erzählt: Mark Becker, Feldjäger, findet auf seine Mailbox die Nachricht eines ehemaligen Kameraden mit der dringenden Bitte um ein Treffen, da er Beweise für ihn habe. Als Mark ein paar Stunden später zu ihm fährt, ist der Mann jedoch spurlos verschwunden. Ein paar Tage später wird eine verkohlte Leiche im Wald aufgefunden. Lisa Schäfer von der Kriminalpolizei beginnt ihre Ermittlungen.

 

Dank der kurzen Kapitel und der authentisch wirkenden, lebendigen Dialoge liest sich das Buch sehr schnell. Es ist Seite um Seite spannend, mitunter etwas klischeehaft in den Darstellungen von Situationen und Personen. Der Plot weist nicht gerade die allergrößte Raffinesse auf, aber dennoch löst er allerlei Rätselraten aus. Was absolut stört, sind die vielen Abkürzungen. Zwar gibt es am Ende ein Abkürzungsverzeichnis, das jedoch nur einen geringeren Teil der tatsächlich vorkommenden Abkürzungen enthält.

 

Fazit: Ein durchaus spannend geschriebenes Buch für Lese-Stunden, in denen leicht lesbare Kost ohne besondere Tiefe angebracht ist. 

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Ulrich Alexander Boschwitz

Der Reisende

Gebundene Ausgabe: 303 Seiten

Verlag: Klett-Cotta

ISBN-13: 978-3608981230

 

 

Reise ohne Ankunft

 

  

1942 torpediert ein deutsches U-Boot das britische Passagierschiff, auf dem sich der 27-jährige Ulrich Alexander Boschwitz befindet. Boschwitz wird dabei getötet. Am Körper trägt er sein zuletzt verfasstes Manuskript. Der Herausgeber Peter Graf beschreibt in seinem bewegenden Nachwort, wie das unbearbeitete Typoskript „Der Reisende“ als eines der frühesten literarischen Dokumente der deutschen Gräuelzeit zu ihm fand, ein Manuskript, in dem der junge Boschwitz in nur 4-wöchiger Niederschrift Teile seiner eigenen Familiengeschichte eingearbeitet hatte als Versuch, gegen die Ohnmacht anzuschreiben.

 

Hilflos  muss der jüdische Kaufmann Otto Silbermann zusehen, wie sein bisher durchaus behagliches Leben innerhalb von Minuten aus den Angeln gehoben wird. Die Novemberprogrome zwingen ihn, von jetzt auf gleich aus seiner Wohnung, aus seinem gewohnten Leben zu fliehen und nicht nur seine arische Frau, sondern auch alle Insignien des Wohlstands zurückzulassen. Ein letztes Geschäft mit seinem windigen Geschäftspartner, einem Spieler, bringt ihm eine Aktentasche voll Geld. Doch wo soll er nun hin, mit seiner Aktentasche? Bleiben, egal wo, ist für Silbermann nicht mehr möglich. Unterwegs muss er sein, immer unterwegs. Und so fährt er in Zügen kreuz und quer durch Deutschland, seine Pläne immer wieder verwerfend und die Reiserichtung wieder und wieder ändernd. Seine von uneingestandener Angst getriebene Ruhelosigkeit führt zu absurden Handlungen. Phantasien, Kindheitserinnerungen, Mutmaßungen durchsetzen sein Denken. Es ist ein Herumdenken an Unwesentlichem, das seine ratlosen Zögerlichkeiten unterstreicht.  Er begegnet Menschen aller Ausprägung in diesen Zügen, er beobachtet sie, führt merkwürdige Gespräche, bildet sich eigenwillige Urteile und hat doch letztlich nur eines im Sinn: sich selbst und seine Flucht nach nirgendwo.

  

Unfassbar, dass der Autor zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Buches erst 23 Jahre alt war. Das Buch ist ein reifes, ein eindringliches Zeitdokument. In größter Intensität wird anhand der nicht endenden Reise des Otto Silbermann ein Karussell der Ausweglosigkeit geschildert, ein Zustand von Ratlosigkeit, ja Fassungslosigkeit, von Misstrauen und  angstvoller Planlosigkeit, von uneingestandenem Entsetzen. Die Eindringlichkeit, in der der Autor schlicht-beobachtend, geradezu nüchtern erzählt, lässt den Leser bis ins Tiefste erschauern und so eine Ahnung bekommen von einer Zeit, in der das immanent Böse im Menschen offen zutage trat.

 

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Katja Reider

Das Ravioli-Chaos

Gebundene Ausgabe: 128 Seiten

Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag

ISBN-13: 978-3499217944

 

Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 8 Jahren

 

 

Spannend-fröhlich erzählt

 

 

 

Lenni und sein Freund Walze wollen unbedingt Karriere beim BKA machen und schreiben einen Bewerbungsbrief. Schließlich haben sie bereits einige Erfahrungen vorzuweisen, z. B. als Personenschützer für Nela, die Schwester von Lenni, die in einer Soap mitspielt und sich deshalb als Star fühlt. Doch dann passiert es: Lenni hütet für kurze Zeit den Kiosk und sieht sich plötzlich einem Strumpfmaskentäter gegenüber, der Geld fordert. Ein einstürzender Turm von Ravioli-Dosen schlägt den Dieb in die Flucht und Lenni wird als Held gefeiert, aber…

 

Das Buch hat mich restlos begeistert.

 

Es ist fröhlich und geistreich erzählt, mit viel Wortwitz versehen und vor allen Dingen durchgängig spannend zu lesen. Auch ernst zu nehmende Themen fehlen nicht, wie z. B. Beschimpfungen über Social Media. Wie gut, dass bei Lenni letztlich die Erkenntnis siegt, dass Berühmt-Sein gar nicht so toll ist und dass es viel wichtiger ist, ehrlich zu sein. Und gute Freunde zu haben natürlich.

 

Fazit: Ein rundum empfehlenswertes, lustiges und spannendes Buch für das zweite Lesealter.

 

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Anja Kiel

Lara und die freche Elfe tanzen Ballett

Gebundene Ausgabe: 48 Seiten

Verlag: Ravensburger Buchverlag

ISBN-13: 978-3473365333

 

Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 6 Jahren

 

 

Zauberhaft

 

 

 

Der Leserabe für die 1. Lesestufe aus dem Ravensburger Verlag ist perfekt gestaltet, um Erstleser für die Welt der Bücher „einzufangen“. Einfache, kurze Textabschnitte, eine extra große Schrift, im Anhang dann noch Rätsel und Sticker zum Einkleben – das alles ist geeignet, das Lesen-Lernen spielerisch zu versüßen.

In dieser Reihe ist der vorliegende Titel  „Lara und die freche Elfe tanzen Ballett“ ein besonders gut gelungenes Buch  vorrangig für Mädchen. Lara ist eine kleine Ballett-Tänzerin und übt auf dem Dachboden vor dem verstaubten Spiegel. Fritzi, die kleine Elfe, kommt dazu und die beiden bringen mit viel Spaß den Dachboden ganz schön durcheinander…

 

Anja Kiel erzählt kindgerecht in einfachen Sätzen. Besonders gut gefällt mir persönlich, wie die Autorin mit kleinen Mehrdeutigkeiten Wortspielereien betreibt und damit noch einmal mehr die Fröhlichkeit des gesamten Buches unterstreicht. Die liebevollen Zeichnungen von Elke Broska, auf denen viele Details zu entdecken sind, werten auf gekonnte Weise die kleine Geschichte auf.  Von den farbenfrohen Illustrationen geht eine kindliche Unbeschwertheit aus, ganz und gar passend zum erzählten Text.  Ein zauberhaft schönes, rundum gelungenes Buch!

 

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Sabine Ludwig

Serafinas Geheimnis

Gebundene Ausgabe: 224 Seiten

Verlag: Dressler

ISBN-13: 978-3791500652

Vom Hersteller empfohlenes Alter: 9 - 11 Jahre

 

 

Schräge lustige Geschichte

 

 

Die Hexe Serafina und ihr Kater Luzifer, dessen Hobby es ist, gefangene Mäuse zu trocknen, zu pressen und in ein Sammelalbum zu kleben, erhalten einen Hilferuf von ihrem Urgroßonkel Alfred. Sie sollen eilig nach Wurzbach kommen, weil etwas in der dortigen Suppenwürzwürfelfabrik ganz und gar nicht in Ordnung ist. Eilig verlassen die beiden den Zauberwald und sehen sich ganz schnell mit einer Reihe von Problemen konfrontiert…

  

Die wunderbaren fröhlichen, kindgerecht gezeichneten Illustrationen und die relativ große Schrift suggerieren, rein vom Äußeren her betrachtet, dass es sich bei Serafinas Geheimnis um ein Kinderbuch handelt, geeignet zum Vorlesen vielleicht ab 6, zum Selberlesen ab 8. Bislang konnte ich das Buch noch nicht zusammen mit Kindern lesen, aber aus Erwachsenensicht müssen die Kinder mindestens 10 oder 11 sein, um die Geschichte und seine Zusammenhänge wirklich verstehen zu können. Es gibt zwar herrliche Wortspiele und viele witzige Details, die auch jüngeren Lesern Spaß machen dürften, aber der teils etwas hintergründige Humor, der auch vor ernsteren Themen nicht Halt macht, wäre für Kleinere sehr erklärungsbedürftig! Auch das der Geschichte zugrunde liegende Thema von natürlichen Lebensmitteln in Konkurrenz zu künstlichen Tütensuppen und all den damit verbundenen schwierigeren Wörtern dürfte nur für ältere Kinder gut lesbar sein. Insofern passt für mich die äußere Gestaltung und der zu lesende Inhalt nicht wirklich zusammen. Als Erwachsene jedoch hat mich die schräge Geschichte in seiner humorigen und phantasievollen Erzählweise restlos überzeugt.

 

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Marc Raabe

Schlüssel 17

Broschiert: 512 Seiten

Verlag: Ullstein Taschenbuch

ISBN-13: 978-3548289137

 

Packender Reihenauftakt

 

Der Domorganist Winkler betritt den Berliner Dom und findet die Pfarrerin hoch in der Kuppel aufgehängt wie ein Engel, den Körper böse entstellt, um den Hals einen Schlüssel mit der Nr. 17 eingraviert. Der LKA-Ermittler Tom Babylon vertieft sich in den Fall mehr als ihm guttut, denn vor 20 Jahren Jahren verschwand seine kleine Schwester Viola, die genau solch einen Schlüssel mit der Zahl 17 bei sich hatte. Tom ist nicht begeistert, dass er die Psychologin Sita Johanns an die Seite bekommt, die seine gewohnten Alleingänge immer wieder zu unterbinden weiß. Mögliche Spuren führen in die Psychiatrie, aber auch zurück in die ehemalige DDR bzw. zur Stasi…

 

 Erzählt wird in zwei Handlungssträngen, in Vergangenheit (1998) und Gegenwart (2017). Diese beiden Zeitebenen verweben sich, je weiter man liest, immer mehr, sie verknoten sich geradezu, verschaffen dem Leser keine Klarheit, im Gegenteil, sie führen zu mehr und mehr Verwirrung. Bis zum temporeichen Ende geht man dem Autor in seinem raffinierten Plot auf den Leim bei der Frage, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Tom Babylon ist ein sympathischer Ermittler mit schmerzhafter Vergangenheit, idealer Gegenpart zu Dr. Sita Johanns, der Psychologin ebenfalls mit schmerzhafter Vergangenheit. Man spürt, dass die beiden Personen noch viel Erzählpotential in sich tragen…

 

Das Buch ist durchgängig spannend, geradezu packend erzählt, in einem knackigen Sprachstil, dadurch flott zu lesen. Personen und Geschehnisse sind lebendig und nachvollziehbar geschildert, die Handlung äußerst geschickt konstruiert und durch die zwei Zeitebenen doppelt fesselnd. Glücklicherweise lässt das Ende dieses Buches auf ein Wiederlesen mit Tom und Sita hoffen.

 

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Eva Stachniak

Die Schwester des Tänzers

Taschenbuch: 570 Seiten

Verlag: Insel Verlag

ISBN-13: 978-3458363101

Originaltitel: The Chosen Maid 

 

Ein historischer Roman in Perfektion

 

 

 

Wenig Ahnung hatte ich von klassischem Ballett. Ich wusste auch nicht viel über die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland, schon gar nicht über das Leben der Künstler dort zu dieser Zeit. Nach Lektüre des Romans glaube ich, ein klein wenig mehr zu verstehen von Ballett und freiem Tanz, aber auch vom ballettverrückten Russland in seinem politischen Hin- und Hergeworfen-Sein Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Buch regte mich zu weiteren Nachforschungen an, insbesondere die vorhandenen Filmsequenzen des Nijinski-Balletts, die filmischen Dokumente von Waslaw und Bronislawa Nijinky, zeigten mir, wie perfekt es Eva Stachniak gelungen ist, das Ringen um künstlerischen Ausdruck im Roman erfahrbar zu machen.

 

Für die Wiedergabe des Buchinhalts benötigt man eigentlich mehrere Seiten, ich versuche es mit einem einzigen Satz: Während der Überfahrt nach Amerika im Jahr 1939 hält die international renommierte Ballerina und Choreographin Bronislawa Nijinsky Rückschau auf ihr bisheriges sehr bewegtes Leben.

 

Wir erleben die Kindheit und Jugend der Bronislawa Nijinsky im Schoß ihrer ballettverrückten Familie,  ihren mühevollen künstlerischen Werdegang, lange im Schatten ihres berühmten und exzentrischen Bruders Waslaw stehend. Wir erfahren vom  hohen künstlerischen Anspruch, vom Ringen um die „richtigen“ Bewegungen, vom  Wandel vom klassisch strengen Ballett hin zum freien Ausdruckstanz. Wir erleben die politisch wechselvollen Zeiten von 1900 bis 1939, nicht nur in Russland, und die teils verheerenden Auswirkungen auf das künstlerische Schaffen. Wir reisen von Petersburg ausgehend durch die Welt, wir begegnen großen Künstlern der Zeit und erleben hautnah das verzweifelte Kämpfen um ein gelingendes Leben trotz vieler schwerer Schicksalsschläge. Bronislawa Nijinsky lernen wir kennen als schicksalsergeben, liebevoll und bescheiden einerseits, als begnadete Künstlerin mit großen Visionen, stark und eigenwillig andererseits.

 

Eva Stachniak hat als Grundlage für diesen Roman die Early Memories der Tänzerin und eine Fülle an biographischem Material, archiviert in der Kongressbibliothek, Washington, herangezogen. Entstanden ist ein Roman, wie er intensiver, farbiger und bewegender gar nicht sein könnte. Zwar bleibt die Ich-Erzählerin Bronislawa als Mensch nicht wirklich greifbar, nur selten schimmern ihre eigenen Gefühle durch. Aber genau dadurch erleben wir quasi durch ihre Augen unverfälscht ihre Sicht auf die Welt, ihr reiches, gefeiertes, aber auch tragisches, entbehrungsreiches Leben in einer höchst wechselvollen Zeitgeschichte, hinreißend erzählt. Ein historischer Roman in einer großartigen Mischung aus historischer Wahrheit und schriftstellerischer Fantasie.

 

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Sarah Dunant

Die letzte Borgia

Broschiert: 522 Seiten

Verlag: Insel Verlag

Sprache: Deutsch

ISBN-13: 978-3458363194

 

 

Originaltitel: In the Name of the Family

 

    

 

Ein Buch wie eine Gemäldegalerie

  

Ich fühlte mich beim Lesen des Buches wie die Besucherin eines Museums mit historischen Gemälden, mit geschönten oder entlarvenden Konterfeis sich bedeutend fühlender Persönlichkeiten. Ich sah die Gemälde an und ging weiter – und nichts davon berührte mich. Zwar bewunderte ich die Kunst des Malers, aber von den Personen erfuhr ich nur Äußerlichkeiten. Ich erfuhr vom modischen Schnitt geschlitzter Ärmeln vielleicht etwas oder ich sah feinste lederne Handschuhe für feingliedrige Hände vor mir. Doch die Menschen, ihre innersten Beweggründe, ihre Sehnsüchte und Träume, ihre wahren Gefühle blieben mir lesend verborgen.

  

Erzählt wird uns vom schillernden Leben der Lucrezia Borgia, der unehelichen Tochter des Papst Alexander. Auch wenn der Fokus auf Lucrezia liegt, so holt doch Sarah Dunant erzählend weit aus, um die Komplexität der Familienverbandelungen der Borgias einigermaßen transparent zu machen. Macht und Habgier, Intrigen, Gerüchte, Mord und Orgien, aber auch Schönheit und Liebe – nichts wird ausgespart in diesem farbigen mittelalterlichen Bilderbogen. Lebendig geschrieben, fesselnd erzählt. Aber mich nicht wirklich berührend.

 

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Nickolas Butler

Die Herzen der Männer

Gebundene Ausgabe: 480 Seiten

Verlag: Klett-Cotta

ISBN-13: 978-3608983135

 

 

Literarische Herzsuche

 

 

 

„Die Herzen der Männer“ – ja, sie sind zu finden in diesem Buch. Man bahnt sich 480 Seiten lang schier endlos scheinende Wege durch einen Urwald von Gewalt, von Abwehr und gnadenloser Härte. Und während man sich innerlich bereits abgewendet hat, entrüstet oder angeekelt ist, blitzt es plötzlich hervor, so ein Männerherz, so weich, so verletzlich, dass es den Leser im Tiefsten berührt.

 

Zentrum des Geschehens, der Rote Faden im Buch,  ist ein Pfadfinder-Lager in Wisconsin. Im Jahr 1962 lernen wir Nelson kennen, einen traurig-einsamen Jungen, dessen Intelligenz und Perfektionsdrang seine gesamte Umwelt auf Abstand hält oder sie herausfordert zu Quälereien sondersgleichen. „Ich muss klüger sein als die.“ Mit diesem Ansporn rückt er noch weiter weg von den anderen. Er ist auf eine ganz altmodische Weise ganz und gar rechtschaffen. Alle Prügel seines Vaters konnten daran nichts ändern. Jonathan ist der einzige Jugendliche, der auf versteckte und doch tröstliche Weise zu Nelson hält.

 

1996, gute 30 Jahre später leitet Nelson, der im Vietnamkrieg im Einsatz gewesen war, das Pfadfinder-Lager. Jonathan’s Sohn Trevor nimmt daran teil. Im Verlauf dieses Lageraufenthaltes lernt Trevor seinen Vater von einer Seite kennen, die seine heile Familienwelt-Vorstellung brutal zerstört.

 

2019 befinden wir uns wieder im gleichen Pfadfinder-Lager, in dem der alte Nelson inzwischen dauerhaft lebt. Dieses Mal lernen wir Thomas kennen, den Sohn von Trevor. Die moderne Zeit lässt das Pfadfinder-Leben fast lächerlich wirken. Das Ende dieses Sommer-Camps ist symbolhaft…

 

Die unglaublich intensive Sprache des Autors fängt den Leser ein und lässt ihn nicht mehr los. Sie trägt den Leser zum Beispiel durch die grenzenlose Einsamkeit eines Nelson, ohne Chance des Entkommens. Oder durch in Rückblicken angerissene Szenen vom  Krieg, von erlittenen Grausamkeiten, die von den Vätern unreflektiert hart an die Söhne weitergegeben werden. Man möchte sich abwenden, will nichts mehr lesen vom schicksalhaften Gefangensein in liebloser Strenge. Man hat genug von den verzweifelten und letztlich vergeblichen Bemühungen, ein wenig Glück zu erhaschen. Aber die Sprache lässt dieses Abwenden nicht zu. Mitten im  Berichten abscheuungswürdigen Geschehens gibt es plötzlich Naturschilderungen von atemberaubender Schönheit oder eingestreute kleine Momentaufnahmen aufblitzenden liebenden Verstehens, winzige Augenblicke nur. Aber dennoch sind es Blicke mitten ins Herz, in das Herz von Männern, in vom Leben beschädigte, verletzte Seelen.

 

 

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Quirin Wimmer

Moskau light

Gebundene Ausgabe: 136 Seiten

Verlag: Edition artCo

ISBN-13: 978-3936069020

 

 

Vergnüglich, wenn auch veraltet  

 

 

Der Autor, ein Osteuropa-Kenner, hielt sich einen Sommer lang in Moskau auf und berichtet im vorliegenden Büchlein auf eine sehr humorvolle und fein beobachtende Weise von seinen persönlichen Erlebnissen. Im Klappentext heißt es treffend: „Mit seinen Geschichten vermittelt er dem Leser Einblicke in Alltäglichkeiten sowie Bizarres aus einer Stadt im Aufbruch. Seine Beobachtungen haben nicht den Anspruch, in die Tiefe der russischen Seele zu dringen. Er ist fasziniert von der Authentizität des spontan Erlebten. Moskau light eben.“

 

In der Tat habe ich mit großem Vergnügen das Büchlein gelesen. Ich lernte die gigantische Stadt durch die Augen des Autors kennen, war mit ihm unterwegs ohne schweren geschichtlichen Ballast, aber mit großer Entdeckerfreude des Alltäglichen. Allerdings habe ich während des Lesens auch viel nachgeschlagen. Allein schon das imposante Gebäude des Moskauer Konservatoriums, in dem so viele große und ganz große Komponisten und Künstler lernten und lehrten, beeindruckte mich zutiefst, während der Autor lieber in einem ganz in der Nähe gelegenen Café saß, die vielen jungen Menschen beobachtete und den aus den geöffneten Fenstern herausdringenden unterschiedlichsten Instrumentenklängen lauschte.       

 

Aktuell leben 12,4 Mio. Menschen in Moskau, zum Zeitpunkt der Niederschrift des Buches (ca. 2005) waren es noch 9 Mio. Und genau da haben wir den Punkt, der mich unbefriedigt zurückließ, weil das Buch inzwischen in vielen Punkten veraltet ist. Je weiter ich las, desto dringender wurden meine Fragen: Und wie ist es heute? Was hat sich in welcher Weise geändert oder auch nicht? Sind die Taxis immer noch so verschlissen und im Innenraum liebevoll von Hand tapeziert? Gibt es noch die wodkafröhlichen Bootsausflüge auf der Moskwa mit den in die Jahre gekommenen Highspeed-Raketas? Sollte man nach wie vor das kyrillische Alphabet beherrschen, wenn man sich nicht in dieser Riesenstadt verirren wollte? Gibt es noch die Sesselliftbahn mitten in Moskau? Und wandern nach wie vor Russen, als Lenin verkleidet, über den Roten Platz, um sich für ein paar Rubel von Touristen fotografieren zu lassen?

 

Also mit anderen Worten – das leider veraltete Buch hat mich sehr, sehr neugierig gemacht auf diese beeindruckende Stadt. Insofern hat es mir eine Tür geöffnet – was will man mehr.

 

 

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Zenta Maurina

 

Porträts russischer Schriftsteller

 

 

Leider vergriffen

 

 

 

„Wer den russischen Menschen begreifen will, wird ohne die Kenntnis dieses Buches nicht mehr auskommen können.“ (aus dem Klappentext)

 

Zenta Maurina (1897 – 1978) war eine überragende Kennerin der russischen Literatur. In Riga geboren wuchs sie zweisprachig auf und konnte die russischen Dichter in Originalsprache lesen. Sie promovierte als erste Frau summa cum laude an der Universität Riga in der Philosophisch-philologischen Fakultät, trotz der erschwerenden Tatsache, seit dem 5. Lebensjahr nach Erkrankung an Kinderlähmung lebenslang an den Rollstuhl gefesselt zu sein. Ich lernte ihre Bücher bereits im Alter von 15 Jahren kennen, durfte ihr auch mehrfach persönlich begegnen. Für mich persönlich sind ihre Bücher allesamt unausschöpfbare Quellen von Wissen einerseits und tiefer Menschlichkeit andererseits. Leider sind nahezu alle ihre Werke vergriffen. Umso mehr hüte ich den Schatz der in meinem Besitz befindlichen 24 Titel, die mich seit mehr als 50 Jahren durch viele Umzüge und Ortswechsel hinweg stets verlässlich begleiteten.

 

Der vorliegende Band, eine Sammlung von Porträts sehr persönlich ausgewählter russischer Literaten, ist in seinen politischen und zeitgeschichtlichen Anspielungen aus seiner Entstehungszeit (das Buch erschien 1968) heraus zu verstehen. Dennoch enthalten die Abhandlungen so viel Grundsätzliches, Zeitloses, von tiefstem Verständnis für die in Literatur gefasste russische Seele, dass die Lektüre für alle, die mit ernsthaftem Interesse in das Thema eintauchen wollen, von großem Wert sein dürfte.

 

Begonnen wird mit Michail Wassiljewitsch Lomonossow (1711 – 1765), dem „Begründer der russischen Literatur“, wie Zenta Maurina ihn nennt. Sehr viel ausführlicher befasst sie sich im Anschluss daran mit Anton Tschechow (1860 – 1904), wendet sich dann Anna Andrejewna Achmatowa (1889 – 1966) zu, die sie die „Sappho des 20. Jahrhunderts“ nennt, um mit Andrej Sinjawskij (1925 – 1997), Alexander Solschenizyn (1918 – 2008) und Valerij Tarsis (1906 – 1983) zu enden. Jedes Porträt für sich öffnet eine umfassende Weltsicht weiter und tiefer, als ich sie je sonst gelesen habe und jeglichen üblichen biographischen Rahmen sprengt. Jede Seite regt an, weiter zu forschen, mehr zu entdecken. Jedes Zitat, jeder erwähnte Zeitgenosse der vorgestellten Persönlichkeiten führt den Leser auf neue Wege, zu neuen Sichtweisen sowohl auf die russische Literatur als auch auf den Menschen jenseits aller Ländergrenzen.

 

 

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Eva-Maria Silber

Kirsten Wilczek

Vor.Sicht Ab.Gründe

Taschenbuch: 168 Seiten

Verlag: chiliverlag

ISBN-13: 978-3943292626

 

 

Böse Phantasien

 

 

 

Ein kleines Büchlein, das es in sich hat. Viele Tote und Tode hat es in sich. Gewollt oder ungewollt herbeigeführte Tode. Überraschende Tode. Und Tote, die sich für ihren Tod rächen. Viel Tod eben.

 

 

Die 18 Stories sind ideal, um sie „zwischendurch“ zu lesen. Eher nicht sitzend auf einer Friedhofsbank. Auch nicht im Wartezimmer eines Arztes. Besser Sie sitzen zu einer Tasse Kaffee am sicheren Küchentisch. Vielleicht sogar abends im Bett, wenn Sie mutig sind und schlechte Träume nicht fürchten. Denn die Stories sind ganz schön stark, meistens spannend und auf jeden Fall gemein, hundsgemein.

  

Die Schreibweise der beiden Autorinnen unterscheidet sich erheblich. Mir persönlich gefallen die Geschichten von Eva-Maria Silber besser. Sie brauchen keine maniriert wirkenden Sätze, keine Fachbegriffe, keine schlecht verständlichen mundartlichen Dialoge, keine komplizierten Handlungskonstrukte. Eva-Maria Silber beschreibt schlicht, nüchtern, sachlich, fein – und dadurch richtig, richtig böse.

 

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